Süddeutsche Zeitung - 18.09.2019

(Tina Sui) #1

München– „Innovation“ ist heuer das
Motto, ein weitgefasster Begriff, der ein
breites Spektrum an Beiträgen zulässt. Im
Fokus stehen Buchvorstellungen zu Neue-
rern aus Kunst, Wissenschaft, Literatur so-
wie die Akteure von Sex & Crime. Die Jüdi-
schen Kulturtage haben zwar schon begon-
nen, aber das Gros des sehr disparaten Pro-
gramms läuft noch bis Anfang November.
Man kennt vielleicht seine Motive aus
dem jüdischen Leben im russischen
Schtetl, aber nicht seinen Namen: Issachar
Ber Ryback, geboren 1897, gestorben 1935.
Noch weniger wird man ihn angesichts sei-
ner ins Fantastische überhöhten und dabei
nach wie vor realistischen Motive mit mo-
dernen Strömungen wie dem Kubismus
und dem Futurismus in Verbindung brin-
gen: Hier die bärtigen, im Rhythmus ihres
Spiels gekrümmten Geiger, dort die in Drei-
ecken segmentierte und damit abstrahier-
te Hausansicht aus dem Dorf. Ryback
brachte sie zusammen, die Tradition und
die Moderne, indem er daran arbeitete, die
jüdische Volkskunst in die aktuellen Kunst-
strömungen einzubinden. Über Rybacks
Werk wurde die Kunstgeschichtlerin und
Judaistin Sigalit Meidler-Waks promoviert
und stellt nun ihr Buch zu Issachar Ber
Ryback vor (am 23. September, 19 Uhr).


Zumindest die Älteren kennen ihn alle
noch: Georg Stefan Troller. Sein „Pariser
Journal“, seine „Personenbeschreibung“
schrieben Fernsehgeschichte. Mittels sei-
ner mehr als 150 Porträtfilme arbeitete er
nicht nur das Charakteristische seiner Ge-
sprächspartner heraus, sondern die
Wechselwirkung von Mensch und Umge-
bung und damit im besten Fall ein Stadt-
porträt aus der Vielheit seiner Menschen.
Troller ist jetzt 97 und erinnert sich nur zu
gut an „Liebe, Lust und Abenteuer.
97 Begegnungen meines Lebens“. Der Kom-
munikationswissenschaftler Wolfgang
R. Langenbucher spricht mit dem Homme
à femmes Troller über dessen literarisch
kondensierte Erfahrungen mit dem Eros
(6. Oktober, 17 Uhr).
Den Fallstricken des Eros sind sicher-
lich nicht wenige Familiendramen zuzu-
schreiben. Zumal in bürgerlichen Fami-
lien, die gesellschaftlichen und damit mo-
ralischen Zwängen unterworfen waren.
Mit dem Titel „Lion und die Feuchtwan-
gers – eine historische Familienaufstel-
lung“ überschreibt Heike Specht den Vor-
trag zu ihrem Buch „Die Feuchtwangers“,
wobei sie die Hassliebe des Schriftstellers
zu seiner verzweigten, der Verfolgung aus-
gesetzten Honoratiorenfamilie in politisch
mörderischen Zeiten in den Mittelpunkt
rückt. (17. Oktober, 19 Uhr).
Es ist seine Herkunftsfamilie vor dem
Hintergrund ihres Lebens in Deutschland
nach dem Holocaust, die Rafael Seligmann
von Anfang an als den Motor seines
Schreibens begriff. In „Lauf, Ludwig,
lauf!“ erzählt er die Geschichte seines
Vaters Ludwig und seines Onkels Heinrich
Seligmann, die beide 1933 vor den Nazis
flohen, da sich ihre vermeintliche
Integration in der schwäbischen Provinz
als grausamer Irrtum erwiesen hatte.
Alt-OB Christian Ude und Rafael Selig-
mann, beide Jahrgang 1947, treffen sich
am 23. Oktober, 19 Uhr, zu einem Gespräch
darüber. eva-elisabeth fischer


Jüdische Kulturtage, bis 7. November, Programm,
Ort und Uhrzeiten unter http://www.ikg-m.de, kul-
[email protected],Karten unter [email protected]


