Das Problem vonThe LoudestVoice, der Se-
rie über den Aufstieg des Nachrichtensen-
ders Fox News von der Kabelklitsche zum
erfolgreichsten Newskanal der USA, seinen
Einfluss auf Politik und Gesellschaft sowie
die Gefahr ideologischer Berichterstattung
für ein gespaltenes Land, das Problem ist
der wunderbare Schauspieler Russell Cro-
we. Er verkörpert den langjährigen Sender-
chef Roger Ailes, er verleiht dieser machia-
vellistischen Figur mit seinen darstelleri-
schen Fähigkeiten eine dämonische Tiefe.
Damit tut die Serie genau das, was sie kriti-
sieren will: Sie ideologisiert.
Ailes hat 1996 für den Medienmogul Ru-
pert Murdoch den Sender Fox News kon-
zipiert, als konservatives Gegenstück zu
den Konkurrenten CNN und MSNBC. Ein
Typ, der rücksichtslos blendende Quoten
liefert. Der nach den Terroranschlägen vom
- September 2001 die Patriotismus-Keule
schwang, im Präsidentschaftswahlkampf
2008 den Kandidaten Barack Obama stän-
dig als Muslim und dessen Frau Michelle
als mögliche Rassistin porträtierte und
2016 zu einem der Königsmacher von Do-
nald Trump wurde. Mehrere Moderatorin-
nen warfen ihm vor, sie sexuell belästigt zu
haben. 2016 wurde Ailes mit einer 40-Milli-
onen-Dollar-Abfindung entlassen, ein Jahr
später starb er. Russell Crowe, mit Fatsuit
und Glatzenkappe, gibt den herrischen und
aufbrausenden, wegen dieser rücksichtslo-
sen Wir-gegen-alle-Mentalität indes re-
spektierten Anführer, den diabolischen
Machtmenschen. Es gibt starke Momente
in dieser Serie, etwa als Ailes nach dem
- September 2001 zum Helfer von George
W. Bush und dessen Irak-Krieg wird und im
Hintergrund das Antikriegslied „Eve Of De-
struction“ von Barry McGuire läuft.
Ailes’ Credo: Wer erfolgreich sein will,
der muss seine Meinung laut brüllen, gerne
auch ohne Fakten, und genau das bringt er
nach seinem Abschied von Fox News dem
Kandidaten Donald Trump als dessen Bera-
ter bei: niemals entschuldigen, lieber einen
draufsetzen und die anderen über den
Wahrheitsgehalt streiten lassen. Das Buch
von Gabriel Sherman von 2014, auf dem die
Serie basiert, heißt „The Loudest Voice in
the Room“. Weil Ailes also der Lauteste im
Raum ist, bleibt in der Serie kaum Platz für
andere. All die Frauen, die Ailes benutzt,
demütigt oder rauswirft, bleiben Nebenfi-
gürchen, ihr Leid nur angedeutet. Es geht
immer nur um den Täter, niemals um die
Opfer. So kommt es, dassThe Loudest Voice
zu sehr beschäftigt damit ist, Ailes zu dämo-
nisieren und den Schauspieler Crowe glän-
zen zu lassen.
Es ist immer heikel, eine politisch rele-
vante Geschichte zu erzählen, die auf wah-
ren Begebenheit basiert. Ein ganzes Leben
muss in einen Film oder die paar Episoden
einer Serie gepresst werden, es müssen Ele-
mente verdichtet, weggelassen oder ohne
verlässliche Informationen hinzugefügt
werden – und über allem schwebt die Fra-
ge, was die Produzenten erreichen wollen.
Anhänger von Fox News und Donald
Trump werten die Serie in den USA als Nach-
treten auf Ailes, als Angriff auf den Sender.
Das bestärkt sie in ihrer Wir-gegen-linke-
Eliten-Mentalität. So erreicht sie womög-
lich das Gegenteil von dem, was sie wohl er-
reichen wollte. jürgen schmieder
The Loudest Voice, auf Sky.
Klage abgewiesen: Das Institut für Rund-
funktechnik (IRT),dessen Hauptbetreiber
ARD und ZDF sind, ist vor dem Landge-
richt Mannheim gescheitert. In einem Zivil-
verfahren hatte das Institut knapp 280 Mil-
lionen Euro von der italienischen Patent-
verwertungsfirma Sisvel gefordert.
