schmetterling

(Martin Jones) #1

Nachtstunden nicht weicht, wenn Gewitter riesigen scheuen Wesen gleich in
den Appalachen hängen, gelblich pulsierend, ohne einen einzigen Tropfen
Regen preiszugeben.
Im Sheriffbüro rühren Ventilatoren heiße Luft um wie Suppe.
Ruth hält alleine die Stellung.
Vor drei Tagen ist sie einer Ermittlungssache wegen raus zu Willard
Bendiekers Haus gefahren, das der Deputy mit seiner Frau Alicia bewohnt,
ein schmuckes, verandagesäumtes Südstaatenhäuschen, geeignet, jeder
Verfilmung eines John-Grisham-Romans als Herzkammer bürgerlicher
Wohlanständigkeit zu dienen. Der hereinbrechende Abend vibrierte vom
Gesang Tausender Zikaden, die starren Auges in der Dämmerung hockten.
Ein Disakkord, den Touristen als romantisch empfinden, bis sie das nie
abreißende Zirpen in den Wahnsinn zu treiben beginnt. Ruth, befreundet mit
den Bendiekers, wollte Willard eigentlich eine Akte reinreichen, aber der war
angeln. Bei der Hitze, meinte Alicia, seien die Fische zu beneiden, Haken im
Maul hin oder her, solange man nur im Wasser sein könne, und trug zwei
Riesengläser Eistee herbei.
Zwei Stunden später, nachdem der eiskalte Tee eiskaltem Ale Platz
gemacht hatte, das in Alicias Kühlschrank nachzuwachsen schien, war Ruth
im Bilde über den Grund der Bendieker’schen Kinderlosigkeit.
Noch mal eine Stunde später, Ole Smoky Moonshine im Glas und kaum
mehr eines klaren Gedankens fähig, wusste sie, dass Willard seine Frau mit
Regelmäßigkeit schlug, auch, warum er sie schlug, genauer gesagt, warum er
meinte, sie schlagen zu müssen.
Während Whiskey nachgegossen wurde, erkannte sie wie wach geküsst,
was Alicia und sie verband.
Trinkend fragte sich ein Achterbahn fahrender Teil von ihr, wie sie mit
alldem umzugehen hatte.
Nicht hatte, dachte sie im dritten Looping.
Wie ich damit umgehen will!

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