Handelsblatt - 18.09.2019

(Sean Pound) #1
Im Standortwettbewerb von Asiens Schwellen-
ländern positiv herauszustechen wird aber zuneh-
mend schwerer. Am Wochenende stellte auch In-
diens Finanzministerin Nirmala Sitharaman Maß-
nahmen vor, die Investitionen anziehen und
dafür sorgen sollen, dass sich die Wirtschaft des
Subkontinents Chinas Exportprobleme zunutze
machen kann. Insgesamt will sie Exporte aus In-
dien mit Steuererleichterungen von sieben Milli-
arden Dollar pro Jahr anschieben. Zuvor hatte die
indische Regierung bereits angekündigt, Vor-
schriften für ausländische Direktinvestitionen zu
lockern. So beschloss das Kabinett von Premier-
minister Narendra Modi Ende August, Auftragsfer-
tigern wie dem Apple-Zulieferer Foxconn die
Gründung hundertprozentiger Tochterunterneh-
men in Indien zu erlauben.
Indiens IT-Minister Ravi Shankar Prasad setzte
am Montag die Charmeoffensive fort. „Ich will eine
starke Präsenz von Apple in Indien“, sagte er nach
einem Treffen mit Vertretern von Smartphoneher-

stellern vor Journalisten. In den kommenden zwei
bis drei Monaten wolle er weitere Anreize vorlegen,
um Handyhersteller ins Land zu locken. „Wir bie-
ten gutes Personal und eine investorenfreundliche
Politik“, erklärte er. Die indische Regie-
rung geht nach einem Bericht der Zei-
tung „Times of India“ davon aus,
dass Apple und seine Zulieferer
rund eine Milliarde Dollar auf
dem Subkontinent investieren
wollen.
Apple hatte bereits seit
mehreren Jahren ältere
iPhone-Versionen in der indi-
schen Metropole Bangalore
gefertigt. Im April kündigte
Foxconn-Chef Terry Gou an,
nun auch die neuesten Modelle in
Indien zu fertigen. Laut dem zustän-
digen Minister Prasad beliefern die indi-
schen Apple-Fabrikanten inzwischen nicht
mehr nur den heimischen Markt, sondern expor-
tieren auch einzelne Komponenten.

Das Wachstum schwächelt
Von steigenden Direktinvestitionen aus dem Aus-
land erhofft sich Indiens Regierung auch eine Lö-
sung für ihre konjunkturellen Probleme. Das Wirt-
schaftswachstum schwächte sich zuletzt auf fünf
Prozent ab und liegt damit so niedrig wie seit sechs
Jahren nicht mehr. Auch Thailand meldete im
jüngsten Quartal mit 2,3 Prozent den geringsten
Zuwachs der Wirtschaftsleistung seit einem halben
Jahrzehnt. Vietnams Wirtschaft legt hingegen wei-
terhin um rund sieben Prozent zu.
Beobachter zeigen sich skeptisch, ob die neuen
Investitionsanreize in den Nachbarländern ausrei-
chen, um die Vietnamesen einzuholen. Siwat Lu-

angsomboon, Ökonom bei der thailändischen Ka-
sikorn-Bank, glaubt, dass vor allem Vietnams nied-
rige Lohnkosten für Unternehmen attraktiv sind
und Steuernachlässe im Vergleich dazu kaum über-
zeugen können.
Der zuständige thailändische Minis-
ter Kobsak hat ebenfalls eine
Schwachstelle in seinen Plänen
identifiziert: Vietnam ist auch
deshalb als Standort attraktiv,
weil die Regierung in Hanoi
weitreichende Handelsver-
träge abgeschlossen hat. Vi-
etnam ist Teil der transpazifi-
schen Freihandelszone
CPTPP, die unter anderem Ja-
pan, Kanada und Mexiko ein-
schließt. Außerdem unterzeich-
nete das Land Ende Juni ein Han-
delsabkommen mit der Europäischen
Union. Dieses sieht vor, 99 Prozent der ge-
genseitigen Zölle in den kommenden Jahren kom-
plett zu streichen.
Ein Freihandelsabkommen ist auch zwischen
Thailand und den Europäern ein Thema. Aber die
Verhandlungen sind noch nicht weit fortgeschrit-
ten. Das liegt vor allem daran, dass die Gespräche
für fünf Jahre auf Eis lagen, während eine Militär-
junta in Bangkok herrschte. Erst nach den Parla-
mentswahlen in diesem Jahr kam eine Wiederauf-
nahme der Gespräche wieder auf die Agenda. An-
gesichts des Wettbewerbsdrucks scheint die
Regierung in Bangkok nun an zügigen Fortschrit-
ten interessiert zu sein. „Unsere Steueranreize
sind so gut wie ihre“, urteilt Minister Kobsak mit
Blick auf die vietnamesische Konkurrenz. „Aber
an unseren Handelsabkommen müssen wir noch
arbeiten.“

Apple-Filiale
in Schanghai:
Der Elektronik-
konzern erwägt,
seine Geräte
künftig in
Vietnam fertigen
zu lassen.


Bloomberg

600

500

400

300

200

100

0

600

500

400

300

200

100

0

Wirtschaft in Südostasien: Investitionen und Warenhandel
Ausländische Direktinvestitionen in Mrd. US-Dollar

Außenhandel, Warenvolumen in Mrd. US-Dollar
Exporte

HANDELSBLATT Quellen: Unctad, IWF

China

133,7 134,1^139

2016 2017 2018

44,
39,
42,

2016 2017 2018

3,

20,622,

2016 2017 2018

1,

6,

10,

2016 2017 2018

12,6 14,

15,

2016 2017 2018

Indien Indonesien Thailand Vietnam

China Indien Indonesien Thailand Vietnam

2 134

2 501

2016 2018

Importe

2 500

2 000

1 500

1 000

500

0

509

323

2016 2018

600

500

400

300

200

100

0

192

180

2016 2018

249

251

2016 2018

231

239

2016 2018

600

500

400

300

200

100

0

Wir werden mit


den neuen Anreizen


wettbewerbsfähiger


als Vietnam sein.


Kobsak Pootrakool
Kabinettsmitglied in Thailand

Wirtschaft & Politik


MITTWOCH, 18. SEPTEMBER 2019, NR. 180
7

Free download pdf