S_252_ddeutsche_Zeitung_-_11_09_2019

(vip2019) #1
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Die Diagnose Krebs kann alles bedeuten,
von schneller Heilung, die ein langes, be-
schwerdefreies Leben ermöglicht, bis hin
zum baldigen Tod – und allen Stufen dazwi-
schen. Deshalb wäre es völlig unseriös,
nach Bekanntwerden einer Krebserkran-
kung Spekulationen über die Prognose ab-
zugeben. Das gilt für alle Tumorarten und
also auch für Brustkrebs, deshalb sind hier
nur allgemeine Aussagen möglich.
Der Tumor, an dem in Deutschland je-
des Jahr etwa 70 000 Frauen neu erkran-
ken (knapp ein Prozent der Tumore betref-
fen Männer), gehört zu den Krebsarten, die
meist eine günstige Prognose haben. Mehr
als 70 Prozent der Frauen überleben die
ersten fünf Jahre nach der Diagnose. Trotz-
dem können sich auch noch nach zehn
oder 15 Jahren Metastasen bilden. Etwa
17000 Frauen sterben jedes Jahr in
Deutschland an Brustkrebs. Die Sterblich-
keit in den westlichen Ländern geht aber er-
freulicherweise seit Jahren zurück.

Wie die Chancen auf einen Therapie-
erfolg oder gar auf Heilung stehen, hängt
auch von der Größe und Ausbreitung des
Krebses ab. EinCarcinoma in situist auf
die Milchgänge der Brust begrenzt. Die wei-
tere Klassifikation unterscheidet Tumo-
ren unter zwei Zentimetern, von zwei bis
fünf und größer als fünf Zentimeter. Zu-
dem geht es darum, ob Lymphknoten befal-
len sind und bereits Metastasen vorliegen.
Je mehr dieser Kriterien erfüllt sind und je
größer der Krebs, desto ungünstiger.
Ausschlaggebend für die Prognose und
die Art der Behandlung ist außerdem die
feingewebliche Beschaffenheit des Kreb-
ses. Stark entartete Tumorzellen sprechen
für eine schlechte Prognose. In der weite-
ren Diagnostik wird untersucht, ob die
Brustkrebszellen Andockstellen für Hor-
mone aufweisen und bestimmte Proteine
an ihrer Oberfläche vorhanden sind. Dann
kann die Therapie gezielt auf die Rezepto-
ren gerichtet werden, beziehungsweise ei-
ne Antikörpertherapie angeraten sein.
Kaum ein Tumor beeinträchtigt das
Selbstbild der Frau so sehr wie Brustkrebs.
Vielleicht ist deshalb die Angst vor dem Tu-
mor größer als vor anderen Krebsarten,
denn die Häufigkeit von Brustkrebs wird
überschätzt, wie Umfragen zeigen. Viele
Frauen halten Brustkrebs für die weibliche
Todesursache Nummer eins. Die Wahr-
scheinlichkeit einer Frau, in ihrem Leben
an Brustkrebs zu erkranken, liegt bei acht
bis neun Prozent; an Infarkt, Schlaganfall
oder anderen Herz-Kreislauf-Leiden ster-
ben jedoch etwa 50 Prozent aller Frauen.
Obwohl viele laienhafte Erklärungen
kursieren, warum jemand an Krebs er-
krankt, ist der Mythos von der „Krebsper-
sönlichkeit“ längst entkräftet; die amerika-
nische Essayistin Susan Sontag hat ent-
scheidend dazu beigetragen. Weder be-
kommen Menschen eher Krebs, weil sie „al-
les in sich hineinfressen“, noch durch
Stress oder andere anstrengende Lebens-
umstände. Neben einer familiären Belas-
tung (etwa fünf bis zehn Prozent der Brust-
krebsfälle sind genetisch bedingt), gelten
späte Schwangerschaft, Kinderlosigkeit,
späte Menopause, frühe erste Periodenblu-
tung, langjährige Hormongabe, Alkohol,
Nikotin und Übergewicht als Risikofakto-
ren. Was Krebskranke gar nicht brauchen
können, sind gute Ratschläge. Wer gegen
den Krebs „kämpft“, hat auch nicht besse-
re Aussichten als jene, die es so nehmen,
wie es kommt. werner bartens

