schmetterling

(Martin Jones) #1

»Du meintest was anderes. Du bist beunruhigt wegen Grace.«
Elmar holt den Fahrstuhl nach oben.
»Was soll Grace schon machen«, sagt Jaron.
»Wir wissen beide, was sie machen kann.« Luther sieht ihn an. »Es geht
um Grace, hab ich recht?«
»Undersheriff, du bist die Polizei.« Jaron grinst sein Wolfsgrinsen. »Die
Polizei hat immer recht.«
In der Kabine liegt das Funkgerät. Das andere ist in den Stahlrahmen der
Einfassung geklemmt. Die Zusammenschaltung sollte funktionieren. So
plagen Ruth auf der Fahrt nach unten die schlimmsten Befürchtungen. Eine
Zeitlang nach den Ereignissen in Monroe, Tennessee, träumte sie den immer
gleichen Traum von plötzlich einsetzender Todesstille – mal verließ sie eine
Zusammenkunft, Party oder Besprechung, um den Raum bei ihrer Rückkehr
verschlossen vorzufinden und dahinter diese betäubende Stille, mal sprach sie
in ein Telefon, und alles, was sie sagte, wurde von der Stille absorbiert, und
jedes Mal erfasste sie das Grauen einer nebulösen Katastrophe, die alles
Leben ausgelöscht hatte bis auf ihres, oder aber sie war als Einzige gestorben
und für niemanden mehr wahrnehmbar, und die eigentliche Katastrophe war
die Einsamkeit.
Überrascht stellt sie fest, wie anders sich die Dinge entwickelt haben. Auch
diese Stille quält sie. Kakophonisch in ihren Andeutungen, ein wüstes,
unhörbares Brausen, der Horror des Unvorstellbaren, des Todes, des nicht
mehr Seins. Gelebt und es vermasselt zu haben. Aus, vorbei. Keine zweite
Chance. Doch da ist Luther, den sie vielleicht niemals wiedersehen wird,
auch wenn sie mit heiler Haut zurückgelangen sollten. Eine Ahnung nur. Die
Unauflösbarkeit seiner Verstrickung. Nie gut, wenn die Toten auferstehen.
Verlorenes zurückzubekommen um den Preis, neu Gewonnenes zu verlieren.
Niemand sollte diese Wahl treffen müssen. Und plötzlich, ganz ohne
Erkenntnisgetöse, weiß Ruth, dass sie künftig ohne Luther auskommen muss,

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