Die Welt Kompakt - 19.09.2019

(C. Jardin) #1

Weniger Flüchtlinge


ausgeflogen


weltweit. Traditionell sind die
USA– gefolgt von Kanada und
Australien – der bei Weitem
wichtigste Aufnahmestaat.
Amerika erlaubte bisher sogar
mehr Neuansiedlungen als alle
anderen Länder zusammen.
Doch alle drei Staaten haben ihr
Resettlement stark herunterge-
fahren. Laut OECD-Migrati-
onsausblick haben die USA ihre
Kontingente seit 2016 um 80
Prozent, Kanada um 65 Prozent
und Australien um 50 Prozent
reduziert. Laut dem UNHCR

waren die fünf wichtigsten Auf-
nahmestaaten 2018 dennoch die
Vereinigten Staaten (17.112), ge-
folgt von Kanada (7704), dem
Vereinigten Königreich (5698),
Frankreich (5109) und Schwe-
den (4871). Diese Länder alleine
stellten mehr als 70 Prozent
aller Plätze zur Verfügung.
Zwar ist die Zahl der Länder,
die Resettlement-Programme
anbieten, in den vergangenen

Jahren gestiegen. Während sich
2005 weltweit 14 Staaten am
Neuansiedlungsprogramm be-
teiligten, waren Ende 2018 be-
reits 29 solcher Staaten zu ver-
zeichnen. Doch fast alle Länder
nutzen dieses Instrument nur
sehr zurückhaltend.
So auch Deutschland, das
2018 laut UNHCR nur 3217
Flüchtlinge auf diesem Wege
aufnahm. Allerdings nimmt die
Bundesrepublik jährlich auch
noch einige Tausend Flüchtlin-
ge über humanitäre Aufnahme-

programme des Bundes und der
Länder auf. Seit 2013 kamen auf
diese Weise rund 50.
Flüchtlinge ins Land, vor allem
im Rahmen dreier Bundesauf-
nahmeprogramme für rund
20.000 Syrer zwischen 2013 und


  1. Doch auch wenn man das
    UNHCR-Resettlement und die
    übrigen legalen Wege der
    Flüchtlingsaufnahme zusam-
    menrechnet, erreichen die Zah-


len längst nicht das Niveau der
irregulären Zuwanderung über
das Asylsystem. So gab es
alleine im laufenden Jahr schon
wieder mehr als 100.000 Asyl-
anträge in Deutschland.
Weil die Bundesrepublik
schon seit den 70er-Jahren das
Hauptziel für Asylbewerber in
Europa ist, waren die deut-
schen Regierungen lange sehr
zurückhaltend, sich überhaupt
am Resettlement zu beteiligen.
Das änderte sich erst 2012. Den-
noch bleibt Deutschland nach
wie vor ein Riese der illegalen
Zuwanderung, aber ein Zwerg
bei der legalen Flüchtlingsauf-
nahme. Der UNHCR und Mi-
grationsforscher weisen seit
Jahren auf die großen Vorteile
der legalen Flüchtlingsmigrati-
on hin. Zuerst nützt sie natür-
lich den betroffenen Menschen,
die in großer Zahl weltweit in
Flüchtlingslagern ausharren –
zwar geschützt, aber ohne Per-
spektive. Sie könnten über Kon-
tingente legal und sicher in das
Schutz gewährende Land ein-
reisen.
Zudem entlasten die Aufnah-
meprogramme die Erstzu-
fluchtsstaaten in der Nachbar-
schaft der Konfliktregionen.
Diese Staaten übernehmen die
Hauptlast der globalen Flucht-
bewegungen. Nicht zuletzt
kommen die Programme be-
sonders schutzbedürftigen Per-
sonen zugute, die aus finanziel-
len oder gesundheitlichen
Gründen sonst nicht in der La-
ge wären, unter teils großem Ri-
siko und Geldaufwand in die
reiche Weltregion zu flüchten.
Und vor allem sind alle legal
Aufgenommenen auch tatsäch-
lich Flüchtlinge. Von den über
das Asylsystem einreisenden
Asylbewerbernerweisen sich in
Deutschland und anderen EU-
Staaten meist nur ein Drittel als
schutzberechtigt.
Einen vorerst letzten großen
Versuch, die Resettlement-
Quoten zu erhöhen, gab es im
September 2016. Der Sonder-
gipfel der UN zur Migration in
New York sah im Erstentwurf
für sein Ergebnisdokument die-
ses Treffens eine bemerkens-
werte Zielvorgabe für das Pro-
jekt vor: Die internationale Ge-
meinschaft sollte sich ver-
pflichten, Neuansiedlungsplät-
ze für mindestens zehn Prozent
der weltweiten Flüchtlinge be-
reitzustellen. Dieses enorm am-
bitionierte Ziel wurde nicht er-
reicht. Aktuell gehen die Ver-
einten Nationenvon rund 25
Millionen aus ihrem Heimat-
land geflohenen Menschen aus,
90 Prozent bleiben in den
Nachbarländern.
Ein weiteres Ergebnis des
OECD-Migrationsausblicks
zeigt, dass die USA im Jahr 2018
das wichtigste Zielland für Zu-
wanderer weltweit waren – ge-
folgt von Deutschland. Insge-
samt zogen 5,3 Millionen Aus-
länder dauerhaft in die OECD-
Mitgliedstaaten, zwei Prozent
mehr als im Jahr zuvor.

