Die Welt Kompakt - 19.09.2019

(C. Jardin) #1
führer des völkischen „Flügels“
in der Partei, landet mit 25 Pro-
zent auf Platz zwei – ihr bisher
bester Wert. Die CDU unter
Mike Mohringmuss sich mit
Rang drei und 22 Prozent zu-
friedengeben, das wäre ein Mi-
nusrekord. Die FDP liegt bei
fünf Prozent und muss zittern;
bereits in Brandenburg und
Sachsen hatten die Liberalen
den Einzug ins Landesparla-
ment knapp verfehlt.
In die Realpolitik übersetzt,
führt diese Umfrage zu einem

politischen Paradox: Ramelow
verlöre seine Mehrheit im Par-
lament – und bliebe weiter Re-
gierungschef. Die einzige Chan-
ce für den Christdemokraten
Mohring, sich nach dem 27. Ok-
tober zum Ministerpräsidenten
wählen zu lassen, wäre ein
„breites bürgerliches Bündnis“,
für das er im laufenden Wahl-
kampf landauf, landab wirbt.
Also ein Dreierbündnis aus
CDU, Grünen und SPD; mögli-
cherweise auch noch zusätzlich
mit der FDP.
Doch selbst eine solche Vie-
rerkoalition hätte derzeit keine
Mehrheit. Linke und AfD sind
zu stark; sie kommen zusam-

men auf mehr als 50 Prozent
und bilden einen Sperrriegel
gegen Mohrings Ambitionen.
Zudem betonen Sozialdemo-
kraten und Grüne stets, dass sie
die laufende Koalition mit der
Linken gern fortsetzen möch-
ten. Das könnte trotz der
schwachen Form von SPD und
Grünen gelingen.
Denn die Thüringer Landes-
verfassung sieht vor, dass ein
Ministerpräsident erst dann ab-
gesetzt werden kann, wenn ein
neuer gewählt wird. Eine parla-

mentarische Mehrheit könnte
Mohring nach Lage der Dinge
aber nur mit Unterstützung der
AfD erzielen. Genau diese hat
der Thüringer CDU-Chef im-
mer abgelehnt. Nichts deutet
darauf hin, dass er nach dem
Wahltag von dieser Linie ab-
weicht.
Auch um innerparteilich zu
bestehen, muss Mohring das Er-
gebnis seiner Partei deutlich
verbessern. Bei der Landtags-
wahl 2014 konnte sich die CDU
mit 33,5 Prozent noch auf Platz
eins behaupten. Sollte sie am 27.
Oktober nur auf Platz drei lan-
den, würden in der Thüringer
Union wohl ähnliche Kämpfe

W

ährend CDU,
Grüne und Sozi-
aldemokraten
zwei Wochen
nach den Landtagswahlen in
Sachsen und Brandenburg die
Möglichkeit einer Kenia-Koali-
tion sondieren, deutet sich in
Thüringen eine wesentlich
schwierigere politische Lage an.
Dort wird am 27. Oktober ein
neues Parlament gewählt. Eine
am Montag vom MDR veröf-
fentlichte Meinungsumfrage
hat die Regierungs- und Oppo-
sitionsparteien in Erfurt nun
aufgeschreckt.

VON CLAUS CHRISTIAN MALZAHN

Der Infratest-Dimap-Umfra-
ge zufolge könnte die Linke mit
ihrem populären Ministerprä-
sidenten Bodo Ramelow als
Spitzenkandidaten ihre Positi-
on zwar auf 28 Prozent ausbau-
en. Das ist schon deshalb be-
merkenswert, weil die Partei in
Sachsen und Brandenburg bei
den Wahlen erhebliche Verlus-
te hinnehmen musste. Gleich-
zeitig würde die von Ramelow
angeführte rot-rot-grüne Re-
gierung aber ihre Mehrheit im
Parlament verlieren. Denn
während die Thüringer Linke
sehr stark dasteht, bringen es
die Grünen nur auf acht und
die SPD sogar nur auf sieben
Prozent – ein historischer
Tiefstwert.
Die AfD mit ihrem Spitzen-
kandidaten Björn Höcke, An-

