schmetterling

(Martin Jones) #1

Das ist ein kleiner Schritt für den Menschen –
Als genüge ein Stück Stoff an einem Stecken, in den Boden gerammt, um
ein Land in Besitz zu nehmen oder besser gleich einen kompletten
Himmelskörper.
Vielleicht, denkt Luther jedes Mal, wenn er auf diesem Stein sitzt, ist es
gar nicht so sehr Stolz, der viele Amerikaner das Sternenbanner in ihre
Gärten pflanzen und an die Fassaden ihrer Häuser nageln lässt, sondern um
sich allmorgendlich zu versichern, dass dies noch ihr Land ist. Vielleicht
treibt uns die Angst, es andernfalls wieder zu verlieren. An Indianer,
Kommunisten, Muslime, Drogenbarone, Atheisten, Schwule, Feministinnen,
Aliens. An die bei Nacht und Nebel über die Grenze strömenden Mexikaner,
all die bitterarmen Alambristas, die in ihren verzweifelten Anstrengungen,
der Hölle ihrer Umstände zu entrinnen, kein Hindernis scheuen. An die
Flüchtlinge aus Nahost, an Klimaapokalyptiker, an die Traumata der
Vergangenheit, Stahl in der Skyline, die zerschellende Front, in der sich
Amerikas Größe gespiegelt hat, fast schon egal an wen oder was, solange nur
das Banner der Freiheit weht. Als müsse ein Land in seine Nationalfarben
verpackt werden wie von Christos Hand, um es vor fremdem Zugriff zu
bewahren.
Aber die Welt ist in paradoxer Umkehr der Zunahme ihrer Probleme
einfacher geworden.
Die Erklärungen sind einfacher geworden. Schriller. Unmenschlicher.
Wenn Luther morgens aus der Galloway Street auf den Court House Square
tritt und die paar Schritte hinüber zum Sheriffbüro geht, fühlt er sich jedes
Mal wie angesprungen. Abseits des Gerichtsgebäudes, im höhlenartigen
Schatten mächtiger Kiefern, lauert der alte Galgen von Downieville, als
werde er noch mal gebraucht. Ein mehr als doppelt mannshohes Holzgerüst,
das den Eindruck erweckt, ins Sonnenlicht galoppieren zu wollen, ermuntert
durch das landesweit anschwellende Geheul derer, die sich von rechten
Populisten vorgaukeln ließen, man könne die Vergangenheit ins Weiße Haus

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