schmetterling

(Martin Jones) #1

Nimm mir meinen Namen, und ich bleibe dennoch ich.
Und dort ist Ruth. Die Frau, deren Etikett Ruth ist. Millionen Ruths mag
widerfahren sein, was ihr widerfahren ist, doch hat sie nicht deren Leid
gespürt, sondern ihres. Wir leben jeder unser Leben. Zusammen mit denen
um uns herum, für die wir da sein wollen, und die – mit etwas Glück – für
uns da sind. Mehr kann es nicht geben, und ist das nicht ungeheuer viel? Ist
das nicht mehr als alles andere ein Grund, unser Hiersein zu lieben? Kann ja
sein, dass wir austauschbar sind, im Rahmen einer gedanklichen
Konstruktion. Aber Ruth hat ihren Moment des Glücks mit Meg gehabt, und
das ist nicht austauschbar. Und Jodie ist gestorben, und das war nicht
austauschbar. Nichts wird je austauschbar gewesen sein.
Das ist so, seit wir, noch halb Affe, vom Baum gestiegen sind.
Er kann die Affen sehen.
Er sieht sie wirklich.
Luther federt hoch. Wo die Schwarzbärenfamilie aus dem Unterholz
gebrochen ist, lauern menschenähnliche Wesen und starren zu ihnen herüber,
jedenfalls hat es den Anschein. Geduckte Schatten im Laub, fast eine Meile
entfernt, die sich bei seinem Aufspringen hastig wieder verziehen. Er will die
anderen darauf hinweisen, als Ruth neben ihn tritt und zu der deformierten
Küstenkiefer zeigt.
»Luther«, sagt sie leise. »Da.«
Möglicherweise wurde der Baum, der dort im scharfkantigen Geröll
wurzelt, vor langer Zeit vom Blitz getroffen und der Länge nach
aufgespalten. Ein Teil strebt trotzig in die Höhe, während die kräftigere,
waagerechte Hälfte weit übers Ufer und in den See hinausgewachsen ist. Wie
der verholzte Leib eines Pythons schwebt dieser Strang unmittelbar über dem
Wasser, bestanden von Gerippen kahler Zweige, lediglich zum Ende hin
wiegt sich ein dichtes, gelbgrünes Nadeldach.
Der tote Bär in den Ästen hat begonnen sich zu bewegen.

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