München– Märchenhafte Geschichten,
zirzensische Tableaus, Fabelwesen und
Comicfiguren, Wunderkammern – und
ein kuratorisches Projekt, das von Anfang
an kindgerecht gedacht war. Wer sich bei
den Galeriekooperationen von „Various
Others“ umschaut, die vergangenes Wo-
chenende starteten, stößt gleich auf mehre-
re Künstler, deren Gemälde und Objekte
von zauberischen Welten erzählen.
Die neuen Arbeiten der in Tschechien ge-
borenen, in Berlin lebenden Künstlerin Mo-
nika Michalko – sie wird von der Produzen-
tengalerie Hamburg vertreten – scheinen
den Betrachter in Kindheitserinnerungen
oder -träume zurückführen zu wollen. Ihre
Ölgemälde wie ihre hinreißenden Radie-
rungen sind fantastische, surreal anmuten-
de Werke, in denen sie nicht nur Vergange-
nes mit Gegenwärtigem verschmilzt, son-
dern in denen die vielreisende Künstlerin
auch diverse Kulturkreise reflektiert. Da-
neben erinnern die nicht weniger fantasie-
vollen Installationen des Münchner Künst-
lers Lorenz Strassl mitunter wie zeitgenös-
sische Wunderkammern, die Objets trou-
vés aus verschiedenen Jahrhunderten und
Herkunftsbereichen zur Schau stellen. Das
Tüpfelchen auf der zirzensischen Zur-
schaustellung: der Dino im Gehege.


Monika Michalko und Lorenz Strassl,Produzenten-
galerie Hamburg bei Galerie Jo van de Loo, There-
sienstr.48, bis 26. Okt., Mi-Fr 12-18 Uhr, Do
12-20 Uhr, Sa 12-15 Uhr


Bei Deborah Schamoni trifft das von ihr
vertretene Künstlerduo Kaya (dahinter ver-
bergen sich Kerstin Brätsch und Debo
Eilers) auf den aus Frankreich stammen-
den, in New York lebenden Paul Gondry
von der MX Gallery New York. Auch Gon-


drys Malerei erzählt in einer mit Gouache
auf Leinen gemalten rauen Haptik von
märchenhaften Themen. Dabei richtet er
seinen Blick sowohl auf westliche wie östli-
che Erzähltraditionen und versucht, durch
einen Standortwechsel eine neue Erzähl-
weise zu finden, die den eurozentrischen
Standpunkt verlässt.
Blick- und Standortwechsel waren übri-
gens auch Themen, die am Eröffnungswo-
chenende von „Various Others“ bei einer
Podiumsdiskussion im Museum Brand-

horst auf der Agenda standen. Dort erzähl-
ten Diana Campbell Betancourt (Samdani
Art Foundation / Dhaka Art Summit in Ban-
gladesch), Mareike Dittmer (Art Stations
Foundation / Muzeum Susch, Schweiz) and
Tessa Praun (Magasin III, Museum & Foun-
dation for Contemporary Art, Stockholm)
von ihren hybriden Betreibermodellen zwi-
schen privatem Engagement und öffentli-
cher Institution. Allerdings machte allein
Betancourt den Bogen weit genug auf, um
Denkanstöße für die Zukunft zu liefern.

Doch zurück zu Paul Gondry. Dieser be-
schäftigt sich neben der Malerei auch mit
Bildhauerei, Film und Kostüm. Vielleicht
wirken seine Gestalten deshalb wie zwi-
schen „Tausendundeine Nacht“ und
Sciencefiction, manchmal ein bisschen
düster, immer aber vielschichtig. Damit
sehr gut passend zu Kaya.

