schmetterling

(Martin Jones) #1

»Tabula rasa, Jaron.« Erschießt ihn. Kurze Salve, trockener Husten, und er
liegt am Boden und glotzt die Decke an. Wie eigenartig. Niemand springt
hinzu, um ihm die Waffe abzunehmen, aller Augen sind vor Entsetzen und
Unglauben geweitet, klar, weil sie wissen, dass sie jetzt sterben werden, nicht
mal Jaron kann ihnen noch beistehen.
Etwas auf ihrem Arm.
Ein Kristall. Kristall von der Sorte, aus der all das hier und das da draußen
besteht. Sie sollte schießen, aber sie kann den Blick nicht von dem
funkelnden kleinen Ding wenden, das haarfeine Beine hat, Haken und
Zangen, winzige schwirrende Flügel entfaltet und auf ihre bloße Haut hüpft,
seinen Hinterleib aufstellt –
Schmerz.
Ihr Arm, die MP – verschwunden unter Hunderten dieser glitzernden
Insekten, das Brausen jetzt über ihr, von allen Seiten. Elmar, der Pilar in den
Mercedes zerrt. Luther, Ruth an den Wagentüren. Die Insekten wie Strass.
Herantobender, wirbelnder, Säure absondernder Strass, Abertausende, und es
ist keine Säure, es sind Kiefer. Millionen winziger, hungriger Kiefer. Grace
öffnet den Mund zum Schrei, und sie dringen herein, sie hört sich gurgeln
und würgen, während ein Teil von ihr sich immer noch wundert, wie die
kleinen Biester solche immensen Strukturen bilden können, auf eine Art, dass
man ihre wahre Natur übersieht und dass sie eine Art lebender Datenspeicher
sein müssen, Teil eines –
Die Wolke kommt über sie. Keine Gedanken mehr. Feuer.
Grace fühlt, fühlt, fühlt, steht in Flammen.
Entsetzliche Angst und entsetzlicher Schmerz und immer noch, immer
noch, immer noch kein gnädiges Nichts –


Der Mercedes schießt den Korridor entlang.
Luther hat das Gaspedal bis zum Anschlag durchgedrückt. Im Rückspiegel
sieht er die furchtbare glitzernde Wolke anwachsen und sich ihnen

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