Dem Urteil gingen ein langer Rechts-
streit sowie der vermutlich größte finanzi-
elle Fehlgriff in der Geschichte des öffent-
lich-rechtlichen Rundfunks voraus. Denn
ARD, ZDF und Deutschlandradio sind Ge-
sellschafter des IRT, einer Einrichtung, die
zur Technik von Hörfunk, TV und Internet
forscht. Vor Jahren hat das Institut die für
MP3-Player wichtige und lukrative MPEG-
Technologie mitentwickelt. Vom Milliar-
denerlös für die Patente hat es aber sehr
wenig abbekommen. Deshalb zog das Insti-
tut gegen den italienischen Patentverwer-
ter und einen deutschen Patentanwalt vor
Gericht. Vor dem Landgericht Mannheim
bezichtigte das IRT den langjährigen Part-
ner Sisvel der „vorsätzlichen sittenwidri-
gen Schädigung“. Sisvel und der Patentan-
walt hätten den Großteil der Erlöse wider-
rechtlich für sich abgezweigt, auf Kosten
des Instituts. Mehr als 200 Millionen Euro
sollen dem Institut laut dessen Berech-
nung bei der globalen Vermarktung der
MPEG-Technologie vorenthalten worden
sein. 60 Millionen Euro davon zahlte der
Patentanwalt nach einem 2018 abgeschlos-
senen Vergleich. Nach der Abweisung der
Klage in Mannheim scheint sich das IRT –
und somit auch der öffentlich-rechtliche
Rundfunk – zunächst damit begnügen zu
müssen.
Als Mitgliedschafter des IRT sei man
„sehr überrascht“, dass das Landgericht
Mannheim die Klage „ohne jegliche Be-
weisaufnahme“ abgewiesen habe, teilte
der Bayerische Rundfunk am Dienstag
mit. Der Sender kümmert sich in der ARD
um den Fall. Man warte nun die ausstehen-
de Urteilsbegründung ab, gehe aber davon
aus, dass gegen die Entscheidung Beru-
fung beim Oberlandesgericht Karlsruhe
eingelegt wird. Vonseiten des italienischen
Patentverwerters hieß es, man begrüße
die Entscheidung, mit der festgestellt wer-
de, dass Sisvel sich korrekt verhalten habe.
Kürzlich hatte die Staatsanwaltschaft
München die Ermittlungen gegen ehemali-
ge Sisvel-Geschäftsführer eingestellt. Ein
Verfahren vor einem italienischen Gericht
wurde Ende 2018 beendet. Sisvel sei nichts
vorzuwerfen, da das IRT eigenverantwort-
lich entschieden habe, eine Fixvergütung
statt einer Umsatzbeteiligung erhalten zu
wollen. kathrin müller-lancé
von caspar busse
V
on Erich Böhme, dem ehemaligen
Chefredakteur desSpiegel, ist eine
Äußerung überliefert, die dieBerli-
ner Zeitungin den vergangenen knapp drei
Jahrzehnten nie mehr losgeworden ist: Als
Böhme 1990 Herausgeber des einstigen
SED-Organs wurde, versprach er, er werde
aus dem ehemaligen Ostblatt eineWa-
shington Postfür Deutschland machen, al-
so eine führende, bedeutende und investi-
gativ tätige Hauptstadtzeitung nach dem
berühmten Vorbild in den USA. Böhme,
der nur vier Jahre blieb und 2009 starb,
konnte das Versprechen aber nie auch nur
annähernd einlösen, seine Nachfolger und
die vielfach wechselnden Besitzer derBerli-
ner Zeitungerst recht nicht.
Nun kommt der Berliner Verlag, zu dem
neben derBerliner Zeitungauch das Boule-
vardblattBerliner Kurier, Digitalangebote
und eine Druckerei mit insgesamt 400 Mit-
arbeitern gehören, wieder in neue Hände:
Die beiden Berliner Unternehmer Silke
und Holger Friedrich kaufen das Unterneh-
men von der Kölner Mediengruppe Du-
Mont, wie beide Seiten am Dienstag überra-
schend mitteilten. Das Ehepaar hatte
bisher niemand als potenzielle Käufer im
Blick. Der Kaufpreis ist unbekannt, sehr
hoch kann er aber nicht sein, denn die
Geschäfte des Berliner Verlags laufen
schlecht, dieBerliner Zeitungbüßte in den
vergangenen Jahren stark an Auflage und
Bedeutung ein. DuMont-Chef Christoph
Bauer dürfte froh sein, dass er die Tochter-
firma los ist. Das Kartellamt muss noch zu-
stimmen, daran dürfte es keine Zweifel ge-
ben. Bauer hatte zusammen mit Isabella
DuMont und Christian DuMont Schütte –
beide Vertreter der Eigentümerfamilien –
die Mitarbeiter in Berlin informiert.
„Wir möchten das Profil des Berliner
Verlags stärken und mit einer versachlich-
ten, faktenbasierten Berichterstattung
den politischen und gesellschaftlichen
Diskurs für Berlin und aus Berlin heraus
bereichern“, wird Holger Friedrich zitiert.
