Die Welt Kompakt - 18.09.2019

(vip2019) #1

14 WIRTSCHAFT DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,18.SEPTEMBER


A

ls wir Kim Hyun-suk
in Berlin treffen, hat
er eine Dolmetsche-
rin an seiner Seite.
Doch sie kommt während unse-
res einstündigen Gesprächs
nicht ein Mal zum Zuge. Kim
spricht fließend Englisch. Er ist
einer von drei CEOs, die bei
Samsung Electronics das welt-
weite Geschäft leiten, unter an-
derem verantwortlich für Fern-
seher und Haushaltsgeräte. Zu-
gleich ist Kim Chef von mehr
als 10.000 Forschern und Ent-
wicklern. Trotzdem stellt er im
Interview immer wieder Rück-
fragen, wie wir TV-Geräte und
das vernetzte Zuhause nutzen.


VON BENEDIKT FUEST
UND THOMAS HEUZEROTH

WELT:Herr Kim, Ihr größter
Fernseher hat eine Diagonale
von 7,50 Metern. Wie groß
wollen Sie TV-Geräte noch
machen?
KIM HYUN-SUK:Es gibt keine
Grenzen. Das Ziel ist es, die ge-
samte Wohnzimmerwand zu ei-
nem Fernseher zu machen. Al-
lerdings brauchen wir hier ge-
wisse Stückzahlen, damit die
Preise nicht zu hoch werden.


Der Durchschnittspreis für
Fernsehersinkt. Es scheint,
als würden Sie es nicht schaf-
fen, dass Käufer für Innova-
tionen mehr zahlen.
Wir schaffen es, mit technolo-
gischen Innovationen die Gerä-
teproduktion günstiger zu ma-
chen. Auf diese Weise können
wir die Fernseher größer bau-
en, ohne dass sie teurer wer-
den. So funktioniert diese In-


dustrie. Der Verbraucher profi-
tiert davon.

Ihre neuesten Fernseher ha-
ben eine Auflösung von 8K, al-
so fast 8000 Bildpunkte in der
Breite. Dabei empfinden Zu-
schauer schon 4K als sehr
scharf. Übertreibt die Indus-
trie hier nicht?
Wenn Sie sich ein Video in 8K
ansehen, dann sieht es viel rea-
listischer aus als bisher. Sie be-
kommen sogar den Eindruck,
dass Sie ein dreidimensionales
Bild sehen. Es geht also gar
nicht darum, wie sehr das Auge
einzelne Pixel wahrnimmt. Es
geht um den Gesamteindruck.

Wann kommen dann 12K oder
16K?
Wir arbeiten natürlich im La-
bor an höheren Auflösungen.
Aber es ist viel zu früh, darüber
zu sprechen.

Auf Ihren Fernsehern sind
viele Dienste bereits vorin-
stalliert oder zumindest ver-
fügbar – darunter Netflix,
Amazon Prime Video und nun
auch Apple TV. Warum gibt es
keinen Streamingdienst von
Samsung?
Diese Frage hat mich auch jah-
relang umgetrieben. Jedes Un-
ternehmen hat seine Stärken.
Samsung ist bekannt als Gerä-
tehersteller. Das ist das, was
unsere Ingenieure am besten
können. Wenn man in neue Ge-
schäfte gehen will, muss man
sehr viel Geld investieren.

Warum versuchen Sie das
nicht? Auf diese Weise könn-
ten Sie auch nach dem Gerä-

teverkauf noch an den Nut-
zern verdienen.
Das klingt verlockend, aber
Samsungs DNA liegt haupt-
sächlich im Gerät.

Sie haben für Ihre Fernseher
eine eigene Software-Platt-
form mit der Bezeichnung Ti-
zen entwickelt. Warum öffnen
Sie Tizen nicht für andere
Fernsehhersteller?
Tizen ist eine offene Plattform.
Der Quellcode ist offen und
kann von jedem verwendet wer-
den, ohne dass dafür bezahlt
werden muss. Ich kann leider
nicht in Details gehen, aber
mehrere Unternehmen prüfen,
ob sie künftig Tizen als Platt-
form einsetzen wollen.

Es gab in Ihrer Branche große
Fehlschläge. Das gilt für gebo-
gene Fernseher genauso wie
für 3-D-Fernseher. Warum
fällt es der Industrie so
schwer, auf die richtigen In-
novationen zu setzen?

Dass 3 D gescheitert ist, lag da-
ran, dass es dafür schlichtweg
zu wenig Inhalte gab.

Was halten Sie davon, ganz
andere Formen auszuprobie-
ren? Inzwischen gibt es den
ersten rollbaren Fernseher.
Generell sind rollbare Fernse-
her eine gute Idee. Aber diese
Technik ist kostspielig. Bei un-
serem „Frame“ist der Fernse-
her ein Bild, das beispielsweise
an der Wand hängt. Wenn er
aus ist, zeigt er ein Kunstwerk.
Dafür muss der Kunde nicht zu-
sätzlich für die Hardware be-
zahlen. Am Ende entscheidet
der Verbraucher, welche Lö-
sung für ihn besser ist.

