Süddeutsche Zeitung - 18.09.2019

(Tina Sui) #1

New York– US-Präsident Donald
Trump will nach einem Bericht derNew
York Timesdem Bundesstaat Kaliforni-
en das Recht entziehen, weiterhin stren-
gere Regeln für den Schadstoffausstoß
von Autos als auf Bundesebene zu ver-
hängen. Eine entsprechende Ankündi-
gung sei für diesen Mittwoch geplant,
wenn Trump Los Angeles besuche, so
die Zeitung. Kalifornien darf seit 1970
eigene Öko-Standards aufstellen, weite-
re 13 Bundesstaaten ziehen meist mit.
Der Präsident will das Privileg bereits
seit längerem beseitigen – offiziell, um
der Autoindustrie das Leben leichter zu
machen. Die Firmen allerdings wollen
das Geschenk in dieser Form gar nicht.
Womöglich will Trump den Kaliforni-
ern auch schlicht eins auswischen, weil
sie ihn mehrheitlich ablehnen.hul


Berlin– Die Unternehmen in Deutschland
werden einer Umfrage zufolge familien-
freundlicher. Zu dem Ergebnis kommt das
Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im
Auftrag des Bundesfamilienministeriums.
Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitneh-
mer bewerteten die Familienfreundlich-
keit ihrer Firmen im Jahr 2018 positiver als
noch drei Jahre zuvor. Zwar sind mit rund
46 Prozent immer noch weniger als die
Hälfte der Personalchefs und nur 39 Pro-
zent der Beschäftigten der Meinung, ihre
Firma habe eine ausgeprägt familien-
freundliche Unternehmenskultur. Aber in
der Bewertung gab es einen Anstieg von
rund fünf beziehungsweise drei Prozent-
punkten im Vergleich zur Befragung 2015.
Mehr Firmen als noch vor drei Jahren
sagen von sich, sie böten Teilzeitmodelle,
Home-Office oder Sabbaticals an. Die Zahl
der Manager, die der Meinung sind, famili-
enfreundliche Maßnahmen seien für ihr
Unternehmen wichtig, ist ebenso gestie-
gen. Zudem sagen mehr Firmen, sie wür-
den männliche Mitarbeiter ausdrücklich
ermutigen, in Elternzeit zu gehen.
Die Befragung zeigt aber auch, wo es
noch hakt: Knapp 43 Prozent der Beschäf-
tigten würden die angebotenen familien-
freundlichen Maßnahmen in ihrer Firma
gern stärker nutzen, tun das aber nicht,
weil sie unter anderem Karrierenachteile
befürchten oder auch Missgunst bei den
Kollegen. Zudem gibt es große Unterschie-
de in der Wahrnehmung, wie familien-
freundlich die Unternehmen wirklich sind:
88 Prozent der Personalchefs sind der Mei-
nung, Beschäftigte mit und ohne Familie
haben in ihrer Firma gleiche Aufstiegs-
chancen, bei den Beschäftigten sehen das
nur 64 Prozent so. Ähnlich groß ist der
Unterschied bei der Frage, ob die Ver-
einbarkeit von Beruf und Familie eine
Selbstverständlichkeit im Unternehmen
sei. 86 Prozent der Manager sagen ja, aber
nur 62 Prozent der Mitarbeiter.
Familienministerin Franziska Giffey
(SPD) appellierte an die Wirtschaft, sich
noch mehr für Familienfreundlichkeit zu
engagieren. In Zeiten von Fachkräfteman-
gel sei das nicht „nice to have“, sondern ein
Wettbewerbsvorteil, sagte sie. IW-Chef
Michael Hüther sagte: „Unternehmen sind
sich der Bedeutung einer familienfreundli-
chen Personalpolitik für ihre Arbeitgeber-
attraktivität bewusst, mehr und mehr
auch mit Blick auf die Beschäftigten, die
noch keine familiär bedingten Betreuungs-
pflichten erfüllen müssen.“ dpa

Mannheim– Nach vier Rückgängen in
Folge haben sich die Konjunkturerwar-
tungen deutscher Finanzexperten im
September wieder aufgehellt. Der Indi-
kator des Zentrums für Europäische
Wirtschaftsforschung stieg um 21,
Punkte auf minus 22,5 Zähler. Der An-
stieg war deutlich stärker als erwartet.
„Die Zunahme bedeutet keine Entwar-
nung bezüglich der Entwicklung der
Wirtschaft im kommenden halben
Jahr“, sagte ZEW-Präsident Achim Wam-
bach. „Die Aussichten bleiben weiterhin
negativ.“ Allerdings hätten sich die
„recht starken Befürchtungen“ hinsicht-
lich einer weiteren Verschärfung des
Handelskonfliktes zwischen den USA
und China nicht bewahrheitet. Zudem
versuche die EZB, die konjunkturellen
Risiken zu reduzieren. dpa