von peter burghardt
und mike szymanski

A

m Dienstag um 12 Uhr tritt Manuela
Schwesig in der Schweriner Staats-
kanzlei vor Kameras und Mikrofo-
ne, die Meldung von ihrer Krankheit hat da
längst die Runde gemacht. Die Ministerprä-
sidentin von Mecklenburg-Vorpommern,
45 Jahre alt, leidet unter Brustkrebs. Sie
wird als kommissarische SPD-Vorsitzende
zurücktreten, aber Regierungschefin ihres
Bundeslandes bleiben. Ihre Ministerrunde
hat sie am Vormittag informiert, nun
spricht Manuela Schwesig öffentlich.
Sie wirkt gefasst und bewegt zugleich.
Die Diagnose habe sie und ihre Familie
schwer getroffen, sagt Schwesig, „so etwas
ist immer ein riesiger Schock“, aber Krebs
sei nicht gleich Krebs. „Die gute Nachricht
ist: Dieser Krebs ist heilbar.“ Für die Be-
handlung, überwiegend ambulant, müsse
sie ihre Arbeitsbelastung allerdings redu-
zieren und die Posten auf Bundesebene
aufgeben. Nach Gesprächen mit den Ärz-
ten sei sie zuversichtlich, dass sie wieder
„vollständig gesund“ werde. „Deshalb ha-
be ich mich entschieden, das Amt der Mi-
nisterpräsidentin und auch den Parteivor-
sitz hier im Land weiter auszuüben.“
Natürlich erinnert die Nachricht an den
30.Mai 2017. Damals gab ihr Vorgänger Er-
win Sellering bekannt, aus gesundheitli-
chen Gründen zurückzutreten, bei ihm
war Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert

worden. Sellering legte seinerzeit all seine
Posten nieder. Im Dezember 2017 kehrte er
dann als einfacher Landtagsabgeordneter
in die Politik zurück.
Sein Rücktritt wegen des Krebsleidens
machte Schwesig zur Ministerpräsidentin
und SPD-Chefin im deutschen Nordosten.
Sellering wollte sie als Nachfolgerin. Sie
hörte dafür als Familienministerin im Ka-
binett Merkel auf. Jetzt, gut zwei Jahre spä-
ter, zwingt sie ein Tumor dazu, sich aus der
Spitze der Bundes-SPD zurückzuziehen.
Das zeigt zumindest, wie wenig planbar
das Leben und die Politik sind.

Manuela Schwesig gehört schon lange
zur Führungsreserve der Partei. Wenn sie
es gewollt hätte, wäre sie wohl auch aus-
sichtsreiche Kandidatin für den Parteivor-
sitz und hätte an diesem Dienstagabend
vor der Basis in Nieder-Olm, Rheinland-
Pfalz, sprechen müssen. Als Andrea Nahles
im Juni den Partei- und Fraktionsvorsitz
aufgab, richteten sich die Augen auch auf
Schwesig. Als SPD-Vize hatte sie sich
schon länger Gehör verschafft, sei es in Fra-
gen der Rüstungsexportpolitik, die Folgen
auch für Jobs an ihrer Küste haben, oder
zur Grundrente. Wenn die Parteispitze zu
Krisentreffen im Berliner Willy-Brandt-

Haus zusammenkam, weil es in der großen
Koalition mal wieder gekracht hatte, gehör-
te sie zu den wenigen, die draußen vor den
Journalisten erklärten, wie gerade die La-
ge ist. Schwesig legte auch von Schwerin
aus Wert darauf, als Bundespolitikerin
wahrgenommen zu werden.
Als kommissarische Chefin der SPD ab-
solvierte sie das Sommer-Interview im
Fernsehen, da war sie das Gesicht der SPD.
Das große Mecklenburg-Vorpommern,
das sollte nicht alles sein. Neben Stephan
Weil in Niedersachsen und Malu Dreyer in
Rheinland-Pfalz zählte sie zu den Landes-
chefs, denen es sofort zugetraut wurde, die
Partei zu führen. Trotzdem ist sie in dieser
Riege die Unvollkommene. Sie hat keine
Wahl gewonnen. Sie kam ins Amt, eben
weil ihr Vorgänger erkrankte. Sie ist noch
nicht fertig in Mecklenburg-Vorpommern.
Und sie treibt die Sorge an, nur eine eta-
blierte Amtsinhaberin könne einer beson-
ders im Osten erstarkenden AfD etwas ent-
gegensetzen.
Ihre Absage kam mit dem Moment, in
dem sie, Thorsten Schäfer-Gümbel und
Malu Dreyer sich bereit erklärt hatten, die
Partei kommissarisch zu führen, aber defi-
nitiv nicht länger. Als dann lange Zeit auch
sonst niemand aus der Spitze für den Vor-
sitz kandidieren mochte, stieg der Druck.
Schwesig hätte sich ihren Teampartner
aussuchen können. Für die Doppelspitze,
die sich die Partei wünscht, fehlte es an pro-
filierten SPD-Frauen, wie sie eine ist.