Paul Gondry und Kaya,MX Gallery bei Deborah
Schamoni, Mauerkircherstr. 186, bis 19. Okt., Do-Fr
14- 19 Uhr, Sa 12-17 Uhr

Eine geradezu kindgerechte Herangehens-
weise an die Kunst und damit grenzenlose
Unbekümmertheit feiert augenblicklich
fröhliche Urstände in der Galerie von Chris-
tine Mayer. Sie hat die Goldie’s Gallery aus
New York zu Gast, hinter der ein kuratori-
sches Projekt des amerikanischen Künst-
lers mit japanisch-hawaiianischen Wur-
zeln Trevor Shimuzu steht. Goldie’s war zu-
nächst eine 2016 begonnene Kunstinstalla-
tion im Kinderzimmer von Shimizus Toch-
ter Goldie. Gemälde, Skulpturen, Bücher
und anderes orientieren sich seither an
den Aufnahmemöglichkeiten des heran-
wachsenden Kindes.
Die Präsentation bei Christine Mayer ist
die erste außerhalb von Shimuzus Apparte-
ment und zeigt zudem Arbeiten zahlrei-
cher Künstlerinnen und Künstler, die von
Mayer vertreten werden oder schon ein-
mal bei ihr zu Gast waren. Deutlich wird,
wie viel kindlich-spielerisches Potenzial
die Künstler aus verschiedenen Ländern
und mit unterschiedlicher gesellschaftli-
cher wie künstlerischer Prägung miteinan-
der verbindet.
Da fügt sich ein Werk von André Butzer
ebenso nahtlos in das Konzept ein wie ei-
nes von Andy Hope 1930, mit dessen Aus-
stellung Mayer in Kooperation mit Hauser
und Wirth, dem Global Player der Szene,
im vergangenen Jahr die Erstausgabe von
„Various Others“ bestritt. Ein deutlicher
Kurswechsel nun also von Christine Ma-
yer, die damit in Anlehnung an eine Aussa-
ge des Künstlers Dan Graham auch ein Zei-
chen gegen das Spektakel in der Kunst set-
zen will. evelyn vogel

Kuratorisches Projekt von Trevor Shimizu,Gol-
die’s Gallery bei Galerie Christine Mayer, Lie-
bigstr.39, bis 19. Okt., Di-Fr 14-18 Uhr, Sa 11-15 Uhr

Trevor Shimizu malte den „Posey Bear“ 2018 für seine Tochter Goldie (links), Monika Michalko kreiert surreale Welten wie die
„Reisemaschinensachlichkeit“ von2014. FOTOS: TREVOR SHIMIZU AND GALERIE CHRISTINE MAYER; JAN MICHALKO, COURTESY PRODUZENTENGALERIE HAMBURG

München– Schlagzeug,Verstärker, Gitar-
ren, Bass – kann alles weg. Die Vorband
RVGaus Melbourne war eine angenehme
Erinnerung an die Neunziger: Riot-Grrrl-
Underground-Emotionen. All dies war ges-
tern. Es bleiben Fritz-Kola-Kästen, auf ih-
nen ein mit Stickern zugepappter Laptop
und ein Mikro mit Ständer. Das Ornamen-
talste an Andrew Robert Lindsay Fearn ist
sein Name. Er hat eine Hand in der Tasche
und in der anderen ein Bier. Nimmt er die
Hand aus der Tasche, drückt er eine Taste
und sein Sound ballert los. Andrew schüt-
telt im Rhythmus den Kopf und trinkt. Ja-
son Williamson bewegt sich am Mikro in ei-
ner Mischung aus Gockeltanz und Cancan.
Aus ihm tackert Text. Eine irre manische
Qualität hat dieses Sprechenmüssen. Bei
„fuck you“, „fuck it“ und fuckin’ cunt“ puf-
fen Spuckenebel ins Scheinwerferlicht.
Im Sound derSleaford Modsaus Notting-
ham hat sich der Klang der spätmodernen
Arbeitswelt als Sample abgelagert. Mikro-
motorensirren in „Into The Payzone“, im-
mer wieder, wie in „B.H.S.“, ein Computer-
Sound wie das Aufploppen einer Mail im
Posteingang. Die meisten Songs bei ihrem
Backstage-Auftritt sind von ihrem neuen
Album. „Eton Alive“ heißt es und rekuriert
auf die englische Elite-College-Absolven-
ten-Bande, die mit einer bescheuerten
Show die working class ablenkt, um der-
weil das Land zum eigenen Vorteil gegen
die Wand zu fahren. So sieht das William-
son, der wirkt wie ein Typ, der vieles für ei-
ne Schlägerei geben würde, der aber auch
eine Lektüreliste hat – auf der steht Guy
Debords neo-marxistischer Theorieklassi-
ker „Die Gesellschaft des Spektakels“.
Würde man die Texte aus dem Sound fil-
tern können, man würde zwischen den
Wutausbrüchen hineingezogen in einen
aberwitzig subtilen, digital industrialisier-
ten Bewusstseinsstrom. Man kann sich we-
nig Gegensätzlicheres zu Boris und seinen
Mates vorstellen als einen Pub-Typen mit
scharfem Blick für Sein und Bewusstsein
und dieser Fuck-off-Haltung, der in sein
Mikro bellt: „There’s only one course: dis-
course“. christian jooß-bernau

