schmetterling

(Martin Jones) #1

»Das habe ich ganz bestimmt nicht. Und wenn, hattest du es dir selber
zuzuschreiben. Wir regeln das hier friedlich.«
»Friedlich? Wie soll das denn gehen?«
»Ich denke, da gäbe es Möglichkeiten«, sagt eine Stimme hinter ihr, und
Pilars Glieder werden zu Eis.


Fünfzehn Grad Celsius Wassertemperatur.
Nicht eben eine Ermunterung.
Während Luther sich in die Wellen gleiten lässt, rekapituliert er, was man
ihm auf Barbados übers Apnoetauchen eingebläut hat. Wie alle Menschen
führt ihn sein episodisches Gedächtnis aufs Glatteis, indem es erst mal in
bunten Schwärmen und Begegnungen mit Haien und Meeresschildkröten
schwelgt, bevor es sich dazu bequemt, aus dem Getöse der Höhepunkte das
Nützliche hervorzukramen: vor dem Abtauchen tief und bewusst atmen, CO 2 -
Gehalt im Blut absenken, Atemreflex bändigen. Jede Menge kluger
Verhaltensmaßregeln, die zu befolgen sein Zeitguthaben überdehnen würde.
Jarons Leute schenken dem Kai gerade keine Beachtung, doch das kann sich
jederzeit ändern.
Er pumpt die Lungen voll, stellt sich senkrecht und strebt mit raschen,
kräftigen Schwimmstößen abwärts.
Gar nicht so einfach. Die Luft dehnt sich aus, sein Körper will wie eine
Boje zurück nach oben. Druck malträtiert seine Trommelfelle. Er bewegt die
Kiefer, um den Ausgleich herzustellen, lässt Bläschen aus den Mundwinkeln
entweichen. Die Sonne schafft einen blaugrünen, strahlendurchbrochenen
Raum, der sich ins Dunkle und Abgründige weitet. Lichter sind dort unten,
diffus wie Signale einer verborgenen Zivilisation. Luther hält darauf zu. Die
Lichthalos erstrecken sich zu beiden Seiten, offenbar ist die Unterseite der
Hafenkante mit LED-Lampen bestückt –


Etwas in der Rumpfwand streift sein Bein.
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