Die Welt Kompakt - 18.09.2019

(vip2019) #1
Anhänger des radikaleren Flügels.
Entscheidend laut Innenministe-
rium sei das „konkrete Verhalten“
des Beamten.
Dass Polizisten und Soldaten
für rechte Positionen empfänglich
sind, hat sich schon einmal gezeigt


  • in der Hochzeit der Partei „Die
    Republikaner“, die ebenfalls auf
    die Themen Sicherheit, Ordnung
    und Sauberkeit setzte und in den
    1990er-Jahren sowohl im Landtag
    von Baden-Württemberg vertre-
    ten war als auch mit sieben Pro-
    zent der Wählerstimmen ins Euro-
    paparlament und ins Berliner Ab-
    geordnetenhaus einzog. Damals
    waren nach Angaben der Partei-
    führung viele Mitglieder Polizei-
    beamte und Bundeswehrsoldaten.
    Der Soziologe Jan Schedler
    weist jedoch auf die unterschiedli-
    che historische Situation hin: „Da-
    mals war die Bundeswehr als Insti-
    tution nicht so weit mit der Ver-
    gangenheitsbewältigung wie heu-
    te.“ Die gesellschaftlichen und po-
    litischen Umbrüche Ende der
    1980er-Jahre sowie die institutio-
    nelle Veränderung, die seinerzeit
    in der Bundeswehr in Gang ge-
    kommen waren, hätten damals für
    mehr Aufruhr in der Truppe ge-
    sorgt als heute.
    Groß war die Zahl derer, die sich
    etwa an neuen Formen der Ausei-
    nandersetzung mit den NS-Tradi-
    tionslinien in der Bundeswehr
    störten. „Die Republikaner“, so
    Schedler, „schwangen sich zu de-


ren Verteidigern auf.“ Ähnliches
versuche jetzt auch die AfD – etwa
mit Äußerungen wie der des Par-

versuche jetzt auch die AfD – etwa
mit Äußerungen wie der des Par-

versuche jetzt auch die AfD – etwa

teivorsitzenden Gauland, der Hit-
ler und die Nationalsozialisten als
„Vogelschiss“ in 1000 Jahren deut-
scher Geschichte bezeichnete. Die
Polizeigewerkschaften hatten vor
der Bundestagswahl 2017 noch be-
stritten, dass Polizisten mehr
Sympathien für die AfD hegen als
andere Berufsgruppen. Grund-
sätzlich gebe es keine besondere
Nähe von Polizisten und AfD, hieß
es damals. „Die Aussagen einiger
AfD-Politiker passen nicht zu un-
serer Sozialisation als Bürgerpoli-
zei“, sagte der GdP-Bundesvorsit-
zende Oliver Malchow damals. Ge-
nerell seien Polizisten weniger an-
fällig für Parolen von rechts oder
links, meinte Malchow.
Heute sagt er: „Die AfD macht
Politik gegen die Gewerkschaften
und damit auch gegen die GdP.“
Dennoch sei ihm bewusst, dass
Kolleginnen und Kollegen an Ge-
dankengut der AfD hängen bleiben
können. „Das respektieren wir,
halten es aber aus gewerkschafts-
politischer Sicht für falsch“, so der
Gewerkschaftler.
Der Blick auf die AfD-Parla-
mentsfraktionen zeigt, dass Ange-
hörige aus dem Beamten- und Sol-
datenapparat in der Partei durch-
aus Karrierechancen und Füh-
rungsposten haben. Was aber sagt
die Zusammensetzung der AfD-
Fraktionen über die Bundeswehr
und die Polizei aus?
Schon der Blick in die Biografien
der älteren AfD-Abgeordneten und
deren zum Teil jahrzehntelangen
CDU-Mitgliedschaften zeigt, dass
die AfD einerseits Polizeibeamte
und Soldaten anzieht, die Positio-
nen einer traditionellen Law-and-
Order-Politik nach dem Muster der
alten CDU vertreten – wie etwa der
als vergleichsweise gemäßigt gel-
tende AfD-Abgeordnete Georg
Pazderski im Abgeordnetenhaus
von Berlin. Er diente mehr als vier
Jahrzehnte in der Bundeswehr.
Andererseits zieht die Partei
aber auch Soldaten und Polizeian-
gehörige an, die für rechtsextreme
Positionen und Radikalisierung
stehen. So führt das Gutachten
des BfV als Beweis für die Gefähr-
lichkeit der AfD etwa gleich meh-
rere Äußerungen von Jan Nolte
und vom brandenburgischen AfD-
Politiker Andreas Kalbitz an, der
zwölf Jahre bei den Fallschirmjä-
gern diente.
Kalbitz leitete bis 2015 einen
von Neonazis, SS-Offizieren und
NPD-Funktionären gegründeten
Verein namens „Kultur und Zeit-
geschichte, Archiv der Zeit“. 2007
hatte Kalbitz ein Pfingstlager der
zwei Jahre später durch das Bun-
desinnenministerium verbotenen
„Heimattreuen Deutschen Ju-
gend“ (HDJ) besucht. Zudem be-
schäftigte er in der Vergangenheit
ein ehemaliges NPD-Mitglied.