von anna weiß

W

im Wenders, Doris Dörrie, Ro-
land Emmerich – die Hochschule
für Fernsehen und Film Mün-
chen (HFF) hat schon so einige berühmte
Absolventen hervorgebracht. In diesem
Sommer steht die HFF, die wie die meisten
Filmhochschulen eine sehr limitierte
Studierendenanzahl hat, auch Gästen
offen. Der Teilnahme des speziellen Kurs-
programms geht eine erfolgreiche Bewer-
bung und eine Gebühr voraus. „Summer
School“ heißt das Angebot, das drei Inten-
sivkurse bietet, die auf aktuelle Entwick-
lungen in der Branche reagieren. Neben

einem Kurs zu Filmmusik, der in Koopera-
tion mit der Hochschule für Musik und The-
ater gehalten wird, gibt es zwei besondere
Angebote: zum einen den einmonatigen Se-
rien-Workshop, der bereits vergangenes
Jahr stattfand und neben einer Auswahl an
internationalen Vortragenden vor allem
durch den „Speed Pitch“ am Ende des Kur-
ses heraussticht. Dort präsentieren die Teil-
nehmer ihre Ergebnisse vor Branchenver-
tretern, darunter Profis von Fernsehsen-
dern und Streamingdiensten.
Erstmalig findet eine Schreibwerkstatt
für Frauen statt, das „Women Writing
Lab“. „Wow, wenn ich gewusst hätte, dass

sie hier einen Kurs gibt, hätte ich ihn auf
jeden Fall besucht“, sagt die Autorin Anna
Winger. Gleich wird sie in dem Serien-
Workshop dozieren. Winger ist Erfinderin
und Autorin der Serie „Deutschland
83/86/89“, die mit einem Emmy ausge-
zeichnet wurde. Gerade hat sie den Welt-
bestseller „Unorthodox“ als Miniserie für
Netflix adaptiert. Die Frau, bei der Anna
Winger gerne einen Kurs besucht hätte, ist
Robin Swicord. Die Drehbuchautorin und
Regisseurin ist für Drehbücher von Filmen
wie „Die Geisha“ (2005) und „Matilda“
(1996) bekannt. Für ihre Mitarbeit am
Drehbuch von „Der seltsame Fall des Benja-
min Button“ erhielt sie 2009 eine Oscar-
Nominierung. In diesem Sommer ist die
US-Amerikanerin die Mentorin des „Wo-
men Writing Lab“ an der HFF. Zu diesem
haben außer ihr und den Teilnehmerinnen
niemand Zutritt, die Organisatoren der
„Summer School“ und Journalisten dür-
fen nicht dabei sein, da der Kurs ein inti-
mer Rahmen sein soll, in dem die Frauen
sich komplett öffnen können. „In Drehbü-
chern steckt oft viel von einem selbst. Das
zu bemerken und sich zu offenbaren, ist
sehr schwer“, sagt Swicord, die auch im Se-
rien-Workshop dozieren wird. „Wenn ich
Mentorin bin, arbeite ich eins zu eins mit
der Person und ihrem Stück. Bei einer Klas-
se versuche ich, ihnen gewisse Konzepte
zu erläutern, damit sie diese auf ihre Dreh-
bücher anwenden können.“
Ein Nachmittag im Serien-Workshop.
Swicord erläutert kurz einige Aspekte aus
der Poetik des Aristoteles und macht mit

