Die Welt Kompakt - 19.09.2019

(C. Jardin) #1

DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,19.SEPTEMBER2019 WISSEN 27


Lungenerkrankung beatmet
werden“, sagt Robert Lodden-
kemper, Lungenfacharzt und
ehemaliger Vorsitzender der
Deutschen Gesellschaft für
Pneumologie. „Vermutlich hat-
ten einige ein akutes Lungen-
versagen im Sinne einer
‚Schocklunge“. Dabei kann die
Lunge nicht mehr ausreichend
Sauerstoff aufnehmen und wei-
terleiten. „Wahrscheinlich ist
bei den in USA registrierten
sechs Todesfällen Lungenversa-
gen die Ursache.“

Was hat die Vergiftungen
ausgelöst?
Das ist noch nicht geklärt. Auf-
fällig ist: Die überwiegende
Mehrheit (80 Prozent) der von
der rätselhaften Lungenvergif-
tung Betroffenen hatte auch
Cannabis gedampft, also ent-
weder den Wirkstoff Tetrahy-
drocannabinol (THC) oder
Cannabidiol (CBD) oder beides.
Die amerikanische Gesund-
heitsbehörde FDA vermutet,
dass nicht das Cannabis die Ur-
sache ist, sondern die Substanz
Vitamin-E-Acetat, die in vielen
THC-haltigen Liquids enthal-
ten ist. Die FDA warnt daher
eindringlich vor THC-Liquids,
insbesondere wenn es sich Pro-
dukte von der Straße handelt.
In Deutschland sind THC-halti-
ge Liquids illegal, CBD-Liquids
mit einem THC-Gehalt von we-
niger als 0,2 Prozent jedoch
sind erlaubt.

Was ist Vitamin-E-Acetat?
Die US-Behörden haben die
Substanz Vitamin-E-Acetat im

I

n den USA geht die Angst
um: Die amerikanischen
Seuchenkontrollzentren
CDC und die Gesundheits-
behörde FDA melden 380 Fälle
von Vergiftungen durch E-Ziga-
retten. Sechs Tote hat die rät-
selhafte Epidemie bereits gefor-
dert. Betroffen sind fast nur Ju-
gendliche und junge Erwachse-
ne. Noch immer ist die Ursache
für die Erkrankungen unklar.


VON JENS LUBBADEH

Die US-Behörden gehen da-
von aus, dass eine bislang un-
bekannte Substanz in den Li-
quids die Vergiftungen hervor-
gerufen hat. Viele der Erkrank-
ten hatten nicht nur nikotin-
haltige Liquids gedampft, son-
dern auch die Cannabis-Sub-
stanzen Tetrahydrocannabiol
(THC) oder Cannabidiol (CBD)
oder beides. Welche Substan-
zen stehen im Verdacht? Sind
deutsche E-Zigaretten-Damp-
fer sicher? Was Verbraucher
jetzt wissen müssen.


Wer ist betroffen?
Die Seuchenkontrollzentren
meldeten bislang 380 Erkran-
kungsfälle in 37 US-Bundes-
staaten, verteilt über die ge-
samten USA. Sechs Menschen
starben. Die meisten der Be-
troffenen sind Jugendliche oder
junge Erwachsene in ihren
Zwanzigern. In Deutschland
sind bislang keine Fälle be-
kannt.


Welche Schäden haben Be-
troffene?

Im Fachmagazin „New England
Journal of Medicine“ berichten
Ärzte über die Krankheitsver-
läufe von 53 Patienten in den
Staaten Wisconsin und Illinois,
die sich im Juli 2019 in Kran-
kenhäusern gemeldet hatte. Die
Beschwerden waren so heftig,
dass die Hälfte der Patienten
auf der Intensivstation aufge-
nommen wurde. „Zwei Drittel
der 53 erfassten Patienten
mussten wegen ihrer schweren


Verdacht, synthethisch herge-
stelltes Vitamin E. Das fettlösli-
che Vitamin ist natürlicherwei-
se in Nüssen und Pflanzenölen
enthalten, ebenso in Makrelen,
Lachs und Hering. Vitamin E ist
ein lebensnotwendiger Stoff
und wichtig für den Körper als
sogenannter Radikalfänger –
freie Radikale entstehen in der
Zelle durch Sonnenstrahlen
oder chemische Reaktionen
und können die DNA und Ei-
weiße zerstören, Vitamin E
wirkt diesem Prozess entgegen.
Vitamin-E-Acetat wird im Kör-
per zu Vitamin E umgewandelt,
die Industrie nutzt die Acetat-
Form, weil es haltbarer ist als
Vitamin E selbst. Das Acetat ist
in vielen Kosmetikprodukten
wie Hautcremes enthalten. Wie
es nach Inhalation auf den Kör-
per wirkt, sei jedoch nahezu un-
bekannt, schreibt die FDA.

Sind deutsche E-Zigaretten
sicher?
„Hierzulande sind Vitaminzu-
sätze in nikotinhalten E-Li-
quids generell verboten“, sagt
Frank Henkler-Stephani vom
BfR. „Solange Nutzer auf Her-
stellerprodukte zurückgreifen,
die den deutschen und europäi-
schen Vorgaben entsprechen,
sind ähnlich ernste Erkrankun-
gen wie in den USA nicht zu er-
warten.“ Allerdings weist
Henkler-Stephani auf eine
wichtige Regelungslücke hin,
die besonders für Jugendliche
bedeutsam sein könnte: „Niko-
tinfreie Liquids unterliegen
nicht dem Tabakrecht.“ Daher
dürfen sie Vitamine enthalten

und auch an Minderjährige ver-
kauft werden.