TDer Text ist ein gekürzter und
aktualisierter Auszug aus dem
Sammelband „Extreme Sicher-
heit“, hrsg. von Heike Kleffner und
Matthias Meisner, der heute im
Herder-Verlag erscheint.

DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,18.SEPTEMBER2019 POLITIK 5


B


ei jedem 16. in Deutsch-
land geborenen Kind ist
der Vater unbekannt. Im
Jahr 2018 kamen in Deutschland
7 87.523 Babys zur Welt, darunter
„49.487, bei denen die Eltern
nicht miteinander verheiratet
sind und überhaupt keine Anga-
ben zum Vater vorhanden sind“,
wie das Statistische Bundesamt
WELT mitteilte. In der veröf-
fffentlichten Geburtenstatistikentlichten Geburtenstatistik
wird diese Größe nicht separat
angegeben, weswegen WELT für
die Jahre zuvor keine genauen
VVVergleichsangaben vorliegen.ergleichsangaben vorliegen.

VON MARCEL LEUBECHER

Mütter können selbst ent-
scheiden, ob sie den Namen des
VVVaters mitteilen. Wer allerdingsaters mitteilen. Wer allerdings
nachweislich nicht bei der Va-
terschaftsfeststellung mitwirkt,
hat kein Recht auf Unterhalts-
vorschuss vom Jugendamt. Von
diesen Sozialleistungen profitie-
ren inzwischen rund 780.
Kinder; 2,1 Milliarden Euro wur-
den dafür 2018 aufgewendet, wie
WELTim Februar berichtet hat-
te. Eigentlich versucht der Staat,
diese Vorschusszahlungen spä-
ter wieder einzutreiben, doch
den Großteil dieses Geldes se-
hen die Behörden nie wieder.
Denn sehr oft gelingt es den
Kommunen nicht, sich das Geld
bei den Unterhaltspflichtigen –
meist den Vätern – zurückzuho-
len. Im Jahr 2018 ist die Quote
laut Familienministerium auf 13
Prozent gesunken.
Neben den etwa 50.000 Babys
mit unbekanntem Vater war laut
Statistischem Bundesamt bei
weiteren 2337 der 2018 gebore-
nen Kinder die Nationalität des
VVVaters ungeklärt. 760 Babys hat-aters ungeklärt. 760 Babys hat-
ten einen staatenlosen Vater; da-
bei handelt es sich meist um Pa-
lästinenser aus dem Libanon. 72
Prozent der Väter (565.962) hat-
ten ausschließlich oder auch
eine deutsche Staatsangehörig-
keit. Unter den Vätern ohne
deutschen Pass waren Türken
(25.560) die größte Gruppe. Aus
dem übrigen Asien kamen
4 2.280 Väter; hier gab es seit 2013
eine Verdreifachung. Unter den
7 87.523 im vergangenen Jahr ge-
borenen Babys (rund 2600 mehr
als 2017) waren 682.636 Kinder
mit und 104.887 Kinder ohne
deutsche Staatsangehörigkeit.
2 014 wurden noch 52.444 Kinder
mit ausschließlich ausländischer
Staatsangehörigkeit geboren;
seitdem gab es vor allem wegen
der starken Asylzuwanderung
einen deutlichen Anstieg.
Unter den Kindern mit deut-
scher Staatsangehörigkeit hat-
ten im vergangenen Jahr 38.
ausländische Mütter, die mit
einem Deutschen verheiratet
waren, und 33.064 deutsche
Mütter, die mit einem Ausländer
verheiratet waren. 35.893 der

