Neue Zürcher Zeitung - 20.09.2019

(Ron) #1

52 SPORT Freitag, 20. September 2019


Arno Ehret war als Handballer und Trainer ein Grosser –


weshalb trainiert er nun GCAmicitia? SEITE 50


Der Laver-Cup und der Hausherr Roger Federer


stürzen Genfin den Ausnahmezustand SEITE 51


«Ich habe bezahlt»


Captain Veroljub Salatic erklärt die komplizierte Beziehung zu GC und wie er über die Zweitklassigkeit denkt


Veroljub Salatic, wie ist es, in der Chal-
lenge League Fussball zu spielen?
Es ist gar nicht so schlimm.Ich werde im
November34 Jahrealt und habe in mei-
ner Karriere 530 Ernstkämpfe bestrit-
ten. Früher waren manche Spiele viel-
leicht intensiver. Aber ich habe weiter-
hin Freude amFussball, egal ob in der
Super League oder in der Challenge
League. Es ist immer nochFussball.


Im Juni sagten Sie noch, Sie hätten noch
gar nicht realisiert, dassGC in der Chal-
leng eLeaguespielenmüsse.Haben Sie
eine ArtKulturschock erlebt?
Die Infrastruktur in der Schweiz ist
gut, wir spielen ja nicht auf einemBau-
ernhof. In meiner Zeit in Zypern vor
acht Jahren habe ich das anders erlebt.
Da kam ich an abgelegene Orte ohne
Warmwasser in derDusche. So etwas
gibt es hier nicht.


Sie stehen in Ihrem16. Jahr bei GC.Was
ist aus dem Klub geworden?
JederVerein erlebt in seiner Geschichte
gute und schlechte Phasen.Das gehört
zum Leben. GC ist in einer Phase, in
der es demVerein nicht mehr so gut
geht. Die finanziellen Möglichkeiten
waren schon einmal besser als heute.
Das ist Fakt. Und das merken die Spie-
ler natürlich auch.


Inwiefern merken sie es?
Sie mussten Lohneinbussen in Kauf
nehmen, die Spiel- und Punkteprämien
sind anders geregelt.Wenn wir wie zu-
letzt im Cup als Zweitligist gegen einen
Erstligisten wie Servette spielen und ge-
winnen, gibt eskeine Prämien.Da spürt
man, dass es nicht mehr das alte GC ist.


Sie selber merken es finanziell auch?
Natürlich.Wir sind alle imgleichen Boot.
Auch ich musste finanzielle Einbussen
in Kauf nehmen, um zu GC zurückzu-
kehren. Anders wäre es nicht gegan-


gen.Aber auf dem Platz ändert das alles
nichts. Die Qualität desFussballs ist halt
einfach etwas höher oder etwas tiefer.


Wie ist sie bei den Grasshoppers?
Der Trainer-Staff bei GC ermöglicht es
uns, dass wir auf Super-League-Niveau
arbeitenkönnen.Von daher hat sich für
mich gar nicht so viel verändert.


Vor Ihrer Rückkehr im Sommersagten
Sie, in der Schweiz sei für Sie nur GC
infrage gekommen.Das ist erstaunlich.
Weshalb ist das erstaunlich?


Aufgrund IhrerVorgeschichte, als Sie
2015 im Streit zum FC Sion gingen...
...das sehe ich anders. Ich weiss, was da-
mals passiert ist. Ich bin bei GC gross
geworden, das ist meinVerein. Undin
jederFamilie gibt es Hochs undTiefs.


Es war ein sehr heftigesTief damals.
Es war eine schwierige Phase, als wir
uns getrennt haben. Aber ich bin älter
und erfahrener geworden.Man muss für
jede Schule Schulgeld bezahlen. Und ich
habe bezahlt.