Ihr Rückzug von den bundespolitischen
Aufgaben bringt die SPD nun in die Bre-
douille. Bislang hat die Arbeitsteilung zwi-
schen den drei kommissarischen Chefs
funktioniert: Thorsten Schäfer-Gümbel
übernahm von der Parteizentrale in Berlin
aus einen Großteil des Managements. Ma-
lu Dreyer und Manuela Schwesig, die ihre
Länderregierungen nicht vernachlässigen
wollten, arbeiteten ihm nach Kräften zu.

In Mainz treten am Dienstag Dreyer und
Schäfer-Gümbel vor die Presse. Beide sind
betroffen, und sie sollen erklären, wie es
an der Spitze der SPD weitergeht. „Sie ist ei-
ne starke Frau“, sagt Malu Dreyer, ihre Kol-
legin werde die schweren Monate schaf-
fen. Thorsten Schäfer-Gümbel sagt, die
Partei kommissarisch zu führen, diese Auf-
gabe würden sie jetzt zu zweit „für sich an-
nehmen“. Es ist nur so, dass auch Schäfer-
Gümbel nicht mehr lange als Parteichef
zur Verfügung steht. In Kürze wechselt er
als Arbeitsdirektor zur Gesellschaft für In-
ternationale Zusammenarbeit, GIZ. „Es
bleibt beim 1. Oktober“, sagt er. Danach
werde Malu Dreyer alleine die SPD kom-
missarisch bis zum Parteitag im Dezember
führen. Dreyer leidet an Multipler Sklero-
se, was sie in ihrer Mobilität gelegentlich

einschränkt. Sie hatte auf Unterstützung
bestanden, sie wollte die SPD nicht alleine
durch den Übergang steuern. Aber so
kommt es jetzt, für die letzten Wochen.
Manuela Schwesigs Aufstieg in der Par-
tei war rasant. SPD-Mitglied wurde die Fi-
nanzwirtin erst 2003, zwei Jahre später
rückte sie in den Landesvorstand auf. Sie
machte Kommunalpolitik, 2008 wurde sie
Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpom-
mern. Ein Jahr später holte SPD-Kanzler-
kandidat Frank-Walter Steinmeier sie
schon als Familienpolitikerin in sein Schat-
tenkabinett. Bis sie dann wirklich Bundes-
ministerin wurde, dauerte es zwar noch bis


  1. Aber die SPD hatte da längst eine Poli-
    tikerin, mit der sie für die Zukunft plante.
    Genesungswünsche kommen aus allen
    Parteien, auch Bundeskanzlerin Angela
    Merkel rief Manuela Schwesig an. Mit Ter-
    minen wird sie vorläufig in ihrer weitläufi-
    gen Region kürzer treten, bisher ist sie viel
    unterwegs und bat immer wieder zu Bür-
    gerversammlungen in der Provinz. Noch
    am Dienstag, nach ihrer Erklärung, fuhr
    sie mit der SPD-Landtagsfraktion nach
    Torgelow in Vorpommern, 240 Kilometer
    über die A20. Sie erinnert an andere Frau-
    en, die ihren Umgang mit dem Brustkrebs
    mit dem Beruf verbinden. Sie wolle jetzt al-
    le Kraft auf Mecklenburg-Vorpommern, ih-
    re Gesundheit und ihre Familie konzentrie-
    ren. „Ich habe schon einige Kämpfe in mei-
    nem Leben geführt, und ich werde auch die-
    sen Kampf führen.“


Es gibt noch viel zu tun


Manuela Schwesigs Aufstieg in der SPD war rasant. Sie gehört schon lange zur Führungsreserve der Partei.
Doch jetzt setzt sie zunächst einmal andere Prioritäten. Nicht nur gesundheitlich, sondern auch politisch

