Handelsblatt - 18.09.2019

(Sean Pound) #1
„Es gibt keinen Fortschritt,
das ist absolut klar.“
Manfred Weber, Fraktionschef der
Europäischen Volkspartei im EU-Parlament,
widerspricht dem britischen Premierminister
Boris Johnson im Brexit-Streit auf ganzer Linie.

„Offizielle Vertreter des
Irans werden niemals
mit amerikanischen
Vertretern reden, auf
keiner Ebene.“
Ajatollah Ali Chamenei, geistliches und
politisches Oberhaupt des Irans

Stimmen weltweit


Die „Neue Zürcher Zeitung“ kommentiert am
Dienstag den Angriff auf saudi-arabische
Ölanlagen:

D


er Luftangriff auf das Herz der saudi-
schen Erdölindustrie hat den Hoffnun-
gen auf eine Beruhigung der Lage am
Golf einen jähen Schlag versetzt. Die angeblich
mit bis zu zwanzig Drohnen oder Marschflugkör-
pern verübte Attacke geht weit über die militäri-
schen Nadelstiche hinaus, die Iran oder proirani-
sche Milizen in den vergangenen Monaten auf
Tanker und Erdöleinrichtungen in der Region
ausgeführt haben. (...)
Sollte der Befehl zur Attacke vom Samstag auf
die größte Erdölaufbereitungsanlage der Welt di-
rekt aus Teheran gekommen sein, so wäre dies
ein Wendepunkt, der Beginn eines direkten Krie-
ges gegen den Erzrivalen am Golf. Eine solche
Aggression könnten weder die Saudis noch die
Amerikaner hinnehmen. Es müsste auch ein hin-
reichender Grund für den UN-Sicherheitsrat
sein, neue Strafmaßnahmen gegen Iran zu be-
schließen.

Zum Angriff auf Ölanlagen in Saudi-Arabien
heißt es am Dienstag im Zürcher
„Tages-Anzeiger“:

U


S-Experten werden nun Tausende Satelli-
tenaufnahmen auswerten. Aber ein Be-
weis, der sich der Weltöffentlichkeit über-
zeugend präsentieren ließe, wird sich wohl nicht
so einfach finden lassen (zumal die Glaubwürdig-
keit der Amerikaner seit dem Krieg gegen Sad-
dam Hussein schwer gelitten hat). Sollten die Ira-
ner wirklich die Finger im Spiel haben, werden
sie darauf geachtet haben, keine Spuren zu hin-
terlassen. (...) Sollte Teheran versucht haben,
mithilfe der Huthis oder einer anderen Schiiten-
miliz den USA Grenzen aufzuzeigen, wäre die
Botschaft unmissverständlich: Die USA können
angreifen, aber sie werden einen hohen Preis
zahlen. Als Anführer einer Supermacht mit die-
ser Art von asymmetrischer Kriegsführung um-
zugehen erfordert mehr taktisches Gespür, als
dpa (2), AFPman es einem Trump zutrauen kann.

Zum Angriff auf saudi-arabische Ölanlagen
schreibt die spanische Zeitung „La Vanguardia“
am Dienstag:

D


as Schlimmste ist, dass die Attacken die
große Verwundbarkeit der saudischen
Ölanlagen bei Angriffen mit Sprengstoff-
Drohnen offenbaren. Die Anlagen sind über das
ganze Land verteilt, und Saudi-Arabien verfügt
nicht über die geeigneten Mittel, um sich zu ver-
teidigen. (...) Eine Militärintervention der USA
gegen den Iran, wie sie nun von (US-Präsident
Donald) Trump erwogen wird, wäre allerdings
ein Fehler mit unvorhersehbaren Folgen. (...) Es
ist wichtig, dass sich die Besonnenheit durch-
setzt. In diesem Sinne wäre es sehr positiv, wenn
das Treffen zwischen Trump und dem iranischen
Präsidenten Hassan Ruhani wie ursprünglich ge-
plant nächste Woche am Rande der UN-General-
versammlung in New York stattfinden könnte.
Zurzeit ist die Spannung aber zum Zerreißen.

