von christof kneer
und benedikt warmbrunn
W
er die Champions League gewin-
nen will, der sollte sehr gute Fuß-
baller, einen sehr guten Trainer
und vielleicht auch ein sehr gutes Losglück
besitzen, aber eines hat die Historie dieses
Wettbewerbs auch immer wieder gezeigt:
Es schadet nicht, wenn eine Mannschaft
auch eine gute Geschichte im Gepäck hat.
Manche Mannschaften motiviert es zum
Beispiel, dass sieLa Décimagewinnen kön-
nen, den zehnten Landesmeistertitel in
der Klubgeschichte (was Real Madrid im
Mai 2014 gelang), andere Mannschaften
profitieren von einem erfolgsbesessenen
Trainer, der endlich beweisen will, dass er
eben doch Endspiele gewinnen kann – wie
Jürgen Klopp gerade mit dem FC Liver-
pool. Und es gibt Mannschaften, in denen
mehrere Spieler gleich mehrere Rechnun-
gen mit der Vergangenheit offen haben –
wie der FC Bayern im Jahr 2013. Verein und
Stadt litten damals noch unter dem verlore-
nenFinale dahoamim Jahr zuvor, und Spie-
ler wie Philipp Lahm, Bastian Schweinstei-
ger, Jérôme Boateng, Thomas Müller und
Arjen Robben litten gleich doppelt, weil
man sie nach verlorenen EM- oder WM-
Endspielen ohnehin im Verlierer-Verdacht
hatte. In einer wunderbaren gemeinsamen
Kraftanstrengung habe sie damals den
Trotz nutzbar gemacht und 2013 im Wem-
bley-Stadion jene Champions-League-Tro-
phäe an sich gerissen, der die Münchner
seither erfolglos hinterher spielen.
Es wäre unfair, von der aktuellen Bay-
ern-Elf eine ähnliche Story zu verlangen,
sie ist noch zu jung und zu neu, um schon
eine Geschichte zu haben – obwohl der
FC Bayern ebenso mit einem klubinternen
Rekordtransfer in die Saison startet (Lucas
Hernández, 80 Millionen Euro) wie damals
(Javi Martínez, 40 Millionen). Aber wenn
die Bayern an diesem Mittwoch mit dem
ersten Gruppenspiel gegen Roter Stern
Belgrad in ein neues Champions-League-
Abenteuer aufbrechen, ist zumindest ein
sportlicher Quervergleich erlaubt. Wo ist
die aktuelle Elf ähnlich gut, wo schlechter
und wo vielleicht sogar besser besetzt?
Tor
Im Tor des FC Bayern stand damals Manu-
el Neuer, heute steht im Tor des FC Bayern
Manuel Neuer. Ob der Neuer von damals
oder der von heute besser ist, liegt im Auge
des Betrachters, Manuel Neuer selbst dürf-
te bei dieser Frage eine andere Antwort pa-
rat haben als Marc-André ter Stegen.
Manuel Neuer war damals schon das
Maß aller Dinge, sein Torwartspiel galt da-
mals schon als stilbildend, und der Höhe-
punkt seines Berufslebens – die WM 2014
in Brasilien – war nicht mehr weit entfernt.
Neuer war damalsschoneine Autorität,
heute ist er esimmer nochoder besser:wie-
der. Nach langer Verletzungsphase, ein
paar Fehlern und erstem Neuerdämme-
rungs-Geraune ist er jetzt wieder so gut,
dass sämtliche ter Stegens hinter ihm ver-
zweifeln. Und Manuel Neuer hat nun eben
auch das, was es braucht, um wirklich et-
was Großes zu gewinnen: Er hat jetzt auch
so eine Geschichte. Es hat ihn erheblich ge-
ärgert, dass so viele Leute vorübergehend
vom Glauben abgefallen waren und dass
so viele ihn mit den anderen 2014er-Welt-
meistern ins Exil schicken wollten, bis ins
russische Watutinki oder noch weiter.