D

ie ohnehin geringen
legalen Zugangs-
chancen für Flücht-
linge in die wohlha-
benden Weltregionen werden
noch kleiner. Nicht einmal
60.000 (59.512) Menschen wur-
den 2018 von den OECD-Staa-
ten aus den Dutzenden Flücht-
lingslagern der Krisenregionen
in aller Welt im Rahmen des
Neuansiedlungsprogramms des
UN-Flüchtlingshilfswerks
(UNHCR) eingeflogen. Seit
dem historischen Höchststand
2016 (126.254) war die Aufnah-
mebereitschaft schon 2017
deutlich gesunken (64.898). Im
Jahr 2018 wurde dann der nied-
rigste Wert seit 2007 (49.672)
erreicht. Diese Angaben macht
die OECD in ihrem am Don-
nerstag veröffentlichten jährli-
chen „Migrationsausblick“.

VON MARCEL LEUBECHER

Bei den Zahlen handelt es
sich um das sogenannte
UNHCR-Resettlement – also
die Neuansiedlung von beson-
ders Schutzbedürftigen durch
die Flüchtlingsorganisation der
Vereinten Nationen – in die
OECD-Staaten.
Die Daten geben recht gut
wieder, wie es um die weltweite
Aufnahme von Flüchtlingen im
Rahmen von Kontingenten
steht. Denn die UNHCR-Neu-
ansiedlung findet fast aus-
schließlich in den 36 in der
OECD zusammengeschlosse-
nen Staaten statt. Und das
UNHCR-Resettlement ist das
mit Abstand größte Programm

SSSyrer laden Kissen und yrer laden Kissen und
Decken von der Ladefläche
eines Fahrzeugs in
einem Flüchtlingslager

DPA

/ ANAS ALKHARBOUTLI

Industriestaaten verzeichnen einen Rückgang bei der


Neuansiedlung von Menschen aus UN-Lagern




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Resettlement rückläufig

Quelle: OECD/UNHCR.

Weniger Flüchtlinge werden legal eingeflogen

POLITIK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,19.SEPTEMBER2019 SEITE 4

KÖLN

Der Dom ist nur
2 7 Euro wert

Das Erzbistum Köln ver-
öffentlicht seine Jahres-
bilanz für 2018. Seit 2015
legt das größte katholische
Bistum in Deutschland jedes
Jahr eine detaillierte Ge-
winn- und Verlustrechnung
vor, ähnlich der Jahresbilanz
einer Aktiengesellschaft.
Das Vermögen des Erzbis-
tums beläuft sich demnach
auf 3,5 Milliarden Euro. Der
Kölner Dom taucht aller-
dings nur mit einem sym-
bolischen Wert von 27 Euro
auf: Schließlich könne man
ihn niemals zu Geld ma-
chen, heißt es dazu – im
Gegenteil: Der Unterhalt
koste Millionen.

BRANDENBURG

Richter gegen
Cannabisverbot

Ein Richter im brandenbur-
gischen Bernau hat zwei
VVVerfahren zum Cannabis-erfahren zum Cannabis-
verbot dem Bundesver-
fffassungsgericht zur Prüfungassungsgericht zur Prüfung
vorgelegt. „Die Verfassungs-
widrigkeit steht dem Canna-
bisverbot auf der Stirn ge-
schrieben“, sagte Jugend-
richter Andreas Müller. Am
Amtsgericht Bernau hatte er
drei Fälle von illegalem
Cannabisbesitz in geringen
Mengen verhandelt. Das
Amtsgericht setzte seinen
Angaben zufolge zwei der
VVVerfahren aus. Nach frühe-erfahren aus. Nach frühe-
ren Angaben eines Gerichts-
sprechers ist es eine „lang-
jährige Mission“ von Müller,
sich für die Legalisierung
von Cannabis einzusetzen.

SYRIEN

Erdogan fordert
Sicherheitszone

Der türkische Präsident
Recep Tayyip Erdogan wirbt
mit Nachdruck für eine
Sicherheitszone im Nord-
osten Syriens. Damit könn-
ten zwei bis drei Millionen
syrische Flüchtlinge umge-
siedelt werden, die derzeit
in der Türkei und in Europa
leben, sagte Erdogan. Von
den europäischen Ländern
müsse aber große Unter-
stützung kommen. Es werde
viel geredet. „Wir erwarten
Taten.“ Die Türkei hat bis-
her etwa 3,6 Millionen
Flüchtlinge aus dem Nach-
barland aufgenommen. Die
Sicherheitszone soll sich
entlang der syrischen Gren-
ze über 450 Kilometer öst-
lich vom Fluss Euphrat zur
irakischen Grenze erstre-
cken.

KOMPAKT

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