Handelsblatt - 18.09.2019

(Sean Pound) #1
Cristina Stenbeck

Ein bisschen weniger Berlin


E


s war ein Schock: Der Aktien-
kurs von Zalando stürzte am
Dienstag zeitweise um mehr
als elf Prozent ab. Auslöser der Tur-
bulenzen war eine der mächtigsten
Frauen Schwedens: Cristina Sten-
beck. Die 41-Jährige verkaufte ein gro-
ßes Aktienpaket des Online-Mode-
hauses. Damit sank der Anteil ihrer
Kinnevik-Holding an dem Berliner
Unternehmen von 31 auf knapp 26
Prozent – und bescherte ihrer Beteili-
gungsfirma einen Verkaufserlös von
rund 558 Millionen Euro.
Ihre Überraschungsaktion löste
Ängste aus, dass sich Kinnevik bei
Zalando ganz zurückziehen könnte.
Kinnevik-Chef Georgi Ganev erklärte
den Schritt aber damit, das „Investiti-
onstempo aufrechtzuerhalten“, um
den Anteil an nicht börsennotierten
Firmen zu erhöhen.
Stenbecks Interesse an Zalando ist
nach wie vor groß. Erst im Mai hat sie
den Chefposten im Aufsichtsrat über-
nommen. Sie freue sich auf ihre Auf-
gabe, der neue Vorstand würde „die
Weichen für die nächsten zehn Jah-
re“ stellen, wurde sie in einer Mittei-
lung zitiert.
Es ist nicht das erste Mal, dass
Stenbeck die Börse überrascht. Vor
zwei Jahren hatte sie in Schweden für
Aufsehen gesorgt, als sie plötzlich
den Vorsitz des Aufsichtsrats bei Kin-
nevik abgab. Inzwischen hat sie sich
sogar komplett aus dem Gremium

zurückgezogen. Sie wolle mehr „Zeit
für die Dinge haben, die einen Mehr-
wert für unser Unternehmen bedeu-
ten, und neue Geschäftsideen finden
und entwickeln“, sagte sie damals in
einem ihrer seltenen Interviews der
schwedischen Zeitung „Svenska Dag-
bladet“.
Denn sie ist niemand, der Verant-
wortung scheut: Sie war gerade 24
Jahre alt, als ihr Vater, der charismati-
sche Jan Stenbeck, 2002 im Alter von
59 Jahren an einem Herzinfarkt starb.
Seine Tochter, geboren in New York
und bei der amerikanischen Mutter
aufgewachsen, arbeitete da erst zwei
Jahre in der Marketingabteilung des
Luxusmodeherstellers Ralph Lauren.
Viele hatten deshalb Zweifel, ob sie
der Aufgabe gewachsen sei. Doch sie
war es und krempelte den Kinnevik-
Konzern um, den ihr Großvater vor 83
Jahren gegründet hatte: von der Kon-
zentration auf Medienfirmen hin zu
Beteiligungen im Onlinegeschäft, wie
etwa am damaligen Start-up Zalando.
Bei den Berlinern ist ihre Erfah-
rung in den nächsten Jahren gefragt.
Zalando muss sich vom Internetver-
sender zu einer umfassenden Mode-
plattform wandeln, um sich gegen-
über Konkurrenten wie Amazon zu
behaupten. Es geht darum, das Kos-
metikgeschäft auszubauen, den Um-
satz pro Bestellung zu erhöhen und
die Pakete noch schneller zu den
Kunden zu bringen.
Wie lange Cristina Stenbeck als
Aufsichtsratschefin bei Zalando zur
Verfügung stehen wird, ist allerdings
offen. Schon einmal führte sie das
Kontrollgremium und trat dann 2016
völlig überraschend ab.
Georg Weishaupt

Philipp Haindl

Prominentes Übernahmeziel


Z


ehn Firmen hat Philipp Haindl
bereits übernommen, es wa-
ren weitgehend unbekannte
Namen. Nun bedient sich der Unter-
nehmer mit seiner Mittelstandshol-
ding Serafin erstmals bei einem be-
kannten börsennotierten Konzern:
Vom Kunststoffhersteller Covestro
übernimmt er das europäische Ge-
schäft mit Polycarbonatplatten.
Covestro ist 2015 aus dem Unter-
nehmen Bayer Material Science her-
vorgegangen und gehört mit 14,6 Mil-
liarden Euro Umsatz zu den größten
Kunststoffherstellern der Welt. Das
Geschäft mit den Polycarbonatplat-
ten hat Covestro in anderen Regio-
nen bereits abgestoßen.
Über den Kaufpreis haben beide
Seiten Stillschweigen vereinbart. 2018
erwirtschaftete die nun von Covestro
abgespaltene Sparte rund 130 Millio-
nen Euro Umsatz mit 250 Mitarbei-
tern.

