schmetterling

(Martin Jones) #1

anderen auf den Rücken. Nichts macht Anstalten, sie anzuspringen oder
anzuknabbern.
»Ob die uns überhaupt bemerken?«
»Wenn, sind wir ihnen schnuppe.« Pilar schließt die Fahrertür und tritt vor
das leuchtende Neuronennetz, das sich wie ein mehrlagiger, poröser Vorhang
herabbauscht. Jetzt ist sie so nah, dass sie eine Art Textur in dem Material
ausmachen kann: eng verfugte, knapp fingernagelgroße Steinchen wie
geriffelter, trüber Bergkristall, mit schartigen Rändern und Einschlüssen rund
um ein lumineszierendes, schwach pulsierendes Zentrum. Sacht lässt sie den
Daumenballen über die Oberfläche gleiten. Spürt die Textur. Ähnlich wie
Ornamentglas. Jedes Steinchen leicht gewölbt, ein Baustoff, starr, aber nicht
kalt; und auch nicht wirklich wie Glas, mehr von der Art eines Kunststoffs,
sogar temperiert, wie sie überrascht feststellt. Sie legt die Hand ganz auf die
Wölbung des Strangs und lässt sie dort ruhen, spürt eine beruhigende Wärme
davon ausgehen und in ihre Haut vordringen.
»Riecht wie aufgekochte Gelatine«, sagt Eleanor.
»Stimmt.« Pilar nimmt die Hand weg. »Bisschen nach Rosen auch. Findest
du nicht?«
»Eher Himbeere.«
Pilar geht in die Hocke. Zwischen den kreuzenden und querenden Axonen
und Dendriten tun sich Blicke auf, und zu ihrer Freude schraubt sich dahinter
die Stahltreppe hoch zur Balustrade. Als sie den Kopf dreht, um von unten
durch den Gitterrost des Laufgangs zu schauen, starrt eine der Glasläuse auf
sie herab, keine zwei Handbreit von ihrem Gesicht entfernt. Nichts ist den
schwarzen Augen zu entnehmen. Nach einer Sekunde des Abwartens und
Sondierens widmet sich das Tier wieder seiner rätselhaften Beschäftigung.
Die Vorderbeine heben und senken sich in raschem Takt, Greifwerkzeuge,
beweglich wie Menschenhände, träufeln Flüssigkeit auf den Kristall, die das
Geschöpf offenbar selbst produziert, streichen über die Fugen und zupfen
etwas heraus, zu winzig für eine Taxonomie. Angestrengt linst Pilar zwischen

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