Stockholm– Der schwedische Investor
Kinnevik hat eine größere Beteiligung
am Berliner Online-Versandhändler
Zalando verkauft. Der Großaktionär
platzierte ein Paket von 13,13 Millionen
Zalando-Aktien, wie Kinnevik mitteilte.
Der Platzierungspreis lag bei rund
42,50 Euro. Am Dienstag verlor das
Zalando-Papier am M-Dax-Ende zeit-
weise 9,5 Prozent, auch wenn das Pa-
pier auf Jahressicht immer noch im
Plus liegt. Kinnevik erlöste rund 558
Millionen Euro. Das Paket entspricht
5,2 Prozent des Aktienkapitals von Za-
lando. Kinnevik hat sich verpflichtet, in
den kommenden sechs Monaten keine
weiteren Aktien aus dem eigenen Be-
stand zu verkaufen. Die Schweden hal-
ten nun noch knapp 26Prozent an Za-
lando. dpa

Frankfurt– Der Brauereikonzern An-
heuser-Busch Inbev hat den weltweit
zweitgrößten Börsengang in diesem
Jahr auf den Weg gebracht. Die Aktien-
platzierung des Asiengeschäfts an der
Börse in Hongkong soll bis zu 6,6 Milli-
arden Dollar einbringen. Die Zeich-
nungsfrist für die Aktien beginnt am
Mittwoch. Die Titel werden in einer
Preisspanne von 3,45 bis 3,83 Dollar
angeboten. Das Unternehmen wird mit
bis zu 50,7 Milliarden Dollar bewertet.
Budweiser hatte die Börsenpläne vor
zwei Monaten gestoppt und dies mit
unsicheren Bedingungen an den Kapi-
talmärkten begründet. Ursprünglich
hatte der Hersteller von Biermarken wie
Beck’s, Budweiser oder Corona Einnah-
men von knapp zehn Milliarden Dollar
angestrebt. reuters

Tokio– Sony hat der Forderung eines
Finanzinvestors zur Aufspaltung des
Konzerns eine Absage erteilt. Die Chip-
Sparte zu behalten, sei langfristig die
beste Strategie, den Unternehmenswert
zu steigern, teilte der japanische Kon-
zern in einem Brief an die Aktionäre an
diesem Dienstag mit. Die Entscheidung
dazu sei einstimmig ausgefallen. Das
Chip-Geschäft, zu dem auch die bildge-
benden Sensoren gehören, sei ein wich-
tiger Wachstumstreiber, argumentierte
der Konzern. Der Hedgefonds Third
Point des Investors Daniel Loeb hatte
den japanischen Konzern aufgefordert,
seine Chip-Sparte abzuspalten. Zudem
sollte sich Sony von seiner Finanzsparte
und anderen Bereichen trennen und
sich als globaler Unterhaltungskonzern
aufstellen. reuters

Nürnberg– Softwarekonzern SAP
nimmt einer Umfrage zufolge seine
Kunden bei der Umstellung auf Soft-
ware via Internet aus der Cloud zu we-
nig an die Hand. Bei einer Umfrage der
Deutschsprachigen SAP-Anwendergrup-
pe (DSAG) habe nur ein Viertel der Be-
fragten sich gut über den Fahrplan zur
Digitalisierung informiert gefühlt, gab
die DSAG auf ihrem Jahreskongress in
Nürnberg bekannt. 45 Prozent hatten
nur teilweise Vertrauen in die Produkt-
strategie von SAP, und 30 Prozent stell-
ten die Lösungen des Softwareriesen
zur Digitalisierung gar grundlegend in
Frage. SAP müsse gebrauchsfertigere
Lösungen bieten und den Kunden nicht
noch eigene Entwicklungsarbeit dafür
aufbrummen, forderte DSAG-Chef
Marco Lenck. reuters

