schmetterling

(Martin Jones) #1

Jaron und Elmar sind mitten im Disput verstummt. Alle starren hinüber zu
der Kiefer.
»Was ist das?«, sagt Ruth. »Atmet er?«
»Nein.« Eher kommt es Luther vor, als lebten nur Teile des Tiers. Die
herabbaumelnde Tatze des Vorderlaufs, deren Krallen eingetaucht sind, zuckt
in Intervallen abwärts, als versuche der Bär mit letzten Reflexen, einen Fisch
zu fangen. Wo er liegt, ranken große, glatte Sprösslinge einer unterseeischen
Pflanze aus dem Wasser und umschließen den mächtigen Trieb der Kiefer.
Die Augen des Bären sind eindeutig tot und umwimmelt von Insekten, jetzt
aber kommt Bewegung in den aufgedunsenen Leib. Er hebt und beult sich,
wird von Krämpfen durchlaufen, während der Kopf schlaff und leicht
abgedreht auf der Borke ruht. Keine fünfzig Schritte entfernt spielt sich das
Ganze ab, ein grausiges Puppenspiel, denn immer offensichtlicher ist, dass
der Körper bewegt wird. Ein Kadaver, zweifellos, und dennoch bricht es aus
Ruth heraus: »Wir müssen dem ein Ende machen. Das ist ja nicht zum
Aushalten.«
»Warte.« Elmar fasst sie am Arm. »Ich dachte in 453 auch, ich könnte ein
Ende machen. Vermutlich mein größter Fehler.«
»Aber wir müssen das arme Tier erlösen.«
»Es ist tot«, sagt Jaron. »Wenn ihr mich fragt, sollten wir umgehend von
hier verschwinden.«
»Da waren Menschen«, sagt Luther.
»Was?«
»Drüben. Ich hab sie gerade noch gesehen. Am anderen –«
Das Tier im Baum zuckt. Ruth zieht die Waffe und jagt einen Schuss
zwischen die blinden Augen, und mit einem Mal liegt geisterhafte Stille über
dem Wald. Noch das leiseste Zirpen, Brummen und Knacken, jegliches
Geräusch verstummt – dann reißt die Flanke des Bären von der Schulter bis
zum Hinterteil auf, und Hunderte dicker, schwarzblauer Käfer quellen hervor
und laufen rasend schnell über den Stamm zum Ufer. Gleichzeitgig verlagern

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