Spielstand:Welcher der beiden Neuers
besser ist, der deutlich jüngere von damals
oder der etwas trotzigere von heute, ist
kaum seriös zu beurteilen. Für den heuti-
gen Neuer spricht, dass er es ter Stegen
und allen Zweiflern noch mal zeigen will,
für den früheren Neuer spricht, dass da-
mals Tom Starke sein Vertreter war, eine
Legende. Punkt für beide Neuers. 1:1
Abwehr
115 Millionen Euro hat der FC Bayern in die-
sem Sommer ausgegeben, um irgendwann
wieder eine Champions-League-Sieger-
Abwehr zu haben. Bei genauerem Hinse-
hen fällt allerdings auf, dass kein einziger
Euro ausgegeben wurde, um noch einmal
den Jérôme Boateng aus der Saison
2012/13 in den Kader aufnehmen zu kön-
nen. Einen besseren Innenverteidiger gab
es vielleicht nie in einer Bayern-Elf, außer
womöglich Katsche „Hans-Georg“
Schwarzenbeck – daher: kein Vorwurf an
Niklas Süle und den neuen Rekordmann
Lucas Hernández. Boateng war damals so
gut, dass er auch den weniger herausragen-
den zweiten Innenverteidiger mitzog, den
legendären Dante, dessen Frisur nur ge-
standene Persönlichkeiten tragen können.
Aktuell am nächsten kommt dem Idealbild
einer Innenverteidigerfrisur die 35 Millio-
nen Euro teure Wuschelpracht von Benja-
min Pavard, der auch als Rechtsverteidiger
eingesetzt werden kann – sofern dort nicht
der seriös frisierte Joshua Kimmich spielt.
Doch die 2013er-Elf hatte auf der rechten
Abwehrseite Philipp Lahm, der, wenn man
sich richtig erinnert, gar keine Frisur hatte
und in der Champions-League-Sieg-Sai-
son aus einem einfachen Grund Weltklas-
se spielte: weil er immer Weltklasse spiel-
te. Damals wie heute wurde die Abwehr
komplettiert durch den Linksverteidiger
David Alaba, der damals etwas weniger er-
fahren, dafür aber etwas dynamischer war.
Spielstand:Führung für das Team von
2013, obwohl Jérôme Boateng weiter in
München spielt. Allerdings verliert auch er
den Vergleich mit sich selbst. 2:1
Defensives Mittelfeld
Vermutlich war dies der Mannschaftsteil,
in dem der FC Bayern damals die Champi-
ons League entschied. Neben dem robus-
ten, passsicheren Bastian Schweinsteiger,
der nebenbei das Herz der Kurve wärmte,
stand der damalige Rekordmann Javi Mar-
tínez. Er war das Puzzlestück, das dieser
Elf gefehlt hatte: ein athletischer, kopfball-
starker, defensiv denkender Steuermann,
der mitunter sogar Fußball spielte. Der
Machtblock Schweinsteiger/Martínez wur-
de auf der Bank von Luiz Gustavo abgesi-
chert, einem unterschätzten Spieler, wie
Martínez ein echter Sechser. In der aktuel-
len Elf finden sich auch ein paar gute und
sehr gute Leute, aber einen athletischen,
kopfballstarken, defensiv denkenden Steu-
ermann findet man nicht. Thiago, Goretz-
ka, Tolisso, Cuisance, auch Kimmich: Alles
eher strategische Achter als autoritäre
Sechser, und so taugt als letztverbliebenes
defensives Gewissen nur noch der gute, al-
te Martínez – dessen Rüstung aber Rost an-
gesetzt hat und immer lauter knarzt.
Spielstand:In diesem Mannschaftsteil
wirkt die aktuelle Bayern-Elf am wenigs-
ten endspieltauglich, die 2013er-Elf baut
ihre Führung locker aus. 3:1
Offensives Mittelfeld / Flügel
Ribéry, Robben und Müller spielten 2013 je-
weils die beste Saison ihrer Karriere. Tem-
po, Tricks und irre Tore, und das alles aus
dem Antrieb heraus, es noch mal allen be-
weisen zu wollen. Serge Gnabry, Kingsley
Coman und Philippe Coutinho aus der ak-
tuellen Mannschaft sind begabte Einzel-
könner, und wer weiß, wie das Duell in
zwei, drei Jahren ausgehen würde – doch
mit dem Trio von 2013 können sie nicht
mithalten. Es hilft den dreien auch nicht,
dass sie gefährlicher wirken als Ribéry,
Robben und Müller aus der Gegenwart.
Was irgendwie auch daran liegt, dass Rob-
ben seine Karriere bereits beendet hat.
Spielstand: Die aktuelle Offensive
kommt zwar mit viel Schwung, aber noch
fehlt ihr die gemeinsame Geschichte.
Punkt für die Alten. 4:1
Sturm
Mario Mandzukic: 22 Saisontore. Mario Go-
mez: 19 Saisontore. Dazu der im Sommer
2012 mit 33 Jahren noch blutjunge Claudio
Pizarro: 13 Saisontore. Eine stattliche Bi-
lanz. Aber natürlich lächelt darüber der Ro-
bert Lewandowski aus dem Spätsommer
- 54 Saisontore in allen Wettbewer-
ben? Schafft er locker allein – hat er 2013,
damals im BVB-Trikot, nicht mal vier Tore
in einer einzigen Partie gegen Real erzielt?