von kristiana ludwig und
henrike roßbach

Berlin– Arbeiten im Home-Office macht
zufrieden – und führt zugleich häufiger zu
psychischen Problemen. Das ist das Ergeb-
nis einer Umfrage des Wissenschaftlichen
Instituts der AOK. Dazu hatte es nach eige-
nen Angaben im Frühjahr 2000 Beschäftig-
te befragt, von denen rund 40 Prozent
regelmäßig von zu Hause oder von unter-
wegs aus arbeiteten. Zwar äußerten zwei
Drittel der Heimarbeiter, dass sie zu Hause
mehr schafften und konzentrierter seien.
Zugleich aber klagten sie deutlich öfter
über Erschöpfung, Wut, Nervosität und
Reizbarkeit als Büroarbeiter. Auch bei
Lustlosigkeit, Konzentrationsproblemen
und Schlafstörungen unterschieden sich
demnach beide Gruppen deutlich.
„Im Home-Office verschwimmen die
Grenzen zwischen Job und Privatleben
stärker. Damit wächst das Risiko, das Erho-
lungsphasen schrumpfen“, sagte Studien-
autor Helmut Schröder. So verlege jeder
Dritte im Home-Office häufig Arbeitszei-
ten auf den Abend oder das Wochenende.


Mehr als ein Drittel dieser Beschäftigten
habe Probleme, nach Feierabend abzu-
schalten. Arbeitnehmer, die jeden Tag in
die Firma kommen, seien allerdings
vergleichsweise öfter krank gemeldet.
Schröder erklärt sich diesen Befund mit
der höheren Flexibilität von Arbeitneh-
mern im Home-Office: „Unter Umständen
arbeiten die Menschen im Krankheitsfall
weniger und holen die verlorene Arbeits-
zeit nach“, erläuterte er.
Das Home-Office mit seinen Vor- und
Nachteilen treibt auch das Ressort von
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil
(SPD) um – als Arbeitsauftrag aus dem
Koalitionsvertrag. Dort nämlich heißt es:
„Wir wollen mobile Arbeit fördern und
erleichtern“, dazu werde ein rechtlicher
Rahmen geschaffen. Konkret ist allerdings
nur ein „Auskunftsanspruch“ gegenüber
dem Chef geplant. Heils Partei dagegen
schwebt noch mehr vor. Im Sozialstaats-
papier der SPD, das Anfang des Jahres
veröffentlicht wurde, ist von einem gesetz-
lich verankerten Recht auf mobiles Arbei-
ten und Home-Office die Rede.


Schon im Januar hatte das Ministerium
angekündigt, das Home-Office-Verspre-
chen aus dem Koalitionsvertrag noch
dieses Jahr in die Tat umzusetzen. Danach
allerdings wurde es still um das Vorhaben.
Am Dienstag hieß es nun aus Regierungs-
kreisen, dass an einem Gesetzentwurf „in-
tensiv gearbeitet“ werde. Ziel sei es, die
rechtliche Stellung des Arbeitnehmers mit
Blick auf dessen Home-Office-Wünsche zu
stärken. Diskutiert wird unter anderem ein


Antragsrecht für Arbeitnehmer. Sie sollen
das Arbeiten von zu Hause aus bei ihrem
Arbeitgeber beantragen dürfen, der wieder-
um würde zu seiner Begründung ver-
pflichtet, falls er diesen Antrag ablehnt.
„Wir wollen, dass Arbeitgeber sich mit dem
Thema auseinandersetzen“, sagte der zu-
ständige Staatssekretär Björn Böhning der
SZ. „Die Entwicklung zu flexibleren Mög-
lichkeiten des Arbeitens wie Home-Office
muss schneller gehen als sie bislang ist.“
Dem Vernehmen nach will sich das Mi-
nisterium an betrieblichen oder tariflichen
Vereinbarungen orientieren, die es heute
schon gibt und die technische Vorausset-
zungen für das Arbeiten von zu Hause aus
regeln, ein Maximum an Home-Office-Ta-
gen, die beantragt werden können, oder
Tätigkeiten, die per se im Betrieb stattfin-
den müssen. In der Tat kommt Heimarbeit
trotz Digitalisierung schlicht nicht für alle
Tätigkeiten infrage; das Deutsche Institut
für Wirtschaftsforschung schätzt, dass
40 Prozent aller Arbeitnehmer zumindest
hin und wieder von zu Hause aus arbeiten
könnten – der Rest eher nicht.
Das Thema flexibles Arbeiten wird mit
der geplanten Home-Office-Regelung
aber noch nicht abgehakt sein. Allein
schon wegen des jüngsten Urteils des Euro-
päischen Gerichtshofs zur Arbeitszeiterfas-
sung. Die Richter hatten nämlich entschie-
den, dass alle Arbeitgeber verpflichtet
sind, die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten
systematisch zu erfassen. Das Arbeitsmi-
nisterium teilte auf Anfrage mit, dass es
keine Frist für die Umsetzung der Entschei-
dung in nationales Recht gebe; erfahrungs-