den Teilnehmern eine Mindmap, die an-
hand von „Der Zauberer von Oz“ zeigt, wie
Figuren angelegt werden und wie viel vom
Autor in der Geschichte steckt. Den Vor-
trag über Charakterentwicklung hat sie in
beiden Kursen gehalten.
Brauchen Frauen denn überhaupt eine
besondere Förderung? Robin Swicord
zögert. „Sie werden sehr oft übersehen.
Männer stellen eher Männer ein, egal wie
gut die Frauen sind. Deswegen müssen wir
sie fördern und einen eigenen Weg finden.“
Das würde durch Vernetzung und Schreib-
angebote für Frauen realisiert. „Wir brau-
chen eine Frauenquote. Niemand gibt frei-
willig Macht ab“, findet Anna Winger. Die
Frage nach der Rolle von Frauen in der
Filmbranche stellt sich durch das Kurs-
angebot zwangsweise. „Wir mussten da
einfach reagieren, das ist so ein wichtiges
Thema“, sagt Elena Diesbach, die Gesamt-
leiterin der „Summer School“.

Sie bringt Leute zusammen und koordi-
niert alles, kümmert sich um die Dozieren-
den aus aller Welt. Einer von ihnen ist Nico-
la Lusuardi, Drehbuchautor und Berater
von Sky Italien. Während Swicord in ihren
Kursen sanft und mit Anekdoten aus ihrer
Kindheit die Wichtigkeit von ausgefeilten,
authentischen Charakteren mit Dramen-
theorie verbindet, springt Nicola Lusuardi

während seines Vortrages irgendwann von
der kleinen Bühne des Kinosaals, in dem er
leidenschaftlich doziert. Er läuft zwischen
den Teilnehmern herum, spricht sie direkt
an und appelliert an ihre Fähigkeit, zu ver-
stehen: Menschen, Handlungen, Motive.
Wie bei Swicord ist der Kurs inhaltlich eine
Mischung aus Psychoanalyse und Drama-
turgieseminar, jedoch stärker auf Serien
ausgelegt.
Bringt der Workshop die Autoren wei-
ter? Ein Teilnehmer steht vor der HFF, er
hat an einer anderen Film-Uni studiert und
freut sich, diesen Kurs belegt zu haben. Ob
er sich extra wegen des Pitches angemel-
det hat? Nein, präsentieren könne man
überall. Auch wenn er einige Kursinhalte
schon kenne, der Austausch und die neuen
Inspirationen würden ihm sehr helfen.
Neue Netzwerke, stärkere Förderung
von Frauen in der Filmindustrie, die Zu-
kunft der Drehbuchautoren, die Zukunft
überhaupt – diese Themen schweben über
dem Serien-Workshop und dem Schreibla-
bor der „Summer School“. Serien boomen,
die Filmbranche ist seit einiger Zeit struk-
turell und ideell in einem Umbruch. Lusu-
ardi wünscht sich, dass junge Autoren die
Möglichkeit haben, kreativ und wertge-
schätzt zu arbeiten. Anna Winger, die histo-
rische Ereignisse gerne als Allegorie zu mo-
dernen Geschehnissen inszeniert, macht
sich Sorgen um die Entwicklung der Welt
und sieht Serien als eine Möglichkeit, diese
darzustellen. Robin Swicord schaut gedan-
kenverloren. „Ich wünsche mir, dass Ge-
schichten die Welt retten können.“

