schmetterling

(Martin Jones) #1

Tank und sinkt langsam herab zu den anderen, die sich schon auf der Pritsche
türmen. Knallen, Zischen, umherschwappender Widerhall, vorbei am zweiten
Wagen. Klauen fahren hernieder, Dutzende sich faltender und streckender
Roboterarme wie aus der Decke wachsende Insektenbeine, der ganze riesige
Raum eine fürchterliche, bedürfnislose Kreatur. Sie läuft die letzten Meter
unter dem Wagen hindurch, geduckt und flink, eine Maus eben. Schneller
war sie immer schon. Dies hier ist nur ein weiterer Dschungel, und im
Dschungel hat Pilar zu leben gelernt. Es kostet sie keine Mühe, die Grenze
aufzulösen zwischen Belebtheit und Unbelebtheit, alles folgt
Handlungsanweisungen, genetischen wie elektronischen. Die Libellen in den
Tanks: algorithmisch gelenkt, nicht anders als die Maschinen ringsum. Homo
sapiens: Marionette seiner evolutionären Programmierung. Bewusstsein:
überschätzt. Körper: kohlenstoff- oder silikonbasiert – wen schert’s.
Sie ist die Maus in der Mechanik.
Als sie in den Quergang schlittert, sieht es allerdings selbst für eine Maus
nicht rosig aus. Er ist blockiert von einer kolossalen Wartungsmaschine,
deren Greifer eine der Käfigfronten austauschen. Kurz entschlossen packt sie
in die nächste Leiter und klettert hoch bis zum dritten Level, jede Sprosse
eine verlorene Sekunde. Vor ihren Augen erstreckt sich der Laufgang, ihre
Stiefel bringen das Metall zum Schwingen, beleuchtete Insektarien zu ihrer
Rechten, jetzt ist sie über dem Wartungsroboter und im nächsten Moment
kurz davor, auf ihn herabzustürzen. Mit hämmerndem Herzen klammert sie
sich ans Geländer, den Oberkörper über den Abgrund gebogen. Was war das?
Etwas hat sie angesprungen, von der Seite. Sie fängt sich, schaut widerwillig
hin. Das Ding klebt von innen an der Scheibe seiner Behausung. Kriecht
darüber hinweg, blind, suchend, mit tastenden Fühlern –
Hoffentlich wirst du nie hier rausgelangen, denkt sie.
Hastet weiter. Hält den Blick von den Insektarien gewendet und kann doch
nicht übersehen, dass da keine Ripper gezüchtet werden, sondern etwas
anderes, für das keine Worte bleiben, nur die Frage, warum so was lebt. Ist an

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