gemäß werde den Mitgliedstaaten entspre-
chend Zeit eingeräumt. Minister Heil aber
wolle die Frage, welche gesetzgeberischen
Konsequenzen aus dem Urteil für Deutsch-
land erwachsen, bis zum Jahresende klä-
ren. Derzeit geht das Ministerium davon
aus, dass eine Änderung des Arbeitszeit-
gesetzes erforderlich sein wird.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin (BAUA) warnt schon
lange vor den gesundheitlichen Folgen
einer entgrenzten Arbeitszeit. In moder-
nen Arbeitsverhältnissen trete nicht selten
das Phänomen der „interessierten Selbst-
gefährdung“ auf: Für ihr berufliches
Fortkommen oder unter Leistungsdruck
sind Menschen bereit, Arbeitsschutzre-
geln bewusst zu ignorieren, ihre Pausen
und Urlaubstage nicht wahrzunehmen,
krank zur Arbeit zu gehen oder ihrem Chef
sogar die eigene Gesundheit vorzutäu-
schen. Selbstausbeutung wird so zur
gesundheitlichen Gefahr. „Solche Phäno-
mene sieht man unter anderem in der
Projektarbeit“, sagt Frank Brenscheidt
vom BAUA. Die Digitalisierung habe die
Möglichkeiten für eine Entgrenzung der
eigenen Arbeitszeit noch erhöht.
Brenscheidt sagt, dass Unternehmen
Strategien entwickeln müssten, um Mitar-
beiter vor solchen Tendenzen zu schützen.
So könne allein die klare Vereinbarung, bei
wirklich dringenden Anliegen nach Feier-
abend den Mitarbeiter auf dem Handy
anzurufen, verhindern, dass Beschäftigte
bis spätabends ihre Mails checken.
Auch Yvonne Lott, die für die gewerk-
schaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung zum

Home-Office geforscht hat, fordert „klare
Absprachen“, um Arbeitnehmer vor Er-
schöpfung zu schützen. Wichtig sei bei
solchen flexiblen Arbeitsmodellen, dass
Vertrauen zwischen dem Chef und seinen
Mitarbeitern herrsche – sonst fühlten sich
Arbeitnehmer gerade im Home-Office
schnell unter Druck gesetzt, besonders
viel zu leisten.
Denn für die Vereinbarkeit von Beruf
und Familie sei die Heimarbeit eigentlich

von Vorteil, sagt Lott. Doch zu der Flexibili-
tät des Arbeitsortes müsse auch eine
wesentlich größere Flexibilität der Kern-
arbeitszeiten gehören. Diese könnten
Beschäftige zu sehr einschränken. Ohne
festes Zeitkorsett würde es auch für
Menschen im Home-Office kein Problem
sein, am Nachmittag für zwei Stunden zum
Yoga zu gehen und nicht ans Handy, weil
sie sich dafür abends noch einmal an den
Computer setzen.

Trump sabotiert Öko-Normen


Ausblick weniger schlecht


Kinnevik verkauft


Börsengangbei AB Inbev


Sony gegen Aufspaltung


SAP-Kunden fordern Hilfe


Flexibel, aber müde


Das Home-Office macht zufriedener, hat jedoch auch seine Nachteile: Es führt häufiger zur psychischen
Problemen, ergab eine Umfrage. Die Regierung will das mobile Arbeiten gesetzlich regeln

Heimarbeit eignet sich nicht für


alle Berufe. Sie braucht Regeln


zum Schutz der Arbeitnehmer


DEFGH Nr. 216, Mittwoch, 18. September 2019 (^) WIRTSCHAFT HMG 19
Im Home-Office verschwimmen die Grenzen zwischen Job und Privatleben stärker. FOTO: ELOISA RAMOS / IMAGO
Björn Böhning ist Staatssekretär im Ar-
beitsministerium. Es will mobiles Arbei-
ten gesetzlich regeln. FOTO: DPA
Ein bisschen mehr
Familie
Unternehmen geben sich Mühe bei
Vereinbarkeit, urteilen Mitarbeiter
KURZ GEMELDET

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