Spielstand:Tor für Lewandowski. Er
sollte aber sicherheitshalber gesund blei-
ben, denn als Alternative gibt es heute kei-
nen Mandzukic, keinen Gomez und sowie-
so keinen blutjungen Pizarro. Dennoch:
Die aktuelle Elf verkürzt. 4:2
Ersatzbank
Dort sitzen in dieser Saison deutlich mehr
Spieler, die eine Partie von der Bank aus
entscheiden können: Müller oder Coutin-
ho, Gnabry oder Coman oder Ivan Perisic,
dazu drei bis fünf Achter. 2012/13 saßen
dort, neben Gomez, vor allem Daniel van
Buyten und Diego Contento. Und gelegent-
lich der blutjunge Toni Kroos, der aber lan-
ge verletzt und wenig geschätzt war.
Spielstand:Anschlusstor für die aktuel-
le Elf durch die eingewechselten Müller,
Coutinho, Perisic, Gnabry und Coman. 4:3
Trainer
Jupp Heynckes und sein Nach-Nach-Nach-
Nachfolger Niko Kovac (der nebenbei auch
der Nachfolger von Heynckes ist) sind kei-
ne Nerds wie Pep Guardiola und keine mit-
reißenden Motivatoren wie Klopp. Heyn-
ckes und Kovac sind Moderatoren, die mit
Akribie jeden einzelnen Prozess steuern.
Aber dank eines Vorsprungs von 50, ach
was: 80 Lebens- und Dienstjahren und ei-
nes gewonnenen Champions-League-Fina-
le 1998 (mit Real Madrid) ist Jupp Heyn-
ckes auf Jahre hinaus unschlagbar.
Endstand:Ein 5:3 der besseren Sorte
für die Elf von 2013.
Manuel Neuer will sich im jüngsten Disput um
die Nummereins im Tor der deutschen Fuß-
ball-Nationalelf nicht mehr äußern. „Ich muss
sagen, dass ich dazu auch nichts mehr sagen
kann und werde“, sagte er am Dienstag auf
der Pressekonferenz vor dem Champions-
League-Spiel gegen Belgrad. Er sei nach dem
Bundesliga-Spiel am Samstag in Leipzig zu
den Aussagen von ter Stegen befragt worden
und habe geantwortet. Nun gehe es ihm „um
die Spiele, um den Verein, um das, was auf
dem Platz ist“. Außerdem meinte Neuer, dass
er „immer persönlich“ mit ter Stegen rede,
„der direkte Weg ist der beste“.
In den vergangenen Tagen hatten sich die
beiden Torhüter über Aussagen des jeweils an-
deren geäußert, nachdem ter Stegen seinen
Frust über den Verlauf der jüngsten Länder-
spielreise öffentlich gemacht hatte: Dass er
zweimal nur auf der Bank gesessen hatte,
nannte er einen „harten Schlag“. Neuer hatte
daraufhin in Leipzig gekontert, so eine Debat-
te helfe nicht – und ter Stegen indirekt mann-
schaftsschädigendes Verhalten unterstellt.
Ter Stegen wiederum nannte dies am Montag
„unpassend“, er habe schließlich nur über sein
persönliches Befinden gesprochen („Fußball
ist auch Leid, Freude und Enttäuschung“).
Am Dienstag beschwichtigte nun Bundes-
trainer Joachim Löw in derBild: „Wir alle kön-
nen uns doch nur freuen, mit Manuel Neuer
und Marc-Andre ter Stegen zwei Weltklasse-
torhüter zu haben. Auch Kevin Trapp und
Bernd Leno sind zu außergewöhnlichen Leis-
tungen in der Lage. Es ist doch klar, dass jeder
einzelne ehrgeizig ist und auch spielen will. In
der Nationalmannschaft brauchen und wol-
len wir diesen Konkurrenzkampf.“ Torwarttrai-
ner Andreas Köpke und er würden nun auch
„zu unserem Wort stehen, dass auch Marc sei-
ne Chancen bei uns bekommen wird“. Auch
Bayern-Trainer Niko Kovac versuchte, die La-
ge zu deeskalieren: „Ich habe das registriert,
und ich finde, dass beide das gut gemacht ha-
ben. Das war eine ganz klare Aussage von
Marc, aber auch von Manu. Das wird alles im-
mer viel zu heiß gekocht“, sagte Kovac. „Man
sollte die beiden arbeiten lassen.“ SZ
Ein 5:3 der besseren Sorte
Der FC Bayern sehnt sich mal wieder nach einem Erfolg in der Champions League –
aber kann die neue Mannschaft schon einem Vergleich mit der Sieger-Mannschaft von 2013 standhalten?