War es teuer? Ihr Image litt damals.
Es warrecht teuer.Aber ich habe mich
damals stets im Sinn desTeams verhal-


ten. Und wir waren erfolgreich.Wir ge-
wannen 2013 den Cup und wurdenVize-
meister. Es warmit Abstand die beste
Zeit von GC seit dem letzten Meister-
titel 2003.Keiner wollte, dass es so her-
auskommt, dass der Streit so eskaliert.Es
ist eine Wunde, die verheilt ist, die man
aber immer nocheincr emen muss.

Gab es nach Ihrer Zeit in Russland
neben GC andere konkrete Angebote?
Für mich und meineFamilie hat das Ge-
samtpaket GC einfach gestimmt. Des-
halb habe ich mirkeine anderen Gedan-
ken gemacht. Und ich wollte nach dem
Abstieg unbedingt helfen und demVer-
ein etwas zurückgeben.

Gab esReaktionen, als Ihre Rückkehr
bekanntwurde?
Klar, gab esReaktionen, ziemlich viele
sogar.Alle waren positiv. Ich habe nur
beimAuswärtsspiel inVaduz vor ein
paarWochen einmal einenFan gehört,
der mit meinerVerpflichtung nichtein-
verstanden war und geschimpft hat.

DemTrainer UliForte nehmen dieFans
seinen Abgang vor sechs Jahren bis
heute übel.
Man muss aufpassen, was man mitein-
ander vergleicht:Nichts gegen UliForte.
Aber er war damals einJahr bei GC. Ich
bin hier gross geworden,ich habe noch
den Hardturm erlebt. Mir tut’s weh,
wenn ich am Hardturmareal vorbei-
fahre und meinem Sohn erklären muss,
was mit diesem Stadion geschehen ist.
Man darf meine Zeit bei GC nicht auf
den Konflikt 2015 reduzieren.Man muss
das Ganze sehen, die zahlreichenJahre,
die ich hier erlebt habe.

Als Sie die Grasshoppers 2015 verlies-
sen, sagten Sie unter anderem,der Ver-
ein seinicht mehr so erfolgsorientiert.Er
sei nur noch darauf bedacht, sic hfinan-
ziell zu stabilisieren.Das ist heute sogar
mehr als damals derFall.Trotzdem sind
Sie zurückgekehrt.
Damals hat mich das gestört, ja. Aber
man muss unterscheiden: DerVerein
spielt jetzt in der Challenge League,
und die Einnahmen sind entsprechend
kleiner.Also muss man aufs Bremspedal
treten.Damit habe ich garkein Problem.
Ich möchte gern meinen Beitrag leisten,
auch wenn das Budget viel kleiner ist als
früher.

Ist es als 33-Jähriger einfacher zu sagen,
das oberste Ziel sei nicht mehr,Titel zu
gewinnen?
Nein, im Gegenteil. Ich will immer noch
Titel gewinnen. In diesemJahr können
wir nicht Meister werden.Aber der Cup-
Sieg ist möglich. Und einAufstieg wäre
auch eine ArtTitel. In Zukunft soll man
mit den Grasshoppers wiederPokale
holenkönnen. MeineAufgabe ist es, die
Jungen in den nächsten drei, vierJah-
ren dorthin zu führen, wo ich in ihrem
Alter war.

Ihr Vertrag läuft bis 2021. Ist Ihre Kar-
riere dann vorbei?
Das könnte sein. Aber es muss nicht
sein. Stand heute sage ich, ich würde
gern noch länger spielen.

Haben Sie einen Anschlussvertrag bei
den Grasshoppers für die Zeit nach der
Spielerkarriere?
Wenn ich imFussball bleibe, ist es
logisch, dass diesbei den Grasshoppers

sein wird.Ich bin dabei,eineTraineraus-
bildung zu machen. Ob ein Anschluss-
vertrag jetzt schon steht oder nicht, ist
sekundär.

Es gibtalso noch keinen?
Er ist noch nicht unterschrieben.

Wie machen sich die Grasshoppers bis
jetzt in der Challenge League?
Es gibt einen Aufwärtstrend. Die
Mannschaft war am Anfang der Saison
nicht eingespielt, das hat man gesehen.
Die Disziplin ist inzwischenviel besser
geworden.