deutschen Kinder hatten zwei
Eltern ohne deutschen Pass.
Seit der großen Reform des
Staatsangehörigkeitsrechts im
Jahr 2000 erwirbt ein Kind von
zzzwei ausländischen Eltern diewei ausländischen Eltern die
deutsche Staatsangehörigkeit
bei Geburt, wenn ein Elternteil
seit acht Jahren legal in
Deutschland lebt und eine Nie-
derlassungserlaubnis hat.
Bis 2005 unterschied die Be-
völkerungsstatistik nur zwi-
schen „Deutschen“ und „Auslän-
dern“, also nach der juristischen
Kategorie der Staatsbürger-
schaft. Weil sich laut Statisti-
schem Bundesamt „der Integra-
tionsstand der Migranten, zu de-
nen neben Ausländern auch Aus-
siedler und Eingebürgerte zäh-
len, und ihrer Nachkommen so
nur noch unzureichend abbil-
den“ ließ, wurde „mit dem Mi-
krozensusgesetz 2005 auf diese
Defizite der amtlichen Statisti-
ken reagiert und das Konzept
der ,Bevölkerung mit Migrati-
onshintergrund‘ eingeführt“.
Hierzu zählen alle hier lebenden
Menschen, die selbst ohne deut-
schen Pass geboren wurden oder
die mindestens ein ohne deut-
sche Staatsangehörigkeit gebo-
renes Elternteil haben. In der
jüngsten Altersgruppe haben ak-
tuell 41 Prozent einen Migrati-
onshintergrund: nämlich 1,5 Mil-
lionen der insgesamt 3,68 Millio-
nen Kinder unter fünf Jahren.
Laut einer Studie des Bundes-
instituts für Bevölkerungsfor-
schung(BiB) bestehen bei der
Familiengröße starke Unter-
schiede zwischen verschiedenen
gesellschaftlichen Gruppen. Die
Forscher werteten in einer Stu-
die die Kinderzahl nach Migrati-
onshintergrund aus: Demnach
haben nur 14 Prozent der Frauen
in Deutschland ohne Migrati-

onshintergrund mindestens drei
Kinder und gelten damit nach
der Definition der BiB-Wissen-
schaftler als kinderreich. Bei
Frauen mit Migrationshinter-
grund ist der Anteil mit 28 Pro-
zent hingegen doppelt so hoch.
Dabei ist laut den Studienau-
toren „nicht der Migrationshin-
tergrund per se ausschlagge-

bend, sondern die Herkunft“:
VVVon den Frauen aus muslimischon den Frauen aus muslimisch
geprägten Ländern sind dem-
nach 44 Prozent kinderreich –
damit liegt ihr Anteil mehr als
doppelt so hoch wie die Quote
bei Frauen, die aus EU-Staaten
zugewandert sind.
Allerdings gebe es deutliche
Anpassungseffekte über die ver-
schiedenen Migrantengenera-
tionen, stellten die Forscher
fest: Während von den selbst
zugewanderten Frauen (soge-
nannte erste Generation) aus
muslimisch geprägten Staaten
46 Prozent kinderreich seien,
sinke diese Quote in der nach-
folgenden Generation der Töch-
ter von Migranten (zweite Ge-
neration) auf 32 Prozent.
„Allerdings ist auch dieser Wert
immer noch mehr als doppelt so
hoch wie der unter den Frauen
ohne Migrationshintergrund“,
schreiben die Bevölkerungsfor-
scher. Bei den nicht muslimi-
schen Migrantinnen sinkt die-
ser Wert von 19 Prozent in der
ersten Generation auf 16 in der
zweiten Generation.
Laut den BiB-Wissen-
schaftlern lag die Zahl der Ge-
burten in Deutschland seit 1975
fffast 40 Jahre lang im Durch-ast 40 Jahre lang im Durch-
schnitt bei unter 1,5 Kindern pro
Frau. „Kein anderes Land der
WWWelt hatte über einen so langenelt hatte über einen so langen
Zeitraum derart niedrige Gebur-
tenziffern“, heißt es in der Stu-
die. Trotz eines leichten An-
stiegs seit dem Jahr 2015 seien
die Geburtenraten in Deutsch-
land seit mehr als vier Jahrzehn-
ten sehr niedrig. Für die Stu-
dienautoren ist der starke Ge-
burtenrückgang nicht in erster
Linie auf Kinderlosigkeit zu-
rückzuführen, sondern vor
allem auf den Rückgang der Zahl
kinderreicher Familien.

„Überhaupt keine Angaben zum


Vater“ bei fast 50.000 Babys


In mehr als 2300
weiteren Fällen ist
die Nationalität des

Erzeugers ungeklärt,
zeigen Daten des
Statistischen
Bundesamts


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In Deutschland Geborene ohne deutsche Staatsangehörigkeit

Quelle: Destatis

Absolute Zahlen

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