Handelsblatt - 18.09.2019

(Sean Pound) #1
Christian Schnell München

D


er öffentliche Aufschrei
gegen die beliebten
sportlichen Geländewa-
gen – kurz SUVs ge-
nannt – ist in diesen Ta-
gen allgegenwärtig. Zu groß, zu um-
weltschädlich, ein zu hohes Risiko für
Unfallgegner im Schadensfall, tönt es
aus allen Ecken. Nun kommt ein wei-
teres abschreckendes Detail dazu: Die
Versicherungsprämien speziell für die-
se Fahrzeugklasse werden im kom-
menden Jahr stärker steigen als für Li-
mousinen oder Kleinfahrzeuge.
Das geht aus der neuen Typklassen-
statistik hervor, die der Branchenver-
band GDV am Dienstag präsentiert
hat. Dabei sehen sich die Versicherer
die Schäden an, die sich in den voran-
gegangenen drei Jahren mit den jewei-
ligen Fahrzeugen ereignet haben.
Rund 30 000 Modelle und deren
Schadensbilanzen werden durchfors-
tet. Das Prinzip ist denkbar einfach:
Ereignen sich mit einem Modell nur
geringe Schäden bei überschaubaren
Reparaturkosten, dann landet es in ei-
ner niedrigen Typklasse, bei umge-
kehrtem Verlauf in einer höheren.
Dabei ist zwischen der Haftpflicht,
der Teilkasko- und der Vollkaskoversi-
cherung zu unterscheiden. Bei der nor-
malen Haftpflicht, die bei einem vom
Versicherungsnehmer verursachten
Schaden nur den Schaden des Unfall-
gegners übernimmt, gibt es 16 Typklas-
sen, von 10 (sehr günstig) bis 25 (sehr
teuer). Bei der Teilkasko, die zudem

für Diebstahl, Glasschaden oder Wild-
unfall aufkommt, sind es 24 Typklas-
sen, von 10 bis 33. Und bei der Vollkas-
ko, die für eigene und fremde Schäden
haftet, erreicht die Spannbreite 25 Typ-
klassen, von 10 bis 34. Die Einordnung
eines Modells in eine Typklasse ist für
die Versicherer zwar nicht bindend,
die meisten in der Branche halten sich
jedoch an die Vorlage des Verbands.
Neben der Typklasse ist die Regio-
nalklasse das zweite wichtige Kriteri-
um für die Prämie. Wer in einer Ge-
gend mit hohen Schäden wohnt, zahlt
ebenfalls mehr. Darauf hat ein Fahr-
zeughalter jedoch kaum Einfluss.
So weit die Theorie. In der Praxis
ändert sich dadurch im kommenden
Jahr für die Halter von rund elf Millio-
nen der insgesamt über 40 Millionen
zugelassenen Autos im Land etwas an
den Versicherungsbeiträgen. Für etwa
4,6 Millionen wird es günstiger, dage-
gen für 6,5 Millionen teurer.
Das gilt besonders für SUVs, sind
diese teuren Fahrzeuge doch in der
Regel finanziert oder geleast. Dafür
verlangen die Autobanken dann eine
Vollkaskoversicherung, bei der auch
der Wert des Fahrzeugs eine erhebli-
che Rolle in der Ermittlung der Prä-
mie spielt. Entsprechend wird es
laut GDV für Besitzer eines Lexus
RX450H oder eines BMW X6M be-
sonders teuer. Halter dieser außer-
gewöhnlichen Modelle – eine Mi-
schung aus SUV und Coupé – berich-

teten bereits im Vorjahr, dass bei
ihnen die Prämie für Haftpflicht und
Vollkasko von rund 1 600 Euro auf
satte 4 000 Euro pro Jahr angezogen
habe.

Autodiebe lieben SUVs
An der Tendenz nach oben dürfte sich
bei den SUVs von BMW in Zukunft
nichts ändern. Das liegt auch daran,
dass sie sich bei Autodieben weiter ei-
ner hohen Beliebtheit erfreuen. Auch
das wirkt sich auf die Prämien aus.
„Der BMW X5 gehört wegen hoher
Diebstahl- und Aufbruchzahlen zu
den teuersten Modellen in der Kfz-
Versicherung“, beobachtet Michael
Pickel, Chef der im Kfz-Gewerbe star-
ken E+S Rückversicherung.

Hinzu kommen die seit Jahren deut-
lich steigenden Ersatzteilpreise und
Lohnkosten, die beispielsweise der
Marktführer Huk-Coburg beklagt. Da
anders als früher inzwischen selbst in
einfachen Bauteilen wie Frontscheiben
oder Blinkern jede Menge Elektronik
steckt, haben die Preise hier in den
vergangenen Jahren rapide angezogen.
Nach einer Auswertung des Ver-
gleichsportals Check 24, die sich an-
hand eines Modellbeispiels auf Haft-
pflichtprämien von 300 Modellen im
kommenden Jahr bezieht, befinden
sich unter den Top Five vier beson-
ders große SUVs, darunter der Audi
A7 3.0 TDI Quattro, die BMWs X5 und
X6 in den Varianten Sd und D sowie
der Mercedes ML 270 CDI 4MATIC.

