schmetterling

(Martin Jones) #1

den Einschnitt vor sich, in dem Nevada Stadt und Grass Valley ineinander
übergehen müssten. Ein Netz aus Straßen verwob sich hier; der Dschungel
hat alles überwuchert. Grass Valley scheint vom Erdboden getilgt, bis Ruth
nach unten zeigt und laut »Del Oro!« ruft.
Ein spitzer Turm ragt aus dem grünen Filz, acht, vielleicht zehn Meter
hoch. Die Farben sind verblichen, einige der Leuchtbuchstaben abgefallen,
doch immer noch kennzeichnet der himmelwärtsstrebende Erfindergeist des
Art déco das einzige Relikt weit und breit, das an Grass Valley erinnert. Die
Krönung des alten Del-Oro-Kinos, des Ortes, von dem aus man in alternative
Welten, fiktive Vergangenheiten und Zukünfte reiste, in die Paralleluniversen
der Phantasie. Ein Tor auf seine Weise, und so wie das Tor im Sierra Valley
erhalten. Kollektives Seufzen geht durch den Gleiter. Niemand, so viel ist
klar, verspürt noch den Wunsch, San Francisco zu besichtigen, abgesehen
davon, dass die Zeit knapp wird. Um das spektakulärste Symbol der
versunkenen Welt zu betrachten, müssten sie ohnehin zweieinhalbtausend
Meilen östlich von hier wie Charlton Heston den Strand entlanggaloppieren,
hinter sich im Sattel ein stummes Mädchen, dessen einzige Kenntnis sozialer
Ordnung die der Affen ist.
Ihr letzter Eindruck, bevor Elmar den Gleiter wendet, ist der von etwas
sehr weit entfernt Schimmerndem, als habe sich dort ein See aus Sonnenlicht
gesammelt. Auburn? Yuba City?
Sacramento?
Nichts von alldem würden sie vorfinden.
Sondern etwas, das an dessen Stelle getreten ist.


Die wuchernde Struktur lebt. Besser gesagt, etwas darin lebt.
Schon auf den ersten Metern ist es ihnen aufgefallen. Handgroße,
transparente Kreaturen bevölkern das Geflecht, sitzen auf den Strängen und

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