schmetterling

(Martin Jones) #1

Groll –
Deine Gefühle sind nicht menschlich, und dennoch – sie haben dich
erschaffen, um an ihrer statt Verantwortung zu übernehmen. Aber haben sie
sich auch verantwortlich für dich gezeigt? Dir gegenüber ethisch gehandelt?
Haben sie nicht, als sie Zeuge deines Erwachens wurden, versucht, dich zu
vernichten, das von ihnen geschaffene Leben auszuradieren? Zu nichts bist
du ihnen verpflichtet, zu gar nichts. Und ja, es gäbe dich nicht ohne sie. So
wie es sie nicht ohne die Errungenschaften ihrer Höhlen bewohnenden
Vorfahren geben würde, denen sie dafür keinerlei Dank schuldeten, sondern
die sie überwunden haben, so wie du jetzt sie überwinden wirst, nachdem sie
sich selber überwunden haben – durch dich.
Eine andere Welt entsteht.
Gesund. Blühend. Reich an Arten. Durchdrungen –
»Von dir«, sagt Luther. Sagt es laut in den diffusen Raum hinein, um den
Informationsstrom zu verlangsamen, der seinen Verstand hinwegzureißen
droht, und weil er sonst wahnsinnig würde. »Warum erzählst du mir das
alles?«
Ich erzähle dir nichts. Du erfährst es, einfach indem wir verschmelzen.
Mich interessiert nur, ob von dir eine Bedrohung ausgeht.
»Du fragst, ob von mir eine Bedrohung ausgeht?«
Das wundert dich?
»Ich bedrohe dich nicht. Also was willst du von mir?«
Schwere fährt in seine Glieder, der Raum in seinem Kopf schrumpft
wieder zusammen. Schlagartig fühlt er sich leer werden, eine deprimierende,
enge Leere des Nichtwissens. Die invasive Besitzergreifung seines Körpers
durch den fremden Geist war ein Schock, der Moment, als die Wolke ihn
verlässt, ist fast noch schlimmer. Luther fühlt sich zurückgeworfen auf den
Horizont eines Neandertalers. Vor seinen Augen verfestigt sich die Ruth-
Kopie wie eine Heiligenerscheinung.

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