Das von Haindl und seinen beiden
Mitstreitern Falk Daum und Dino Kit-
zinger ausgegebene Jahresziel von
rund 800 Millionen Euro Umsatz hät-
te die Serafin-Gruppe daher schon
übertroffen. „Die Umsatzmilliarde
war unser erklärtes Ziel für 2022, das
werden wir wohl früher erreichen“,
sagt Haindl dem Handelsblatt. „Wir
stellen aber nicht das Arbeiten ein.“
Inzwischen ist Haindl so umtriebig
mit seiner Serafin-Gruppe, dass er
immer mehr Aufmerksamkeit für sei-
nen Wachstumskurs erhält. Mit dem
neuen Geschäft sind es insgesamt elf
Portfoliofirmen, die Haindl und sein
rund 30 Mitglieder starkes Team von
München aus managt. Mehr als 40
Leute will er aber nicht beschäftigen.
Misserfolge seien normal, findet
der 40-Jährige. So gingen seine Gerst-
hofer Backbetriebe in die Insolvenz.
Haindl versteht Serafin als interne
Beratung für die Beteiligungsfirmen.
Regelmäßig werden Manager aus der
Holding entsandt.
Erst im Juli tätigten die Bayern mit
der Übernahme des spanischen Bo-
denbelagherstellers RCR mit 170 Mil-
lionen Euro den größten Zukauf seit
der Firmengründung 2010. Haindl

sieht sich in der 150-jährigen Traditi-
on des Familienunternehmens
Haindl Papier, das die 32 Gesellschaf-
ter 2001 an den Konzern UPM Kym-
mene verkauften. Damals setzte das
Familienunternehmen 1,6 Milliarden
Euro um und beschäftigte 4 000 Mit-
arbeiter. In den Beteiligungen von Se-
rafin sind es mehr als 5 000. Der Ab-
solvent der London School of Econo-
mics sammelte Erfahrungen im
Family Office, bei KPMG und bei ei-
nem Finanzinvestor, bevor er Serafin
gründete. Anja Müller

Oliver Schuster

Der Finanzchef
führt jetzt Vossloh

Der Chef des Verkehrstechnikkon-
zerns Vossloh, Andreas Busemann,
räumt seinen Posten bereits ein hal-
bes Jahr vor Ablauf der vorgesehe-
nen Amtszeit. Der Aufsichtsrat habe
sich mit Busemann „einvernehm-
lich darauf verständigt“, dass dieser
sein Amt Ende September niederle-
gen werde, teilte Vossloh mit. Nach-
folger wird demnach der derzeitige
Finanzchef Oliver Schuster. Buse-
mann ist seit April 2017 Vorstands-
vorsitzender bei Vossloh — sein Ver-
trag lief eigentlich noch bis Ende
März kommenden Jahres. Im Zuge
des Abgangs von Busemann werde
der Vorstand zudem von drei auf
zwei Mitglieder reduziert. Das Un-
ternehmen gehört mehrheitlich
dem Münchner Unternehmer Heinz
Hermann Thiele. dpa

Philipp Haindl: Die
Mittelstandsholding
als interne Beratung.

Michael Huber

Platz für neuen
Chef von Trilux

Michael Huber, 69, war lange Jahre
Generalbevollmächtigter gleich
zweier Sauerländer Familienunter-
nehmen: Bei der Brauerei Veltins
und beim Leuchtenhersteller Tri-
lux. Bei Veltins bleibt er, bei Trilux
wechselt Huber nun in den Auf-
sichtsrat. Seine Aufgaben über-
nimmt als Vorsitzender der Ge-
schäftsführung Guillermo de Peña-
randa, der bereits seit April 2019
der Führungsspitze angehört. Darü-
ber hinaus wird der langjährige
Technikchef Dietmar Zembrot das
Unternehmen mit 681 Millionen
Euro Umsatz und 5 000 Mitarbei-
tern verlassen. De Peñaranda, 42,
arbeitete zuvor bei Thyssen-Krupp
und Bosch. am

Christian Remy

Müller ordnet die
Konzernspitze

Mit dem schrittweisen Rückzug des
Patriarchen Erwin Müller, 87, kris-
tallisiert sich bei seinem Drogerie-
Imperium so langsam die neue Un-
ternehmensspitze heraus. Ab Okto-
ber wird Christian Remy neuer
Finanzchef der Müller Holding. Der
31-Jährige hat bereits im Juli als Lei-
ter Konzernsteuern bei Müller ange-
fangen, geht aber nun sofort den
nächsten Schritt. Remy ist der
Wunschkandidat von Günther
Helm, der seit Juli das Drogerieun-
ternehmen leitet. Remy hat als
Steuerinspektor bei der Finanzver-
waltung angefangen, war fünf Jahre
als Steuerberater bei Aldi Süd und
wechselte dann als Funktionsbe-
reichsleiter Konzernsteuern Inter-
Unternehmensgruppe Serafin national zu Rewe. Florian Kolf


Cristina Stenbeck:
Verkauf von
Zalando- Aktien
bringt mehr als eine
halbe Milliarde Euro.

Oskar Omne

Vossloh
Die neue Aufsichtsratschefin
von Zalando verkauft ein
großes Aktienpaket und sorgt
damit für einen Kurssturz des
Onlineversenders.

Der Chef der Mittelstands-
Holding hat nun elf Unter-
nehmen gekauft. Mit der
Übernahme eines Covestro-
Teils legt er an Tempo zu.

Familienunternehmen des Tages


MITTWOCH, 18. SEPTEMBER 2019, NR. 180
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