Die Welt Kompakt - 19.09.2019

(C. Jardin) #1
Vor der Sitzung des Klimaka-
binetts an diesem Freitag
mahnen Entwicklungsorgani-
sationen weitreichende Schrit-
te an. „Beim Klimaschutz
muss die Zeit der Ausflüchte
und des Klein-Klein endgültig
vorbei sein“, erklärte die Prä-
sidentin von Brot für die Welt,
Cornelia Füllkrug-Weitzel. Die
globale Klimakriseerfordere
von der Politik „einen Quan-
tensprung“ beim Kampf ge-
gen den Klimawandel.

Mit Blick auf die anstehenden
UN-Gipfel in New Yorkrief die
Welthungerhilfe die Bundes-
regierung zu einem starken
Signal auf. Schon jetzt raub-
ten die Folgen der Klimakrise
Millionen von Menschen die
Lebensgrundlagen und trieben
sie immer weiter in Hunger

und Armut,erklärten beide
Organisationen. Leidtragende
seien die Ärmsten, die den
Klimawandel nicht verursacht
haben. Deutschland habe
nicht nur eine große Verant-
wortung, sondern auch Ein-
fluss auf internationaler Ebe-
ne: „Jeder mutige und ambi-
tionierte Schritt nach vorne
kann und wird Vertrauen bei
den am meisten vom Klima-
wandel geschädigten Län-
dernund neue Verhandlungs-
dynamik schaffen“, erklärte
Füllkrug-Weitzel. Wenn
Deutschland sich aufs Ab-
warten verlege und seine in-
ternationalen Finanzierungs-
zusagen nicht einlöse, ver-
spielt es riesige Chancen für
die internationale Klimadiplo-
matie. Die Welt schaut auf
uns.“

Klima-Appell an Bundesregierung

2 THEMA DES TAGES DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,19.SEPTEMBER


D

er Klimawandel liegt
Bill Gates schon seit
einem Jahrzehnt am
Herzen. Seine Bill and
Melinda Gates Foundation, die
größte private Stiftung der Welt,
warnt seit Langem, dass die Er-
derwärmung fatale Folgen für
Afrikas Entwicklung haben wird.


VON KLAUS GEIGER

Der 63-Jährige Mitgründer von
Microsoft war bis 2014 Aufsichts-
ratsvorsitzender des Software-
unternehmens, seitdem ist er
dort technischer Berater. Im Jahr
1994 gründete er eine Stiftung im
Namen seines Vaters, fünf Jahre
später erhielt sie ihren heutigen
Namen. Wir erreichen Gates per
Telefon in Seattle, wo seine Stif-
tung ihren Sitz hat.


WELT:Mr. Gates, die Menschen
fffürchten sich gerade vor der Kli-ürchten sich gerade vor der Kli-
makatastrophe, besonders in
Europa. Deshalb lassen Sie uns
mit der guten Nachricht anfan-
gen: Die Welt wird immer besser.
Bill Gates:
Das stimmt.


Und das schon seit Jahrzehn-
ten.

So ist es. Was Bildung und Ge-
sundheit angeht, haben wir seit
Jahrzehnten nur einen Trend:
nach oben. Ab der Jahrtausend-
wende sank die Kindersterblich-
keit so schnell wie nie zuvor. Im
Jahr 2000 starben noch rund
zehn Millionen Kinder in den
ersten fünf Lebensjahren, jetzt
ist es die Hälfte. Nie hatten so
viele junge Menschen in Ent-
wicklungsländern Zugang zu Bil-
dung. Mit Instrumenten wie dem
Globalen Fonds zur Bekämpfung
von Aids, Tuberkulose und Mala-
ria hat die Weltgemeinschaft gro-
ße Fortschritte erzielt. Seit sei-
ner Gründung hat der Fonds 26
Millionen Menschen das Leben
gerettet. Ob es um Klima, Ge-
sundheit, Bildung oder die
Gleichheit der Geschlechter geht



  • wir müssen noch viel tun. Aber
    das Glas ist halb voll.


Was muss noch passieren?
Im Wesentlichen drei Dinge. Wir
müssen noch besser werden da-
bei, die Hilfe dahin zu bringen,
wo sie gebraucht wird. Die Staa-
ten müssen ihre Ausgaben für
Entwicklungshilfe erhöhen. Seit
einem Jahrzehnt stagnieren die
Ausgaben, die Staaten gemessen
an ihrem Bruttonationaleinkom-
men für Entwicklungshilfe be-
reitstellen. Und wir brauchen In-
novationen, einen Impfstoff ge-
gen HIV zum Beispiel.


Aber der Klimawandel ist doch
ein Problem, oder? Macht er es
nicht auch schwieriger, Ihre
Ziele zu erreichen?

Absolut. Im Afrika südlich der Sa-
hara sind in armen Staaten rund
40 Prozent der Kinder mangeler-
nährt. Oft sind ihre Eltern einfa-
che Kleinbauern, 700 Millionen
gibt es von ihnen. Diese Men-
schen werden im Jahr 2040 dop-
pelt so oft Missernten erleben
wie heute, wegen extremer Wet-
terereignisse. Und in den ande-


ren Jahren werden sie wegen des
Klimawandels weniger ernten.

Davon hört man wenig in der
Diskussion.
Ja. Wir sprechen kaum über An-
passungen für jene, die unver-
meidlich vom Klimawandel be-
troffen sind. Und wenn, geht es
meist um das Steigen der Mee-
resspiegel und die Folgen für
Küstenbewohner. Die schlimms-
te Folge des Klimawandels für die
ärmsten Menschen der Welt ist
aber, dass sie nicht mehr so viel
zu essen anbauen können.

Was kann man tun?
Wir brauchen definitiv mehr In-
novationen beim Saatgut. Sodass
die Menschen auch mit weniger
Wasser und bei größerer Hitze
ihre Ernten stabil halten oder
steigern können. Wir müssen viel
mehr Geld ausgeben für Agrar-
forschung. Wir müssen die Pro-
duktivität der Landwirtschaft in
Afrika verdoppeln.

Also ist Gentechnik die Lösung?

Es gibt viele Arten, Saatgut zu
verbessern. Es gibt sehr viele in-
novative Methoden, die als kon-
ventionelle Züchtung gelten.
Aber bestimmte Fortschritte auf
diesem Gebiet sind ohne Gen-
technik nicht denkbar.

In Europa ist die Stimmung in
der Bevölkerung sehr ableh-
nend gegenüber Gentechnik.
Nun ja, in Europa sehe ich gerade
keine Mangelernährung. Dort
gibt es nicht Millionen von Kin-
dern, die an Mangelernährung
sterben. Wichtiger ist die Frage:
Lässt man die afrikanischen Staa-
ten frei entscheiden, ob sie auf
Gentechnik setzen wollen, oder
nicht. Das letzte Wort müssen
afrikanische Wissenschaftler ha-
ben.

Sie haben Microsoft im Alter
von nur 20 Jahren gegründet.
Wie blicken Sie auf die jungen
Menschen der „Fridays for Fu-
ture“-Bewegung?
Ich bin sehr begeistert von dem,
was junge Menschen wie Greta

Bill Gates warnt vor den Folgen des Klimawandels für Afrika, die durch Migration auch


Europa treffen. Er ist begeistert von Greta Thunberg – und wirbt für neue Technologien


BLOOMBERG

/ MICHELE LIMINA

„Bestimmte


Fortschritte sind


ohne Gentechnik


nicht denkbar“

Free download pdf