schmetterling

(Martin Jones) #1

»Wessen Heimat?«
Elmar-453 schaut sie der Reihe nach an. »Ist euch eigentlich klar, wohin
die Welt treibt? Alles verändert sich. Grundlegend! Keine staatlich geführten
Kriege mehr. Armeen ins Feld zu schicken, wäre archaisch. Wer opfert noch
Menschen, wenn er hoch entwickelte Roboter gegeneinander kämpfen lassen
kann, und Roboterkriege gewinnt niemand. Selbst die größten Kläffer werden
keine Atomraketen aufeinander abfeuern, weil es niemandem nützt. Öl war
der letzte klassische Kriegsgrund. Wen interessiert noch Öl? Wasserkriege?
Du tötest nicht für Wasser und Nahrung. Du tötest für Macht! Verdurstende
haben keine Waffen. Wer Hunger und Durst hat, bettelt. In den armen
Ländern hauen sich weiterhin die Warlords aufs Maul, da geht’s um
regionale Belange, der Terror setzt seine Nadelstiche, doch keiner dieser
Akteure wird das in großem Stil tun können. Weder haben sie das Know-
how, um computergesteuerte Waffen einzusetzen, noch den Zugriff oder
wirklich den Wunsch, auch wenn sie Tod allen Ungläubigen! schreien – die
meisten sind glücklich, wenn sie irgendwo ihren putzigen Gottesstaat
errichten und ein paar Frauen steinigen. Wir müssen keine Angst vor denen
haben, vor ihren ausgemusterten Kalaschnikows und fehlzündenden
Sprengstoffgürteln. Die Tech-Zivilisation hat sie abgehängt.« Er macht eine
Pause. »Und mit ihnen das Armenhaus der Welt. Wir sind zehn Milliarden
auf diesem Planeten, die leben und leben wollen. Früher, als es um Rohstoffe
ging, um Produktionsstandorte, um die Erweiterung westlicher
Einflusssphären, da hatten wir diese Menschen noch im Fokus. Da musste
uns zwangsläufig interessieren, wie’s ihnen geht, aber es gibt keinen Grund
mehr, hinzuschauen. Wir nehmen sie allenfalls noch als Flüchtlinge wahr.
Darüber hinaus vergessen wir sie. Und genauso vergessen wir die Armen in
unseren hoch entwickelten Ländern, die nicht ans digitale Wunder
anschließen konnten, das wir vollbracht haben. Wir Glücklichen finden auf
der ultravernetzten Ebene statt. Ein großer Teil der Menschheit, immerhin.
Genetisch aufgerüstet, teure Implantate, unsere Organe voller

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