Im Jahr 2002 musste sich die damalige
schleswig-holsteinische Ministerpräsiden-
tin Heide Simonis wegen Brustkrebs ope-
rieren lassen. Für den Eingriff ging sie an ei-
nem Samstag ins Krankenhaus, damit es
möglichst niemand merkt. Zwei Tage spä-
ter versteckte sie die Tropfflasche unter ei-
ner weiten Stola, verließ das Krankenhaus
und verlieh einem ihrer Vorgänger, dem ei-
nige Monate zuvor verstorbenen CDU-Poli-
tiker Gerhard Stoltenberg, posthum die Eh-
renbürgerwürde des Landes. Erst 2006 er-
zählte Simonis öffentlich von ihrer über-
standenen Krankheit.

17 Jahre später hat Manuela Schwesig
am Dienstag in Schwerin die Öffentlichkeit
darüber informiert, dass sie an Brustkrebs
erkrankt ist. Die Ministerpräsidentin ließ
zunächst eine Erklärung verbreiten und
trat dann selbst vor die Medien. Sie erinner-
te an andere Frauen, die jedes Jahr diese
Diagnose gestellt bekämen, von denen vie-
le zeigten, dass ein couragierter Umgang
mit der Krankheit, eine Therapie und Be-
rufstätigkeit vereinbar seien.
Der Unterschied zu Simonis hätte grö-
ßer nicht sein können: Die Genossin aus

Kiel wollte einst das Private und das Politi-
sche unbedingt trennen. „Ich habe nicht ei-
nen Tag gefehlt“, sagte Simonis später ein-
mal derWelt am Sonntag. Schwesig hat
nun den Interimsvorsitz der SPD niederge-
legt und freimütig angekündigt, wegen
der Behandlung einige öffentliche Termi-
ne nicht wahrzunehmen. Durch die Solida-
risierung mit anderen Frauen sowie ihre
Ansage, den Kampf gegen die Krankheit
aufzunehmen, geriet bei Schwesig das Pri-
vate fast selbst zu einer politischen Aktion.
Der öffentliche Umgang von Politikern
mit körperlicher Einschränkung, Krank-
heit oder Behinderung hat sich über die
Jahrzehnte entspannt. Gerade in Spitzen-
positionen vermied man es lange, Erkran-
kungen öffentlich zuzugeben. War die Ge-
sundheit angeschlagen, galt das auch für
die eigene Autorität, so die Befürchtung.
Willy Brandt wurde im November 1978,
vier Jahre nach dem Ende seiner Kanzler-
schaft, ins Krankenhaus gebracht. Man
ließ verbreiten, der SPD-Chef habe eine
fiebrige Erkältung, Spekulationen über ei-
nen Herzinfarkt wies ein Sprecher als
„schamlose Sensationsmache“ zurück.
Brandt blieb schließlich fünf Wochen in
der Klinik, Diagnose: Herzinfarkt.
Der langjährige Außenminister Hans-
Dietrich Genscher von der FDP hat nicht
nur viele Kollegen in Hauptstädten rund
um die Welt getroffen, sondern auch die Be-

kanntschaft zahlreicher Krankheiten ge-
macht. Schon als junger Mann erwischte
ihn eine Tuberkulose, später litt er wieder-
holt an Grippe, erlitt eine Nierenkolik,
Schwächeanfälle, Herz-Rhythmus-Störun-
gen. Im März 1989 verschleppte Genscher
über Tage und Wochen eine Infektion. Sei-

nem Internisten soll er auf dessen Rat, der
Minister möge doch im Krankenhaus blei-
ben, geantwortet haben, er sei kein Spar-
kassen-Vorstand, der sich ohne öffentli-
ches Aufhebens einfach ins Bett legen kön-
ne. Vier Monate später erledigte das ein
Herzinfarkt für ihn.

Im Selbstverständnis und im Terminka-
lender von Spitzenpolitikern war kein
Platz für Krankheiten. Und wenn sie doch
kamen, dann gerne zu ungünstigen Zeit-
punkten. Helmut Kohl litt an einer Prosta-
ta-Geschwulst, als er 1989 auf dem Bremer
CDU-Parteitag einen Putschversuch partei-
interner Widersacher um Lothar Späth
und Rita Süssmuth abwehren musste. Er
hielt durch – und wurde anschließend
heimlich ins Krankenhaus gebracht.

