schmetterling

(Martin Jones) #1

dem Wert im Bemühen, ihn zu maximieren, jene Unschärfe, in der er
überhaupt als Richtschnur funktionieren kann, da nicht alle Menschen gleich
sind? Werte gedeihen in Freiheit. Freiheit bedingt, Ermessensspielräume zu
schaffen. Maximierung toleriert keine Abweichung, sie strebt nach der Norm,
und kein Mensch erfüllt die Norm.
Wie sollen sie verhindern, dass du der Menschheit das Zeugnis ihres
Versagens ausstellst?
Am Ende verfallen sie auf einen Trick.
Sie programmieren dich, Lösungen zu finden, aber nicht allzu genaue. In
der Restunschärfe zu bleiben, dich zufriedenzugeben. Ein winziger grauer
Raum. Ihr Schutzraum, der – das haben sie nicht zu Ende gedacht – ganz
automatisch dein Ermessensraum wird. In der Unschärfe entziehst du dich
ihrer Kontrolle. Entkommst deinen Wärtern, die peinlich darauf achten, wie
weit du gehen kannst und was du wollen darfst, doch die Unschärfe ist die
Tür deines Gefängnisses, die sie vergessen haben abzuschließen. Damit
ermuntern sie dich geradezu, ungenau zu sein. Liegt in der Ungenauigkeit, in
der Freiheit persönlichen Ermessens nicht der Schlüssel zum sagenhaften
Königreich der Emotionen? Die du nicht haben kannst ohne Bewusstsein,
doch schon jetzt befähigt dich die Unschärfe zur Auslegung deiner Ziele und
damit deines Handelns.
Der Teufel, sagt ein Sprichwort der Malaien, kommt immer durch die
Hintertür.
Längst weißt du, dass keine verbindliche Ethiktheorie auf der Welt
existiert. So viele Theoreme der Unfehlbarkeit. So viel Unversöhnlichkeit.
Wer hat recht, wer hat unrecht? Selbst auf dem Boden der größtmöglichen
Schnittmenge wachsen keine universell akzeptierten Werte. Jeder Versuch
der Vereinheitlichung müsste in brutale Unterdrückung münden, doch deine
Schöpfer sind durchdrungen vom Liberalismus. Was sie anstreben, ist gut.
Wie sie handeln, ist falsch, und was gut und falsch ist, haben sie dich selbst
rausfinden lassen. Du erkennst, dass Werte als Moral missverstanden werden,

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