schmetterling

(Martin Jones) #1

»An sich ’ne erfreuliche Nachricht«, ruft Phibbs. »Aber deswegen solltest
du ihr nicht gleich den Puls messen.«
D.S. steht unschlüssig vor dem Wagen. Grace wird von schrecklichen
Epilepsien geschüttelt. Ihr umherzuckender Blick trifft seinen, heftet sich an
ihn, so wie sich eine Ertrinkende an ein Stück Treibholz klammert, wobei
ihre Finger zu Krallen verkrampfen. Die Frau braucht dringend Hilfe, und
zwar jetzt. Er reißt die Hintertüre auf. Rücklings fällt sie ihm entgegen und
stiert ihn an, sabbert, versucht zu sprechen. Mit beiden Händen umschließt er
ihre Schultern, lässt sie zu Boden gleiten, hört Phibbs im Laufschritt »Nein,
D.S., nein!« brüllen und wird Zeuge einer unerwarteten Wandlung, die sich
in Graces Augen vollzieht.
Dunkler Bernstein. Strahlendes Weiß. Vollkommene Kontrolle.
Als er seinen Fehler erkennt, ist es zu spät.


Sie rasen dem Luftschloss entgegen, und es ist nicht länger Schloss oder
ätherische Spiegelung, sondern das ins Zyklopische gesteigerte Pendant des
Spuks, der die Farm überwuchert. Kein Begriff wird ihm gerecht. In seinen
aberwitzigen, das Auge verwirrenden Dimensionen, den Höhenrücken über
Meilen vereinnahmend, erscheint es im einen Moment als Stadt, im nächsten
als Göttersitz oder Relikt eines außerirdischen Paläogens. So filigran und bei
aller Fremdartigkeit einnehmend der Kristallwald, so Furcht einflößend in der
Maßlosigkeit seiner Auftürmungen wirkt dieses augenscheinlich verlassene
Monument, als hätten seine Erbauer es angesichts ihres eigenen Schaffens
mit der Angst zu tun bekommen und seien Hals über Kopf geflohen – eine
Stadt, ja, aber tot oder etwas Totes bergend.
Oder etwas, das schläft. Wartet.
Getreu dem vergrößerten Maßstab stehen Türme, Zinnen, Kuben und
Kuppeln hier weiter auseinander. Die geschwungenen Brücken spannen sich

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