Eine Gegenüberstellung mit zwei Neuers, rostigen Rüstungen und einem Stürmer, der alles alleine machen muss
München– Marko Marin muss es neulich
wieder gespürt haben, dieses Gefühl, end-
lich zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu
sein. Die Kameras hielten fest, wie er im
Stadion in Belgrad auf die Knie sank, die Ar-
me in die Luft streckte, um ihn herum sei-
ne jubelnden Mitspieler. Manche habe er
an diesem Abend vor ein paar Wochen vor
Freude weinen gesehen, sagt Marin, „wir
haben uns wie Champions-League-Sieger
gefühlt“. Roter Stern Belgrad hatte sich mit
einem 1:1 im Rückspiel gegen Young Boys
Bern für die Champions League qualifi-
ziert. Und er, der Kapitän und Spielmacher
mit der Nummer 10, wusste um seine gro-
ße Bedeutung für diesen Erfolg.
Marin, 30, wird am Mittwoch mit Bel-
grad beim FC Bayern Champions League
spielen. Das könnte eine gewöhnliche Epi-
sode sein im Leben eines Fußballers, des-
sen Begabung seit mehr als einem Jahr-
zehnt bekannt ist, spätestens seit er 2008
sein erstes Länderspiel für Deutschland be-
stritten hatte. Doch es ist das Besondere an
Marins Karriere, dass er so oft zur falschen
Zeit am falschen Ort zu sein schien, dass
seine Begabung in Vergessenheit geriet.
Seit er 2012 die Bundesliga verließ und
von Werder Bremen zum FC Chelsea wech-
selte, spielte er für sieben Klubs in sieben
Ländern. Für die Nationalelf spielte er zum
- und letzten Mal im Jahr 2010. „Nach
der Zeit, die schwer war in den Jahren da-
vor, ist das jetzt schon ein Traum“, sagt er.
Um zu erklären, warum Marin gerade
ein glücklicher Fußballer ist, beginnt man
am besten mit einem Bild, das durchs Inter-
net wanderte, nachdem er im Sommer
2018 von Olympiakos Piräus nach Belgrad
gewechselt war. Es zeigt ihn als Kind in sei-
ner Heimatstadt Frankfurt, neben Dragos-
lav Stepanovic, dem damaligen Coach der
Eintracht. Marin, der im früheren Jugosla-
wien geboren wurde und mit seinen Eltern
vor dem Krieg floh, trägt eine Kappe und
ein Trikot von Roter Stern. Seine Freunde
in Deutschland, erzählt er, hätten nichts an-
zufangen gewusst mit seinem und seines
Vaters Lieblingsklub, dem Europapokalsie-
ger der Landesmeister von 1991: „Es ist
schon ‘ne große Sache, dass der Verein
jetzt wieder bekannt wird in Europa.“ Wie-
der bekannt für erfolgreichen Fußball,
nicht nur für die seit Jahren in Europa we-
gen ihrer Gewaltbereitschaft berüchtigten
Fans und für deren dubiose Verbindungen
in die serbische Politik.
Schon im vergangenen Jahr spielte Ro-
ter Stern nach vier Qualifikationsrunden
in der Champions League, besiegte sogar
den FC Liverpool 2:0 – Marin bereitete bei-
de Tore vor. In Serbien wurde er nach einer
Saison mit sieben Treffern und 13 Vor-
lagen zum besten Spieler der Liga gewählt,
sein Vertrag wurde bis 2021 verlängert. „Er
ist jemand, der sehr schnell die Herzen al-
ler Fans gewonnen hat. Ich kann frei sagen,
dass Roter Stern lange Zeit keinen Spieler
seiner Qualität hatte“, sagte danach Bel-
grads Sportlicher Leiter Mitar Mrkela.
Aber Marin weiß auch, dass es die
schwierigen Jahre waren, die ihn nach Bel-
grad führten: „Wäre das alles nicht pas-
siert, wäre ich wahrscheinlich nie hier ge-
landet.“ Als seine Bundesligakarriere 2008
bei Borussia Mönchengladbach so richtig
begann, sagte Manager Max Eberl: „Marko
wird ein Großer. Er hat diese Extraquali-
tät.“ Vier Jahre später sagte Klaus Allofs,
damals sein Manager in Bremen: „Markos
Entwicklung war nicht so, wie wir uns das
vorgestellt haben.“ Sehr überraschend
wechselte er 2012 zu Champions-League-
Sieger Chelsea – und es war kurios, dass er
in England wegen seiner eleganten Tech-
nik und der Körpergröße von 1,70 Meter als
„German Messi“ angekündigt wurde. Ma-
rin spielte für Chelsea nur 16 Mal.