München– Wenn man wissen will, wie ein
Trautonium klingt, dann fragt man am bes-
ten Peter Pichler, der zeigt es einem dann.
Pichler ist seit geraumer Zeit vernarrt in
dieses Ding, das in den ganz späten Zwanzi-
gerjahren des vergangenen Jahrhunderts
erfunden wurde, in Berlin, das damals in
vielerlei Hinsicht die Hauptstadt der Zu-
kunft war. Passt. Das Trautonium ist eine
Art Ur-Synthesizer, erbaut von Friedrich
Trautwein, gespielt von Oskar Sala, mit
Kompositionen gefüttert von Paul Hinde-
mith. Oder auch von Harald Genzmer; mit
dessen Trautonium-Kompositionen hat
Pichler bereits eine CD aufgenommen.
Jüngst war er übrigens in Australien mit
dem fiependen, grollenden, schnaufenden
Wunderkasten auf Tour gewesen; die CD,
die Pichler davon mitbrachte, ist eine fabel-
hafte Mixtur aus Karneval, Volksfest,
Avantgarde, und auch Pichlers eigene Ver-
gangenheit mit der BandNo Goodsschim-
mert hindurch.
Nun verliebte sich das Bremer Ensem-
ble New Babylon gleichermaßen in das In-
strument, das, bevor die Nazis an die
Macht kamen, eine glänzende Zukunft als
frühes Techno-Heimstudio für jeden hätte
haben können, und gab Kompositionen in
Auftrag. Im Einstein, dessen Eingangsbe-
reich an diesem Abend wieder riecht wie
eine Biomülltonne, konnte man die hören,
neben einem zauberhaften Konzertstück
von Hindemith, ein paar Stücken von Genz-
mer sowie Pichlers Einführung. Großartig
Dganit Elyakims – geboren 1977 in Israel –
narrative Musikwaschmaschine „Plagia-
Rhythm“ zwischen Volksmusik und Kino-
score. Beeindruckend im Ausloten von
Klang und Konsequenz ist „Tristia“ von
Snežana Nešić, verspielt und eher undurch-
schaubar: „Missed extinction“ von Alexan-
der F. Müller. Alle drei Neukompositionen
schreiben exakt die Klangfilter vor – Sir-
ren, Brummen, Orgeln oder einfach Klang
leben wie ein Organismus –, bauen das
Trautonium in den Ensembleklang ein,
spielen mit dessen freier Aura der nicht do-
mestizierten, nicht temperierten Stim-
mung. Aufregend. egbert tholl

München–Etliche bayerische Verlage wer-
den mit dem ersten Deutschen Verlags-
preis ausgezeichnet. Unter den 63 bundes-
weit ausgewählten Verlagen, die Kultur-
staatsministerin Monika Grütters bekannt
gab, sind Ars Vivendi im fränkischen Ca-
dolzburg und der Maro Verlag in Augs-
burg; aus München sind Liebeskind, der
Sachbuchverlag Edition Michael Fischer,
die Kinder- und Jugendbuchverlage Mixt-
vision und Tulipan sowie der Kunstbuch-
verlag Schirmer/Mosel dabei. Sie alle erhal-
ten ein Gütesiegel für ihre „hervorragende
gesamtverlegerische Tätigkeit“ und eine
Prämie von je 15 000 Euro. Die Preise wer-
den am 18. Oktober auf der Frankfurter
Buchmesse verliehen; dann sollen außer-
dem drei weitere, mit je 60 000 Euro dotier-
te Preise bekannt gegeben werden. aw

Gockeltanz


Das englische Elektro-Punk-Duo
„Sleaford Mods“ im Backstage

Lernen von der Meisterin


Die Hochschule für Fernsehen und Film öffnet sich. Bei der „Summer School“ geben Profis wie die


Oscar-nominierte Autorin Robin Swicord Kurse für Besucher. Im Fokus: Serien und Frauen


Neuerern


auf der Spur


Die Programmhöhepunkte
der Jüdischen Kulturtage

Einfach mal unbekümmert


Vieleder Galeriekooperationen von „Various Others“ offenbaren kindlich-spielerisches Potenzial


Wunderkasten


Das Ensemble New Babylon,
Peter Pichler und das Trautonium

Geld und Gütesiegel


für bayerische Verlage


„Wir brauchen eine Frauenquote.
Niemand gibt freiwillig Macht ab“,
sagt die Autorin Anna Winger

Robin Swicord sagt: „Ich wünsche
mir, dass Geschichten
die Welt retten können.“

Ausgefeilte, authentische Charaktere wünscht sich die Dozentin Robin Swicord. Das Bild zeigt eine Szene aus ihrem Film „Der Jane Austen Club“ (2007). FOTO: SONY

KURZKRITIK


Georg Stefan Trollers


Erfahrungenmit dem Eros



R16 – (^) KULTUR Mittwoch,18. September 2019, Nr. 216 DEFGH

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