An erster Stelle steht jedoch mit
dem Kia Carnival 2,9 CRDi kein SUV,
sondern ein Großraum-Van. „Die Typ-
klassen spiegeln unter anderen die
Unfallbilanzen der Automodelle sowie
die Reparaturkosten für geschädigte
Unfallgegner wider“, betont Tobias
Stuber, Geschäftsführer Kfz-Versiche-
rung bei Check 24. So kommt es, dass
der Kia im Beispiel rund 100 Euro
mehr an Haftpflicht pro Jahr kostet als
der Mercedes ML.
Umgekehrt können sich Fahrer von
kleineren Modellen im kommenden
Jahr häufig über sinkende Prämien
freuen. Besonders deutlich macht sich
das nach GDV-Berechnungen bei Au-
tos wie dem VW T-Roc 1,5 TSI und
dem Kia Stonic 1,2 bemerkbar, die bei-
de in der Haftpflicht um gleich vier
Typklassen nach unten rutschen.
Beim Honda Jazz Hybrid sind es drei
Klassen, beim Skoda Octavia 1,2 TSI
immerhin noch zwei. Bei den meisten
betroffenen Modellen ändert sich in-
des nur eine Typklasse nach oben
oder nach unten.
Auch in der Kaskoversicherung kön-
nen sich vor allem Halter von kleine-
ren Modellen über niedrige Typklas-
sen und damit günstige Beiträge freu-
en. Beispiele dafür sind der elektrisch
betriebene Smart Forfour ED oder der
Suzuki Ignis 1,2. Die generelle Ten-
denz schaut hier jedoch anders aus.
„Gerade in der Vollkasko haben die
Preise zuletzt überdurchschnittlich
angezogen“, weiß Pickel von E+S. Wer
genau wissen will, was sich bei seinem
eigenen Auto ändert, der kann sich im
Internet unter http://www.typklasse.de in-
formieren.

Hohe Prämien für Camper
Allerdings sind die Versicherer äußerst
geschickt darin, Trends im Kfz-Markt
zu ihren Gunsten auszunutzen. Zugu-
te kommt ihnen dabei, dass die Zahl
der zugelassenen Fahrzeuge im Land
seit Jahren ansteigt. Der Zweitwagen
gehört inzwischen in vielen Familien
zum Standard, der Trend geht seit ge-
raumer Zeit sogar zum Drittwagen.
Besonders Wohnmobile erfreuen
sich wachsender Beliebtheit. Laut
Kraftfahrt-Bundesamt ist die Zahl der
zugelassenen Fahrzeuge in diesem
Jahr noch einmal rasant gestiegen.
532 687 Fahrzeuge lassen sich in der
neuesten Auswertung der Flensburger
Behörde finden, ein Rekord. Im ver-
gangenen Jahr waren es noch knapp
487 000, ein Plus von fast zehn Pro-
zent binnen eines Jahres. Noch zu Be-
ginn dieses Jahrzehnts standen an die-
ser Stelle nur 330 000 Fahrzeuge.
Für die Versicherer sind die vielen
neuen Freizeitmobile und speziell die
beliebten Camper eine willkommene
Nische, in der sich gutes Geld verdie-
nen lässt – sind die Prämien hier doch
signifikant höher als bei herkömmli-
chen Pkws. „Eine Vollkaskoversiche-
rung kann hier bei der Jahresprämie
schnell in Richtung 2 000 Euro ge-
hen“, nennt Pickel teure Details des
Freizeittrends.
Spannend dürfte in den kommen-
den Jahren die Entwicklung bei der
wachsenden Zahl von Elektroautos
werden. Im Moment sind diese dank
geringer Unfallschäden und nur
weniger Diebstähle relativ günstig in
der Versicherung. Im Ranking von
Check 24 unter 300 Modellen steht
der BMW i3 bei den Haftpflichtprä-
mien im Moment noch auf Rang 268,
der Renault ZOE gar auf Platz 290.
Das muss allerdings nicht für alle
Zeit so bleiben. Schon jetzt weisen
Experten auf neue Gefahren bei Elek-
troautos hin, beispielsweise einem
möglichen Brand der Batterie.

Autoversicherung


Teure


Geländewagen –


günstige E-Autos


Die neuen Typklassen der Versicherer haben im


nächsten Jahr Konsequenzen für elf Millionen


Autofahrer in Deutschland.


BMW X5: Die Ver-
sicherungsprämie
für den großen
SUV ist besonders
teuer.

BMW

6,5


MILLIONEN
Fahrzeughalter müssen im
kommenden Jahr mit steigenden
Prämien rechnen.

Quelle: GDV

Private Geldanlage
MITTWOCH, 18. SEPTEMBER 2019, NR. 180
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