Und wie macht sich der Captain Salatic
in dieser Saison bisher?
SeineFormkurve zeigt auch nach oben.
Ic h habe in diesemJahr in Russland bei
Ufa nichtviel gespielt. Ich war während
zehnJahren oder mehr immer Stamm-
spieler. Ersatzspieler zu sein, war eine
neue Erfahrung für mich.Aber als es
mich brauchte,war ich immer für Ufa
da.

Nehmen die jungen Spieler bei GC an,
was Sie ihnen sagen?
Ja. Sonst hat man eine sehr harte Zeit.
Das haben sie sehrschnell ve rstanden.

Ist Ihr persönliches Ziel eigentlich der
sofortigeWiederaufstieg?
DieZiele sind vomVerein kommuni-
ziert worden.

GC sagt, in den nächstenJahren solle
der Aufstieg gelingen.Nichtzwingend
schon in dieser Saison. Sind Sie als Cap-
tain ambitionierter als der Klub?
Für mich ist das Ziel,erfo lgreich zu spie-
len. Und wenn man erfolgreich spielt,
dann steigt man automatisch auf.

Was für einen Stellenwert denken Sie
haben Sie im Schweizer Fussball? Sie
haben kein Länderspiel, sind aber doch
eine besondere Figur geworden.
MeinVorteil ist,dass es nicht mehr viele
Spieler wie michgibt.Ich habe sehr lange
in der Schweiz gespielt. Oft gehen die
Jungen heute früh insAusland.Und jeder
Verein braucht Leader. Ein solcher war
bei GC früher Ricardo Cabanas.Viel-
leicht auch noch Boris Smiljanic, obwohl
er auch lange beim FCBasel spielte. Und
dann kam ich. Ich war immer einTeam-
player, einmal hatte ich einen höheren,
einmal einen tieferen Stellenwert.

Sind Sie eigentlich zufrieden mit Ihrer
Karriere?
Ja.Wenn man mir als15-Jährigem eine
solche Karriere angeboten hätte, hätte
ich blind unterschrieben.Aus meinem
Jahrgang haben es von den Grasshop-
pers nurReto Ziegler und ich richtig in
den Profifussball geschafft.
Interview: Flurin Clalüna

«Man muss aufpassen,
was man vergleicht: Uli
Forte war ein Jahr bei
GC. Ich bin hier gross
geworden.»

«Es ist eineWunde, die verheilt ist, die man aber immer noch eincremen muss»:Vero-
ljub Salatic über seinen Streit mit GC. ENNIO LEANZA / KEYSTONE

Die zweite Rückkehr


fcl.·Der heute 33-jährigeVeroljub
Salatic stösst im Alter von15 Jahren
von Zug zu den Grasshoppers. Er wird
Schweizer U-Nationalspieler, bekommt
aber nieein Aufgebot für dasA-Team
und hofft später vergeblich aufLänder-
spiele mit Bosnien-Herzegowina.Auf
die Saison 2011/12 wechselt er zu Omo-
nia Nikosia, wird dort Cup-Sieger und
kehrt wieder zu GC zurück. Mit dem
Trainer UliForte werden die Grasshop-
pers 2013 Cup-Sieger. Im August 20 14
wird Salatic suspendiert. Man wirft ihm
vor, gegen denTrainer Michael Skibbe
intrigiert zu haben. Salatic wehrt sich
per Gerichtsentscheid und erzwingt
das Recht, wieder mitzutrainieren. Im
Februar 2015 wechselt er zum FC Sion.
Von 20 17 bis 2019 spielt Salatic inRuss-
land beim FK Ufa.