Über das Ehepaar, das in der Softwarebran-
che reich wurde, ist nicht viel bekannt, im
Zeitungsgeschäft waren die beiden bislang
nicht aktiv. Silke Friedrich leitet die Berlin
Metropolitan School, eine internationale
Schule mit etwa 1000 Schülern. Gemein-
sam mit Ralf Regitz, Gründungsmitglied
der Loveparade, hatte sie den früheren
Technoclub Ewerk zu einem Veranstal-
tungsort gemacht. Holger Friedrich grün-
dete 2009 die Technologie-Beraterfirma
Core. Zuvor hatte er eine Firma an SAP ver-
kauft, war er bei der Software AG und bei
McKinsey. Das Paar wird den Verlag laut
DuMont in die Holding der Familie Fried-
rich überführen. „Wir verstehen diesen
Schritt als zivilgesellschaftliches Engage-
ment in bewegten Zeiten und freuen uns
auf diese Aufgabe sowie die Zusammenar-
beit mit dem Team“, sagte Silke Friedrich.
Der Berliner Zeitungsmarkt gilt als be-
sonders umkämpft und ruinös, die Zahl
der Abonnenten sinkt beständig, die Wer-
beeinnahmen auch. Neben derBerliner Zei-
tungsind derTagesspiegel, die dem Stutt-
garter Verleger Dieter von Holtzbrinck
(Handelsblatt, Wirtschaftswoche,Die Zeit)
gehört, und dieBerliner Morgenpostaus
der Essener Funke-Mediengruppe am
Markt, dazu kommt dieWeltvom Berliner
Medienunternehmen Axel Springer.
Der Verkauf derBerliner Zeitungan Pri-
vatleute ist eine weitere Wendung in der
wechselvollen Geschichte des Blatts, das
1945 gegründet wurde (die erste Schlagzei-
le lautete „Berlin lebt auf!“). Es erschien
schon immer im Osten der Stadt und war
später dem Zentralkomitee der SED unter-
stellt. Nach der Wende stieg der Hambur-
ger Verlag Gruner + Jahr ein, zunächst
zusammen mit dem britischen Verleger Ro-
bert Maxwell. Es wurde viel investiert,
doch der Erfolg blieb aus. 2002 übernahm
die Verlagsgruppe Holtzbrinck das Blatt,
doch das Kartellamt untersagte das Ge-
schäft, weil zu Holtzbrinck auch derTages-
spiegelgehört. Dann kam der umstrittene
britische Medienmanager David Montgo-
mery, der einen Zeitungskonzern aufbauen
wollte, aber scheiterte. 2009 stieg Dumont
ein und zahlte rund 150 Millionen Euro.
DuMont, in Familienbesitz, ist selbst in
Problemen, der 2015 gestorbene Verleger
Alfred Neven DuMont hatte viele Jahre
stark expandiert, ohne auf die Risiken zu
achten. DieFrankfurter Rundschau,die
auch in DuMont-Eigentum war, musste
2012 Insolvenz anmelden. Zur Gruppe ge-
hören auch derKölner Stadt-Anzeiger, der
Express,dieMitteldeutsche Zeitungin Hal-
le und dieHamburger Morgenpost. Der Ver-
kauf in Berlin, der von der Familie abgeseg-
net wurde, sei „der erste Schritt der Portfo-
lio-Überprüfung“, hieß es. „Der Prozess
dauert noch an und wird voraussichtlich
Ende des Jahres abgeschlossen sein.“ Doch
der Druck ist nun durchaus geringer, weil
der Berliner Verlag das größte Problem
war. Ob am Ende alle anderen Zeitungen
verkauft werden, ist nach wie vor offen.
Man werde „ein breiteres Publikum an-
sprechen und mit den Lesern stärker in
Kontakt treten, als dies bisher der Fall ist“,
kündigten die neuen Eigentümer an, und
es werde investiert. Immerhin eine Paralle-
le zurWashington Postgibt es, auch die
wurde von einem Privatmann übernom-
men: 2013 kaufte Amazon-Gründer Jeff Be-
zos das Blatt. Der reichste Mann der Welt.
Hannenach demDrehbuch von Beate Lang-
maack und in der Regie von Dominik Graf
trägt ein Gütezeichen, von dem das Publi-
kum kaum etwas erfahren wird, weil ein
Fernsehfilm sich für die große Vermark-
tungsmaschine nur bedingt eignet: Die viel-
fach ausgezeichnete Drehbuchautorin hat
das Drehbuch für Iris Berben geschrieben.