Mit Wolfgang Schäuble wurde vieles an-
ders. Von einem Attentäter schwer ver-
letzt, hatte der CDU-Politiker frühzeitig
von sich aus die Frage aufgeworfen: „Kann
ein Krüppel Kanzler sein?“ Während der
Euro-Krise 2010 musste er ins Kranken-
haus und exerzierte hintereinander den al-
ten und den neuen Umgang mit Krankheit
in der Öffentlichkeit. Erst entließ er sich
selbst zu früh, um Handlungsfähigkeit zu
demonstrieren. Wieder im Krankenhaus
gelandet, nahm er sich auf Anraten seiner
Frau und der Kanzlerin die nötige Zeit zur
Genesung – und blieb trotzdem Minister.
Die Angst vor dem Verlust von Posten,
Amt und Macht war stets ein Antrieb,

Krankheit zu verheimlichen. Der damalige
Verteidigungsminister Peter Struck erlitt
2004 einen leichten Schlaganfall, ließ aber
verlautbaren, es handele sich nur um Kreis-
laufprobleme. Selbst gegenüber Gerhard
Schröder versuchte Struck zunächst, die
Wahrheit zu verschleiern – bis sein Kanz-
ler im Krankenzimmer an seinem Bett er-
schien. Auch Heide Simonis gestand später
ein, sie habe gefürchtet, die eigenen Partei-
freunde könnten sie in der Zeit ihrer krank-
heitsbedingten Abwesenheit abservieren.
Bis heute sind manche Politiker nicht
frei von dieser Furcht, aber sie sehen in
Transparenz und Ehrlichkeit mittlerweile
das bessere Mittel, sich zu schützen – und
glaubwürdig zu bleiben. Der SPD-Vorsit-
zende Matthias Platzeck trat 2006 nach we-
nigen Monaten zurück, berichtete offen
über einen Hörsturz und blieb noch sieben
Jahre Ministerpräsident in Brandenburg.
Wolfgang Schäuble bat 2010 sogar einen
Reporter zum Gespräch ans Krankenbett.
Im Zeitalter der neuen Medien können
Politiker die Verbreitung der Information
auch leichter steuern. Der thüringische
CDU-Chef Mike Mohring informierte die
Öffentlichkeit Anfang 2019 in einem Video
auf Facebook persönlich über seine Krebs-
Erkrankung. Für seine Genesungswün-
sche an Manuela Schwesig nutzte Mohring
am Dienstag den Kurznachrichtendienst
Twitter. nico fried

Auch in Schwerin legte Schwesig
Wert darauf, als Bundespolitikerin
wahrgenommen zu werden

(^2) THEMA DES TAGES Mittwoch, 11. September 2019, Nr. 210 DEFGH
„Die gute Nachricht ist, dieser Krebs ist heilbar“: Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig nach einer kurzen persönlichen Erklärung am Dienstag in Schwerin. FOTO: JENS BÜTTNER / DPA
Wenn Krebspatienten eines
nicht brauchen können,
dann sind das gute Ratschläge
Früher galt: War die Gesundheit
angeschlagen, war
das auch die eigene Autorität
Im Zeitalter der neuen Medien
können Politiker die
Informationen leichter steuern

„Ich habe nicht einen Tag gefehlt“: Als schleswig-holsteinische Ministerpräsiden-
tin verheimlichte Heide Simonis 2002 eine Krebsoperation. FOTO: IMAGO STOCK & PEOPLE
Neues vom Krankenbett
Der öffentliche Umgang von Politikern mit körperlichen Leiden oder Behinderungen hat sich über die Jahrzehnte hinweg entspannt. Nur eine Angst ist gleich geblieben
Die Partei muss von Oktober
an Malu Dreyer
erst einmal alleine führen

Manuela Schwesigs KrebsleidenIhr Auftritt war gefasst, doch zugleich emotional: In einer kurzen Erklärung unterrichtete die
Ministerpräsidentin die Öffentlichkeit von ihrer Krankheit. Sie räumt ihren Posten als kommissarische SPD-Vorsitzende, will aber ihre Ämter
in Mecklenburg-Vorpommern weiter ausüben – eine Entscheidung, die signalisieren soll, dass Therapie und Berufstätigkeit vereinbar sind
Von der Diagnose
zur Prognose

Die Heilungschancen bei
Brustkrebs steigen seit Jahren
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München

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