Während der WM in Russland 2018 wa-
ren seine einstigen Chelsea-Kollegen Di-
dier Drogba und Frank Lampard TV-Exper-
ten für die BBC. Sie sprachen über den fa-
mosen Belgier Kevin De Bruyne, der Chel-
sea 2012 als Talent verlassen hatte – wegen
der großen Konkurrenz, erklärte Lampard
und zählte ein paar Spieler aus dem Kader
auf. Bis Drogba mit einem Grinsen auch
den Namen Marin einwarf. Beide lachten.
Viermal wurde Marin von Chelsea verlie-
hen, zum FC Sevilla, zum AC Florenz, zum
RSC Anderlecht und in die Türkei zu Trab-
zonspor. „Ich habe auch Zeitung gelesen.
Da war die Rede vom Tiefpunkt, dann vom
Tiefpunkt aller Tiefpunkte. Ich weiß gar
nicht, ob’s noch weiter runterging“, sagt
Marin, er selbst sah es naturgemäß etwas
anders. In Sevilla gewann er als Ergän-
zungsspieler wie schon mit Chelsea die Eu-
ropa League. In Florenz war er zu Beginn
verletzt und blieb nur die Hinrunde. „Feh-
ler habe ich gemacht, auf jeden Fall“, sagt
er. In der Rückrunde in Anderlecht „war’s
wirklich eine ganz schlechte Zeit“.
Erst in Trabzon spielte er 2015 mal wie-
der fast eine ganze Saison lang in der Start-
elf und blieb gesund. Das war der Wende-
punkt, meint Marin. Er ging weiter nach
Piräus, erstmals seit 2012 nicht zur Leihe,
wurde 2017 griechischer Meister. Und bald
folgte der achte Wechsel: „Mit Abstand der
schönste, was die Seele betrifft.“
Wenn man ihn fragt, warum er nun so
gut spielt, nachdem die vermeintlich bes-
ten Jahre an ihm vorbeizuziehen schienen,
und was er gelernt hat aus der Zeit, in der
ihn zu hohe Ambitionen trieben, dann sagt
er: „Geduld zu haben“. Nach Verletzungen,
nach schlechten Spielen, nach Spielen auf
der Bank. Nicht gleich wieder etwas ver-
ändern zu wollen, wenn es nicht läuft.
Auch spielerisch hat er sich entwickelt.
„Dribbelkünstler und Flügelflitzer. Folgt
mir, wenn ihr schnell genug seid!“, so steht
es in seinem Twitter-Account, was auch
auf ein gesundes Selbstbewusstsein hin-
weist. Marin dribbelte schon immer ver-
siert, manchmal etwas zu viel. „Ich bin
nicht mehr der Außenstürmer, der den
Ball nimmt und unbedingt das Eins-gegen-
eins sucht“, sagt er nun; die Spielmacher-
position liege ihm sehr. Seit Juli hat er kein
Ligaspiel bestritten, aber diesmal macht er
sich keine Sorgen. Er wurde auch wegen
einer leichten Verletzung für den Europa-
pokal geschont. Er ist eben inzwischen ein
wichtiger Spieler. sebastian fischer
Torwart-Disput von Neuer und ter Stegen: Jogi Löw beschwichtigt
DEFGH Nr. 216, Mittwoch, 18. September 2019 HF2 23
Vom Flügelstürmer wurde er
zum Spielmacher und Kapitän
Richtige Zeit, richtiger Ort
„Dasist schon ein Traum“: Der frühere Nationalspieler Marko Marin ist nach enttäuschenden Jahren und acht Vereinswechseln bei Roter Stern Belgrad so wichtig wie nirgends zuvor
Bremen, Chelsea, Sevilla, Florenz,
Anderlecht, Trabzon – et cetera
SPORT
Wannwird’s mal wieder so schön für den FC Bayern
wie beim Champions-League-Sieg in Wembley 2013 (links)?
Die zwei Neuerwerbungen Lucas Hernández (links unten)
und Philippe Coutinho bringen jedenfalls wieder
neue Qualität in den Kader.
FOTOS: SHAUN BOTTERILL / GETTY, ALEXANDER HASSENSTEIN / GETTY (2)
Motor des Belgrader Aufschwungs: Kapitän Marko Marin (rechts, im entscheiden-
denChampions-League-Playoffspiel gegen Young Boys Bern). FOTO: ULMER / IMAGO