Basel holt sich


Schwung


5:0-Sieg in der Europa League
gege n den FK Krasnodar

ANDREASBABST, BASEL

Als dieBasler nach dem Match über den
Platz trotteten und sich beklatschen lies-
sen, da warkeine ausuferndeFreude zu
sehen, die Spieler machten ernste Ge-
sichter, scheinbar bereit für die nächste
Aufgabe. Der FCBasel gewann am
Donnerstag sein erstes Europa-League-
Spiel gegen den FK Krasnodar gleich
5:0.Er hat Schwung geholt fürsWochen-
ende, wie einer dieser mechanischenRo-
deobullen ist er in den letzten Spielen
immer schneller und unberechenbarer
geworden. Am Sonntag versuchen die
Young Boys auf ihm zureiten: Spitzen-
kampf der Super League.

Teilweisesehrgut


Nur14 127 Zuschauer kamen in den
St.-Jakob-Park. Es ist halt nicht Cham-
pions League, und dann der Gegner:
ein Spitzenteam der russischen Liga,
aber was heisst das schon. Jene, die
zu Hause geblieben waren, verpass-
ten ein gutes Spiel,ein manchmal so-
gar sehr gutes. Die anderen sahen einen
FC Basel, der gegen schwacheRussen
von Anfang an dominant auftrat. Er tat,
was der Trainer MarcelKoller verlangt
hatte:Er bestimmte diesen Match.Es ist
eben Europa League, nicht Champions
League, hier muss der FCB nicht auf
einen Lucky Punch hoffen, hier sind die
mittelgrossen Klubs unter sich.
Kevin Bua traf schon in der 9. Mi-
nute, er profitierte vomFehlpass eines
russischenVerteidigers, lief allein aufs
Tor zu und verwertete souverän. In der


  1. Minutewar es wieder Bua: Diesmal
    spielteValentin Stocker denBall wun-
    derbar in die Schnittstelle zwischen den
    Verteidigern zu Bua – 2:0. Dem FCB
    gelang es, immerdannTore zuerzielen,
    wenn ihm das Spiel zu entgleiten drohte.
    Immer dann, wenn dieRussen kurz er-
    starkten, liess der FCB einTor folgen.
    Luca Zuffi traf in der 52. Minute zum
    3:0. Momente zuvor hatte der Goalie
    Jonas Omlin eine tolleParade gezeigt.
    Das 4:0 war dann ein Eigentor des
    Krasnodar-VerteidigersTonny Vilhena.
    Der Basler StürmerArthur Cabral hatte
    es provoziert, der junge Brasilianer,
    der dieBasler Stürmernot lindern soll,
    nachdem sich auchKemal Ademi ver-
    letzt hat. Cabral tat das in seinen ersten
    90 Minuten für den FCB ordentlich. Er
    ist ein ähnlicher Spielertyp wieAdemi,
    wuchtig,einer,der Bälle abschirmen
    und halten kann. Und weil Stürmer der-
    zeit ein sorare s Gut sind inBasel,wech-
    selte ihnKoller nach einer Stunde aus.
    Die Basler spielten fortan ohne echte
    Spitze – aber das Spiel war gelaufen,
    und am Sonntag wartet YB. Noah Oka-
    for traf zehn Minuten vor Schluss trotz-
    dem noch zum5:0.


KollersErnsthaftigkeit


«Bei uns hat heute alles gepasst, wir
haben dieTore gemacht,das war wichtig
fürs Selbstvertrauen», sagteKoller nach
dem Spiel.Auch er zeigte wenigFreude,
viel Ernsthaftigkeit.Jetzt habeerst ein-
mal wieder die Schweizer Meisterschaft
Priorität, sagte er. Und:«Wir brauchen
aucheine solche Leistung,uminBern
bestehen zukönnen.»

EuropaLeague,1. Runde
Die Spiele in den Schweizer Gruppen
Gruppe B
FC Kopenhagen - Lugano 1:0 (0:0)
Dynamo Kiew - Malmö 1:0 (0:0)
Gruppe C
Basel - FK Krasnodar 5:0 (2:0)
Getafe -Trabzonspor 1:0 (1:0)
Gruppe G
FC Porto -Young Boys nach Redaktionsschluss
Glasgow Rangers - Feyenoord Rotterdam n. Red.schluss
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