schmetterling

(Martin Jones) #1

Zerrinnt wie Wasser, das er mit den Händen aufzufangen versucht. Sein
Kopf kann das Wissen nicht halten. Ruth steht am Fuß der anderen Röhre, die
das Landefeld flankiert. Im Sockel neben ihr klafft eine Öffnung.
Mannshoch. Da war keine Öffnung. Oder? Nein! Luther beginnt zu gehen,
setzt einen Fuß vor den anderen, ringt um Konzentration und sieht Ruth
hineingehen, was zum Teufel macht sie denn da, sie kann doch unmöglich
alleine, ohne Partner, in ein ungesichertes –
Immer noch nur ein Gleiter.
Du wusstest, es war ein Köder. Ein Trugbild. Damit wir landen und
aussteigen.
»Ruth?«
Ihr Verschwinden mobilisiert somnambule Reflexe, sein in Jahren
antrainiertes, nutzloses Repertoire. Fest steht, die Stadt ist alles andere als tot.
Sie sind einem billigen Trick aufgesessen, Ruth hat sich verleiten lassen. Das
Flüstern fallenden Sandes weht ihm entgegen, als er durch die ovale
Wölbung tritt und sie dastehen sieht, inmitten der Konturlosigkeit
ungeschaffenen Raums. Vielleicht auch nur eine Vortäuschung von
Unerschaffenheit, weil es an diesem Ort, am Grund der Röhre, keine starren
Winkel und Kanten gibt, denn Struktur ist da schon, und als er den Kopf in
den Nacken legt, eine bestürzende, dröhnende, wimmelnde Weite, ein
Ineinanderfluten von Licht und Form, geschmeidige Verlagerung von etwas
Lebendigem. Luther erblickt die Bewohner der Stadt, blind für ihr Wesen,
weil er die Wahrheit nicht erkennen kann, so wie ein Mensch unter Wasser
nicht scharf sehen kann, doch würden sie nur den Filter von seinen Augen
und seinem Verstand nehmen, dann –
»Wir müssen hier raus.« Er fasst sie am Arm. »He, Ruth! Hörst du? Schau
mich an. Ich bin’s. Schau mich an.«
Dann –
Sie richtet ihre wasserblauen Augen auf ihn. »Ich schaue dich an.«
»Wir müssen hier raus, bevor sie den Zugang schließen.«

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