W


enn in der kommenden Woche die Staaten-
lenker zur UN-Generalversammlung strö-
men, werden sie Zeuge einer schizophrenen
US-Außenpolitik. 17 Monate nachdem Donald Trump
den Rückzug aus dem Internationalen Atomabkommen
verkündete, ist der Irankonflikt kein Stück näher an ei-
ner Befriedung, sondern steuert auf eine Eskalation zu.
Trump hat sich in eine Falle manövriert, die sich mit je-
der neuen Provokation aus Teheran weiter schließt. So
erklärte der Präsident nach den Angriffen auf eine sau-
di-arabische Ölraffinerie, die USA stünden „mit gelade-
ner Waffe“ bereit – nur um wenig später zu betonen, er
wolle einen militärischen Konflikt vermeiden. Wider-
sprüchliche Signale wie diese zeigen, dass Trump mit
der Komplexität seines Amtes überfordert ist. Denn der
Irankonflikt ist nichts, was sich auf die Schnelle mit
Strafzöllen oder einem symbolischen Händedruck vor
Kameras lösen ließe. Auf der einen Seite will Trump ei-
ne Intervention in Nahost vermeiden. Auch deshalb
weil er zur Wiederwahl mit dem Versprechen antritt,
die USA aus Konflikten herauszuhalten. Doch gleichzei-


tig scheint Trump es nicht zu ertragen, vor seinen An-
hängern als zaghaft dazustehen. Er hält den Willen zu
politischen Kompromissen für Schwäche.
Für den Moment will Trump seinen Außenminister
nach Saudi-Arabien schicken, um weitere Schritte zu
erörtern. Die USA öffnen damit die Tür für eine Koope-
ration, noch bevor sie wissen, was sie konkret unter-
nehmen wollen. Unter anderen Umständen würde ein
US-Präsident dafür gelobt werden, dass er eine Situati-
on ausloten will, bevor Entscheidungen fallen. Doch
hinter Trumps Manövern verbirgt sich keine Besonnen-
heit, sondern gefährliche Ratlosigkeit. Seit Monaten
nehmen die Drohgebärden zwischen Washington und
Teheran an Intensität zu, eine klares Ziel der USA ist
nicht erkennbar. Die Chance einer unfreiwilligen Eska-
lation steigt, zumal die diplomatischen Drähte zwi-
schen Washington und Teheran weitgehend dahin sind.
Inzwischen kann Trump nur noch zwischen schlech-
ten Optionen wählen: Ist der Iran für die Angriffe ver-
antwortlich und unternimmt Trump nichts, wirken sei-
ne Drohungen müde und hohl, die USA stünden schwä-
cher da denn je. Das würde den Iran ermutigen, weitere
Angriffe in der Region zu unternehmen und die Welt-
wirtschaft durch Attacken auf Tanker und Infrastruktur
zu gefährden. Greift Trump unbedacht zu militärischen
Mitteln, sind die geopolitischen Folgen kaum kalkulier-
bar. Spätestens jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, sich in-
ternational und im Konsens über einen Ausweg zu bera-
ten. Doch die Grundlagen dafür hat Trump mutwillig
zerstört, als er sich dazu entschied, europäische Part-
ner regelmäßig vor den Kopf zu stoßen.

Irankonflikt


Trump in der Falle


Dem US-Präsidenten gehen im
Irankonflikt die Optionen aus.
Widersprüchliche Signale erhöhen
die Gefahr einer Eskalation, meint
Annett Meiritz.

Die Autorin ist Korrespondentin in Washington.
Sie erreichen sie unter:
[email protected]

Wirtschaft & Politik


MITTWOCH, 18. SEPTEMBER 2019, NR. 180
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