Derzeit sieht es so aus, als ob
die OLED-Technik Ihren Kon-
kurrenten mehr Freiheiten
beim Ausprobieren neuer
Formfaktoren lässt.
In Sachen Flexibilität gibt es
noch viele andere Technolo-
gien, die gerade erst in den Kin-
derschuhen stecken, nicht nur
OLED. Selbst LED-Displays
werden flexibler. Die Frage ist,
wie viel Zahlungsbereitschaft
für solche Innovationen im
Markt ist.

Glauben Sie, dass wir in zehn
Jahren noch solche rechtecki-
gen Fernseher haben?
In zehn Jahren vielleicht nicht
mehr. Unsere Entwicklungsab-
teilungen forschen bereits an
neuen Technologien. Holografi-
sche Displays könnten in zehn
Jahren bereits verfügbar sein.
Allerdings sind Prognosen über
zehn Jahre sehr schwierig. Ich
weiß ja kaum, was in zwei oder

drei Jahren verfügbar ist.
Manchmal gibt es technische
Durchbrüche, danach verändert
sich alles sehr schnell.

Fast jeder Hersteller behaup-
tet, in seinen Geräten stecke
künstliche Intelligenz. Oft ist
dies nur Marketing. Was kann
künstliche Intelligenz für uns
wirklich tun?
Samsung nutzt künstliche In-
telligenz auf vielen Ebenen: Im
gezielten Marketing, im intelli-
genten Management der Zulie-
fererkette. Für Endkunden kön-
nen personalisierte Geräte ein
Schlüsselnutzen sein. Künstli-
che Intelligenz kann die richti-
ge Show auf dem Fernseher he-
raussuchen oder das richtige
Kochrezept auf dem intelligen-
ten Herd vorschlagen.

Wie viele Ingenieure arbeiten
an künstlicher Intelligenz bei
Samsung?
Das hängt von der Definition
ab. Eigentlich beschäftigt sich
jeder Software-Ingenieur da-
mit. Top-KI-Spezialisten haben
wir einige Hundert.

Benötigen wir ethische Re-
geln für künstliche Intelli-
genz?
Ja, etwa für Roboter. Samsungs
Regel für KI-Produkte ist, dass
sie Menschen helfen sollten,
anstatt sie zu ersetzen. Ein
Kochroboter etwa kann unan-
genehme oder schlicht nervige
Tätigkeiten in der Küche über-
nehmen. Aber den menschli-
chen Koch, die menschliche
Kreativität ersetzt er nicht.

Welche Roboterwerden wir
in naher Zukunft im Alltag er-
leben?
Welchen hätten Sie gerne?

Vielleicht einen, der meine
Wohnung aufräumt...
Genau. Es geht um unangeneh-
me Tätigkeiten, die den Men-
schen Zeit rauben. Putzen,
Aufräumen, manchmal auch
Kochen, manche Pflegetätig-
keiten.

Diese Aufgaben klingen ein-
fach, sind aber extrem kom-
plex.
Das stimmt, aber wir müssen
uns Schritt für Schritt daran
heranarbeiten. Auf der letzten
CES haben wir ein Exoskelett
gezeigt, das Menschen wieder
gehen lässt. Wer nicht laufen
kann, verliert nicht nur seine
Gesundheit, sondern auch sei-
ne Selbstständigkeit. Wir geben
alten oder kranken Menschen
ihre Mobilität zurück. Das ist
eine großartige Sache. Wir wer-
den immer älter. Vielleicht be-
nötige ich das bald selbst. Wei-
tere Beispiele sind Pflegesyste-
me, die im Notfall helfen kön-
nen, etwa wenn jemand fällt.

Arbeitet Samsung an Pflege-
robotern?
Wir arbeiten an allen mögli-
chen Robotern. Aber ankündi-
gen kann ich zu diesem Zeit-
punkt noch nichts.

AFP

/DAVID MCNEW

„Es gibt keine Grenzen“


Samsungs CEO Kim Hyun-suk will Wohnzimmerwände durch TV-Displays ersetzen.


Doch in Wahrheit arbeiten seine Forscher an der Zukunft der künstlichen Intelligenz


Drei CEOs leiten das welt-
weite+ Geschäft von
Samsung Electronics. Seit
2 017 istHyun-suk Kim
verantwortlich für die
Fernseher und Haushalts-
geräte von Samsung. Ihm
unterstehen aber auch
mehr als 10.000 Forscher
und Entwickler, die an
künfigen Technologien
arbeiten, darunter auch
an künstlicher Intelligenz.

Zur Person
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