Handelsblatt - 18.09.2019

(Sean Pound) #1

Sonderveröffentlichung zum Thema „RESTRUKTURIERUNG UND TRANSFORMATION“ | September 2019 HandelsblattJournal


BEST PRACTICE 15


Entscheidung zu hinterfragen und gutzuheißen. Das
bedeutet im Klartext, dass ich jeden Veränderungs-


schritt zuerst in seiner gesamten Tragweite verstehen
und durchdringen will. Es kann für unsere Experten
manchmal anstrengend werden, wenn sie mit ihrem


Fachvokabular ankommen und sich von mir gefal-
len lassen müssen, dass ich sie immer wieder frage:
Was bedeutet das konkret? Wo fangen wir an? Wer ist


verantwortlich?
Dieses Hinterfragen hat sich als ein mächtiges Ins-
trument herausgestellt. Jeder von uns muss zu jedem


Zeitpunkt alles, was er tut, verständlich machen und
erklären können. Nicht nur mir, sondern genauso
allen anderen Mitarbeitern. Der Beginn jeder Verän-


derung liegt im Verstehen des Ist-Zustands.
Sowohl Schneekoppe als auch Sixtus stellen gute,
wertvolle Produkte her. Das steht außer Frage. Wir


betrachteten zuerst das Gesamtangebot und über-
prüften, ob tatsächlich alle Produkte noch in unsere
Zeit passen. Produkte, die diese Anforderung nicht


erfüllen, nahmen wir vom Markt.
Dann durchleuchteten wir die Produktionspro-
zesse: Entsprechen sie den modernsten technischen


und ökonomischen Anforderungen? Wo können
wir optimieren? Wo müssen wir möglicherweise die
Reset-Taste drücken und ganz von vorne anfangen?


Besonderes Augenmerk schenkten wir den Ver-
triebswegen. Wie können wir sicherstellen, dass
Schneekoppe- und Sixtus-Produkte alle Menschen


erreichen, die wir erreichen wollen? Wie sind wir dar-
auf vorbereitet, dass immer mehr Menschen digital
einkaufen? Wie können wir mit unseren speziellen


Angeboten die Menschen erreichen, die exakt diese
Angebote suchen?
Ein enorm wichtiger Schritt gelang uns, als wir


Aldi als exklusiven Vertriebspartner für Schneekoppe
gewinnen konnten. Damit holen wir unsere wertvol-
len Bio-Lebensmittel aus der Nische der Drogerie-


märkte und machen sie für ein maximal großes Publi-


kum verfügbar: Menschen, die sich gesund ernähren
möchten, ohne dafür ihr Budget sprengen zu müs-
sen. Die Partnerschaft mit Aldi bringt uns dem Ziel,
Schneekoppe als Biomarke „für alle“ zu etablieren,
ein großes Stück näher.
Bei Sixtus fanden wir eine schwierigere Situation
vor. Die wertvollen Pflegeprodukte stammten aus Pro-
duktionsanlagen, in die seit Jahrzehnten nicht inves-
tiert worden war – wie auch in die Schulung und

Weiterentwicklung der Mitarbeiter. Wir waren aus
technischen und ökonomischen Gründen gezwun-
gen, die Herstellung auf völlig neue Beine zu stel-
len. Die Auflösung des bisherigen Standorts war ohne
Alternative.
Diese Maßnahmen erzeugten medial ein ausge-
sprochen unschönes Echo. Die Falschmeldung, das
Sixtus pleite gegangen sei, wurde hunderte Male
unhinterfragt weiterverbreitet. Wir haben in Wahr-
heit nur schmerzhaft Voraussetzungen geschaffen,
die große Tradition des Unternehmens, das 1972 die
Olympischen Spiele in München gesponsert hat, fort-
zusetzen: mit neuer Herstellungstechnik und zeitge-
mäßem Vertriebskonzept, aber auf der Basis der tra-
ditionellen, wertvollen Rezepturen, die wir pflegen
und bewahren werden.
Schneekoppe und Sixtus sind zwei Facetten des-
selben Trends: Immer mehr Menschen entdecken die
neue Achtsamkeit gegenüber sich selbst. Immer Men-
schen wollen ein bewusstes, nachhaltiges Leben füh-
ren. Diesen Trend unterstützen und befördern wir.
Auch meine Stiftung hilft ja jungen Menschen gezielt
dabei, gesunde Ernährung, Bewegung und gutes
Körpergefühl als wichtige Bausteine für die eigene
Zukunft zu erkennen und zu entwickeln. Aldi als Ver-
triebspartner für Schneekoppe und die AOK Bayern
als Partner unserer Stiftungsaktivitäten sind mächtige
Verbündete. „Bio für alle“ und „Gesund kann jeder“
stecken den Rahmen für unsere geschäftlichen und
ideellen Aktivitäten ab. Auch mein Engagement als
CEO der EURO GmbH wird dazu beitragen, dass wir
punktuell das Gemeinwohl stärken und möglichst vie-
len Menschen helfen, entscheidende Fragen zu beant-
worten: Wie wollen wir leben? Wie wollen wir arbei-
ten? Wie lernen wir, besser auf uns zu achten?
Ich bin Fußballer. Im Sport habe ich gelernt, wie
man die eigene Leistung steigert: durch Disziplin und
Wiederholung.
Disziplin und Wiederholung sind auch wichtige
Pfeiler in der Veränderung von Schneekoppe und Six-
tus. Wir haben gelernt, beide Unternehmen als Teil
einer übergeordneten Aktivität zu sehen. Wir sind
dabei, unsere Strategie – agiles Denken, schnelles
Handeln, überzeugende Kommunikation, modernster
Vertrieb – in handfeste Aktivitäten zu übersetzen oder
diese Aktivitäten zu verfeinern und zu verbessern.
Das Team ist aufgestellt. Wir tauschen uns perma-
nent aus. Die Analyse ist abgeschlossen, die Strategie
steht fest. Wir arbeiten an neuen Automatismen. Für
kreative Einfälle und überraschende, bahnbrechende
Ideen sind wir natürlich offen. Es liegt mir stark am
Herzen, ein Klima der Spontaneität und Aufbruchs-
stimmung zu bewahren: Ich bin Fußballer und weiß,
wieviel Einfluss der geniale Einfall eines Einzelnen auf
den Verlauf eines ganzen Spiels haben kann.
Ich würde nicht so weit gehen, dass ich den Fuß-
ball ganz allgemein eine Lebensschule nenne. Für
mich persönlich war er das freilich schon. Ich habe
aus dem Fußball ein paar Dinge mitgenommen, die
mich nachhaltig geprägt haben. Das vielleicht Wich-
tigste ist die Überzeugung, dass man nicht für sich
selbst arbeitet, sondern für das Team, für die Fans,
für die Gemeinschaft.
Das ist die Lehre, die ich bedingungslos für meine
Unternehmungen mitgenommen habe. Profit allein ist
zuwenig. Wir wollen möglichst viele Menschen dabei
unterstützen, ihr eigenes Leben zu verbessern. Man-
che Details sind noch zu klären. Aber in welche Rich-
tung wir gehen, ist inzwischen völlig klar.

„ Denn die erste


Notwendigkeit für


mich war selbst-


verständlich, ein


Team zusammen-


zustellen, das die


anstehenden Auf-


gaben beur tei len,


planen und


umsetzen kann.“


Philipp Lahm

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