ausbrechen wie in den vergan-
genen zwei Wochen in Branden-
burg. Dort trat der Spitzenkan-
didat Ingo Senftleben mit 15,
Prozent für die CDU nach der
Wahl von allen Ämtern zurück.
Ramelow hingegen würde auch
ohne aktive rot-rot-grüne Mehr-
heit weiter in der Staatskanzlei
bleiben können – und zwar als
geschäftsführender Minister-
präsident. Hinzu kommt, dass
die Regierungsparteien im Som-
mer gegen den heftigen Wider-
stand der CDU-Fraktion bereits
einen Landeshaushalt für das
Jahr 2020 verabschiedet haben.
Das bedeutet: Ramelow könnte
nicht nur residieren, er könnte
auch richtig regieren. Allerdings
mit einer Einschränkung: Er
dürfte keine Minister und Mi-
nisterinnen auswechseln. Träte
jemand zurück oder fiele je-
mand aus Krankheitsgründen
aus, müsste das Ressort von ei-
nem anderen Regierungsmit-
glied kommissarisch übernom-
men werden.
Die jüngste Umfrage ist mehr
als eine Momentaufnahme.
Denn sie zeigt eine fortlaufende
Entwicklung, die auch schon in
Sachsen und Brandenburg
deutlich erkennbar war: Die po-
litischen Duelle im Osten spie-
len sich jeweils zwischen den
Regierungsparteien und der
AfD ab. In dieser Auseinander-
setzung schaukeln sich die bei-
den gegenseitig hoch; die übri-
gen Parteien können die Wähler
nur noch schwer erreichen. So
hatten die SPD in Brandenburg
und die CDU in Sachsen trotz
starker AfD am Ende deutlich
besser abgeschnitten als prog-
nostiziert. Das lag auch an der
hohen Popularität der jeweili-
gen Ministerpräsidenten Diet-
mar Woidke und Michael
Kretschmer.
Auch Ramelows Linke zehrt
aktuell von diesem Landesva-
ter-Effekt. 65 Prozent der Thü-
ringer sind laut MDR-Umfrage
mit Ramelows Arbeit zufrieden
oder sehr zufrieden. Auch der
Sozialdemokrat Wolfgang Tie-
fenseeist mit 51 Prozent ausge-
sprochen populär. Davon profi-
tiert Tiefensees Partei aber
überhaupt nicht. Mohring folgt
mit 40 Prozent auf Platz drei,
die grüne Umweltministerin
Anja Siegesmund auf Platz vier.
AfD-Spitzenkandidat Höcke
kommt nur auf 17 Prozent bei
der Zufriedenheitsquote – und
liegt damit deutlich unter dem
Umfragewert seiner Partei. Was
allerdings vor allem bedeutet:
Wen die AfD aufstellt, scheint
egal; gewählt wird sie trotzdem.
Eine rechnerische Mehrheit
ergäbe in Thüringen laut Um-
frage derzeit übrigens auch eine
Koalition aus Linke und CDU
mit 50 Prozent. Die Union im
Osten begründet ihr Kooperati-
onsverbot gegenüber der AfD
stets mit dem Hinweis, dass sie
als Kraft der Mitte auch mit der
Linken nicht zusammenarbei-
ten wolle. Für die Mitte – sogar
für die ganz breite bürgerliche
Mitte – wird es in Thüringen
dagegen immer enger.

Weiterregieren ohne


rot-rot-grüne Mehrheit


Umfrage zur Thüringen-Wahl schreckt die Regierungsparteien


auf: Ramelows Linke steht gut da – für eine Fortführung


der bisherigen Koalition reicht es aber nicht


Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke): Behält er noch den Durchblick?

DPA

/ MARTIN SCHUTT

65 Prozent der Thüringer sind laut


MDR-Umfrage mit Ramelows Arbeit


zufrieden oder sehr zufrieden


6 POLITIK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,19.SEPTEMBER


Die schuldengeplagte Flugge-
sellschaft Air India setzt ihr
fliegendes Personal auf Diät.
Besatzungen bekämen wäh-
rend der Flüge künftig fett-
arme Mahlzeiten vorgesetzt.
Ziel sei es, den Mitarbeitern
während des Einsatzes ge-
sunde und kostengünstige
Nahrung anzubieten. Neben-
effekt: Der weitgehend vege-
tarische Speisezettel senkt
die Kosten pro Mahlzeit um
ein Drittel. Allerdings hat Air
India Schulden von über
sieben Milliarden Euro.


SACK REIS


N


ach dem Angriff auf
das Herz der saudi-
schen Ölindustrie am
WWWochenende erhöhen Saudi-ochenende erhöhen Saudi-
Arabien und die USA den
Druck auf den Iran. US-Präsi-
dent Donald Trump kündigte
noch härtere Sanktionen an.
Das saudische Militär unter-
mauerte mit der Präsentati-
on eines angeblichen irani-
schen Marschflugkörpers
VVVorwürfe, Teheran sei fürorwürfe, Teheran sei für
den Angriff verantwortlich.
Militärsprecher Turki al-Mal-
ki sagte, die Attacke sei „aus
dem Norden“ gekommen
und zweifellos vom Iran un-
terstützt worden. Er sagte
dabei aber nicht direkt, dass
der Marschflugkörper von
iranischem Territorium und
iranischen Revolutionsgar-
den abgefeuert worden sei.
Al-Malkis Wortwahl legt
nahe, dass Saudi-Arabien
versuchen will, einen Aus-
bruch eines Krieges am Golf
zu verhindern – auch wenn
der Angriff die saudische Öl-
produktion erheblich beein-
trächtigt hatte und sich das
Königreich mit Zurückhal-
tung der Gefahr weiterer At-
tacken aussetzt.
Unterdessen hat Trump
nach dem Rauswurf des
Hardliners John Bolton die
Ernennung des Diplomaten
Robert O’Brien zum neuen
Nationalen Sicherheitsbera-
ter angekündigt. O’Brien sei
bislang „sehr erfolgreich“ als
Sondergesandter für Geise-
langelegenheiten im Außen-
ministerium tätig gewesen,
erklärte Trump auf Twitter.
„Ich habe lang und hart mit
Robert gearbeitet. Er wird ei-
nen super Job machen.“. Der
Jurist wird der vierte Natio-
nale Sicherheitsberater in
Trumps Amtszeit. Der Natio-
nale Sicherheitsberater spielt
bei der Ausarbeitung der Au-
ßen- und Sicherheitspolitik
eine wichtige Rolle.


Saudi-Arabien


beschuldigt


den Iran


Trump ernennt neuen


Sicherheitsberater

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