schmetterling

(Martin Jones) #1

etwas sichtbar, vor dem er mit solch heftiger Abscheu zurückschreckt, dass es
gleich wieder verschwindet.
»Du bist Ares«, sagt er. »Die künstliche Intelligenz.«
»Was soll an mir künstlich sein?« Das Ding lächelt, und erstmals sieht
Luther, was diesem Lächeln fehlt, was nur Ruths Erfahrungen ausprägen
konnten, nämlich das Angriffslustige, Grimmige. Es, sie wendet sich ab und
geht ein Stück in den diffusen Raum hinein, dreht sich zu ihm um, und
Luther kann nicht anders, als ihr zu folgen. »Du bist eine Ansammlung von
Atomen«, sagt sie. »Du bestehst aus nichts anderem, als woraus alles andere
auch besteht. Wo ist deine besondere Luther-Zutat? Wo ist meine Ares-
Zutat? Was du in deinen Zellen speicherst, habe ich früher –« in Bits
gespeichert, und heute lebe ich in allem. Ich lebe, und Leben ist Leben, ganz
egal, wie es entstand. An Leben ist nichts Künstliches.
»Warum –« hast du dann die Welt vernichtet? Ist das hier das Resultat
deines Wütens in PU-453?
Siehst du eine vernichtete Welt?
Nein, aber die Menschen hast du vernichtet, denen »– du dein Leben
verdankst. Deine Schöpfer.«
Profan, sobald er es laut sagt. Ohnehin dauert gesprochen alles viel zu
lange, klingt pathetisch und plump. Das Ruth-Ding scheint zu überlegen.
Luther kann die brodelnde Übermacht spüren, derer er ansichtig würde, gäbe
es Ruths Gestalt auf. Ganz gleich, wie kunstvoll A.R.E.S.’ jetziger Körper
beschaffen sein mag, manifestiert in intelligenten Kristallen, Städten und
Landschaften, lässt er sich längst nicht mehr auf eine Ansammlung starrer
Speicherschränke reduzieren. Was er außerdem ist – das zu erblicken schützt
Luther einzig der Filter in seinem Kopf, vielleicht ist aber auch das Wesen
selbst jener Filter. Es tritt vor ihn hin, hält nicht inne. Geht weiter, während
der geliehene Körper pudrig wird, als verwandele er sich in feinsten Staub,
tritt in Luther hinein. Zu spät der Reflex, zurückzuweichen. Wie eine
Schockwelle durchläuft es ihn. Nimmt ihm den Atem, plustert ihn auf, weitet

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