Welche Liquids sind gefähr-
lich?
Die amerikanische Gesundheits-
behörden warnen eindringlich
davor, in E-Zigaretten und Ver-
dampfern THC oder andere
Cannabinoid-Substanzen zu
konsumieren, insbesondere sol-
che aus nicht-offiziellen Quel-
len. Insbesondere sollte man
dringend davon absehen, in offe-
nen Verdampfer-Systemen eige-
ne Liquid-Mischungen zu kon-
sumieren. Auf Youtube kursie-
ren zahlreiche Anleitungen für
Liquid-Eigenkreationen in jegli-
chen erdenklichen Substanz-
Kombinationen: THC, CBD, Ni-
kotin, Aromen, es gibt sogar An-
leitungen zum Dampfen von Jä-
germeister und Red Bull.

Was für gesundheitsgefähr-
dende Stoffe enthalten Li-
quids?
In Liquids sind potenziell meh-
rere toxische Stoffgruppen ent-
halten, schreiben Wissen-
schaftler im „New England
Journal of Medicine“: das Niko-
tin selbst, Carbonyl-Verbindun-
gen, Benzene, Toluene, Mikrop-
artikel, Schwermetalle, Aroma-
stoffe, Bakteriengifte und Beta-
Glucane. Von zwei Aromastof-
fen, Diacetyl und 2,3-Pentan-
diol, sei bekannt, dass sie die
Genexpression in Lungenepi-
thelzellen verändern. Unklar
ist, welche Effekte diese in Li-
quids enthaltenen Stoffe in
Kombination mit CBD und
THC entfalten.

Sind E-Zigaretten gesünder
als normale Zigaretten?
E-Zigaretten enthalten weniger
krebserregende Stoffe als nor-
male Zigaretten, sagt das Deut-
sche Krebsforschungszentrum.
Dennoch seien sie nicht harm-
los, betont Lungenfacharzt Ro-
bert Loddenkemper. Bekannte
Risiken sind: Husten, Asthma,
Hyperreaktivität der Atemwe-
ge, schlechtere Abwehrlage der

Lunge, Auswirkungen auf das
Herzkreislaufsystem. „Wir ha-
ben mehrere aktuelle Publika-
tionen untersucht, die normale
Zigaretten mit E-Zigaretten
verglichen. Dabei zeigte sich,
dass mindestens 50 Prozent der
gesundheitsschädlichen Wir-
kungen gleich stark sind.“

Warum sind nur Jugendliche
und junge Erwachsene be-
troffen?
E-Zigaretten haben sich in den
letzten Jahren rasant unter Ju-
gendlichen verbreitet. Die
American Lung Association be-
richtet, dass mittlerweile jeder
fünfte High-School-Schüler sie
nutze. In Deutschland sind sie
ebenfalls bei der Jugend ge-
fragt: „Etwa 10 bis 15 Prozent
der Jugendlichen haben E-Ziga-
retten schon einmal auspro-
biert“, sagt Sven Schneider, Lei-
ter der Abteilung Kinderge-
sundheit an der Universitäts-
medizin Mannheim. „Uns be-
richten bereits 12-jährige schon
E-Zigaretten ausprobiert zu ha-
ben. 3 bis 5 Prozent nutzen sie
regelmäßig.“

Machen E-Zigaretten Jugend-
liche abhängig?
„Die Anflutungsgeschwindig-
keit des Nikotins im Gehirn
durch eine E-Zigarette ähnelt
der einer klassischen Zigarette,
daher ist ihr Abhängigkeitspo-
tenzial vergleichbar“, sagt Sven
Schneider. In den USA ist die
Nikotinkonzentration in Juul
sehr hoch (50 Milligramm pro
Milliliter), in Deutschland liegt
sie bei 20 Milligramm pro Milli-
liter. Dieser relativ hohe Niko-
tingehalt führe schnell zur Ab-
hängigkeit.

Sind E-Zigaretten der Ein-
stieg für normale Zigaretten?
Ja, sagt Sven Schneider: „E-Zi-
garetten senken die Hemm-
schwelle zum Rauchen. Das in
ihnen enthaltene Nikotin macht
abhängig und erhöht die Bereit-
schaft, auch konventionelle Zi-
garetten auszuprobieren.“

Tod aus der


E-Zigarette


In den USA haben sich Hunderte


Menschen vergiftet – und es gibt sechs


Tote. Woran sind sie gestorben?


AFP/ GETTY IMAGES

Tierärzte der Highcroft Veterinary
Group in Bristol hatten kürzlich
einen seltenen Patienten: einen
Zierfisch. Die Besitzer des Tieres
hatten eine ungewöhnlich große
Beule am Bauch ihres kleinen
Freundes entdeckt. Für die Opera-
tion wurde dem Fisch namens
Molly ein Katheder gelegt, über
die Kiemen bekam er Anästhesie-
Mittel gespritzt. Dann wurde der
Tumor vom Bauch entfernt und
die Wunde zur Heilung mit einer
wasserfesten Paste bedeckt. Tier-
ärztin Sonya Miles appelliert nun
an alle Fisch-Besitzer, ihre kran-
ken Lieblinge unbedingt untersu-
chen zu lassen.

Fisch auf


dem OP-Tisch

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