Dergleichen hat sie bislang noch nicht ge-
macht, aber für die Geschichte vonHanne
hat sich Langmaack von Iris Berben inspi-
rieren lassen. Wenn dann noch einer wie Do-
minik Graf die Regie führt, erinnert das an
legendäre Theaterproduktionen, als Claus
Peymann ein von Thomas Bernhard für
Bernhard Minetti geschriebenes Stück auf-
führte, das natürlichMinettihieß.
Das klingt schwer nach De-luxe-Fern-
sehproduktion. Da besteht die Gefahr, dass
das existenzielle Thema, der große Regis-
seur und die große Schauspielerin ganz doll
am großen Genie-Rad drehen. Aber genau
dieser Gefahr erliegtHannenicht. Die Ge-
schichte einer Frau irgendwo in ihren Sech-
zigern, die am Tag ihrer Pensionierung vor
einer banalen Krampfaderentfernung er-
fährt, dass es Anzeichen für Blutkrebs gibt,
ist ein eher kleiner Film geworden. Seine
Größe entwickelt er aus dem feinen Sinn
für Komik, mitunter rauem Humor, treffli-
chen Dialogen. Das Büro, Hannes Woh-
nung, der Besprechungsraum im Kranken-
haus, in dem Hanne mal eben in zwei Minu-
ten in Kenntnis gesetzt wird – alles strahlt
in sauberem, alles isolierendem Weiß. Als
ließe sich der Schmerz einfach abwaschen.
Hannespielt an einem Wochenende, an
dem schicksalhaft vieles zusammen-
kommt: Am Freitag erfährt Hanne, dass
man ihr erst am Montag sagen kann, was
die Erhöhung der weißen Blutkörperchen
zu bedeuten hat. Die Wahrscheinlichkeit ist
groß, dass sie in sechs Monaten tot ist. Han-
ne verbringt dieses Wochenende allein in ei-
ner fremden Stadt. Sie lernt in einem italie-
nischen Restaurant eine lebensfrohe BH-
Beraterin kennen, mit der sie einen herzhaf-
ten Kneipenabend verbringt, trifft einen
früheren Liebhaber wieder, spricht im Bad
einfach einen Schwimmtrainer an, damit er
ihr erklärt, wie man richtig krault. Wie viele
Filme, die sich der Angst vor dem nahen wo-
möglich gewissen Tod widmen, ist auch
Hanneeine Feier des Lebens, die in zwölf
Kapiteln auf die Beantwortung der Frage
zusteuert: Hat sie Krebs – oder nicht?
Wie Berben Verzweiflung, Ungewissheit,
Sehnsucht, Freude, Wut meist nur andeu-
tet, oft überspielt, um sich nichts anmerken
zu lassen, so leichthin, so unaufwendig, fast
en passant entwickeln sich die unspektaku-
lären Ereignisse. Dominik Graf hat aus die-
sem Spiel mit der Todesangst keine große
Sache gemacht, aber mit einem durchweg
glänzenden Schauspielerensemble beweist
er anrührend und unterhaltsam, dass mit
den Tücken des nun mal endlichen Lebens
klarzukommen alles andere als eine Klei-
nigkeit ist. harald hordych
Hanne, ARD, Mittwoch, 20.15 Uhr.
Lautsprecher
Ist Russell Crowe als Fox-News-Chef zu gut? Über eine problematische Serie
Brillant mit Fatsuit und Glatzenkappe:
Russell Crowe als Roger Ailes. FOTO: SHOWTIME
IrisBerben als Hanne, in dem gleichnami-
gen Film von Dominik Graf. FOTO: NDR/ROLOFF
Abgewiesen
Urteil nach Fehlgriff des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Plötzlich Verleger
DieseVariante kommt überraschend: Die „Berliner Zeitung“ geht an ein Unternehmerehepaar aus der Hauptstadt.
Das Blatt hat mit großen Problemen zu kämpfen. Die Frage ist nun, wie die neuen Eigentümer die lösen werden
Der Plan: ein breiteres Publikum
ansprechen und mit den
Lesern in Kontakt treten
Die Farbe Weiß
Ein kleiner, sehr feiner Film über die Angst vor dem Tod
DEFGH Nr. 216, Mittwoch, 18. September 2019 (^) MEDIEN HF2 27
Bisher keine Medienerfahrung: Das Berliner Ehepaar Silke und Holger Friedrich kauft den Berliner Verlag mit der „Berli-
ner Zeitung“ und dem „Berliner Kurier“. FOTO: JENS ROETZSCH / DUMONT
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2010 2015 2019
Verkaufte Auflage der Berliner Zeitung
quartalsweise Angaben in Tausend;
einschließlich E-Paper
SZ-Grafik: chen; Quelle: IVW