Süddeutsche Zeitung - 12.09.2019

(Brent) #1
Der Kultur- und Freizeit-Service
mit Tippsvom 12. bis 18. September

Tel Aviv– Die EU kritisiert das Wahlver-
sprechen des israelischen Ministerpräsi-
denten Benjamin Netanjahu, das Jordantal
im besetzten Westjordanland zu annektie-
ren. Ähnlich äußerten sich die UNO und die
Arabische Liga. In Israel wird kommenden
Dienstag gewählt. sz  Seiten 4 und 7

von cathrin kahlweit

London– Das höchste schottische Beru-
fungsgericht hat die Zwangspause des briti-
schen Parlaments, die von der Regierung
beschlossen worden war, für unrechtmä-
ßig erklärt. Die Richter erklärten, die Regie-
rung unter Boris Johnson sei von dem „un-
angemessenen Ziel geleitet gewesen, das
Parlament auszuschalten“. Die Zwangspau-
se sei „ungesetzlich“. Das Gericht deutete
an, auch die Queen, welche die Zwangspau-
se genehmigen musste, sei in die Irre ge-
führt worden.
Eine erste Instanz hatte die Klage, die
von 75 Abgeordneten unter Führung der
Schottin Joanna Cherry angestrengt wor-
den war, abgewiesen. Eine umgehende Öff-
nung des Parlaments wies das schottische
Berufungsgericht aber nicht an; es verwies

vielmehr auf ein Urteil des Obersten Ge-
richtshofs am kommenden Dienstag. Dies
soll letztgültig über diese Klage sowie zwei
weitere, ähnliche Verfahren urteilen, die
parallel in London und Belfast anhängig
sind. In erster Instanz hatte ein Gericht in
London in dem Prozess, der auch von Ex-
Tory-Premier John Major unterstützt
wird, entschieden, dies sei keine juristi-
sche, sondern eine politische Frage. Die
drei Verfahren werden nun beim Verfas-
sungsgericht gebündelt.
Über die konkreten Folgen des Richter-
spruchs herrschte in London am Mittwoch
Verwirrung. Einige Abgeordnete forder-
ten, die Unterhaussitzungen umgehend
wieder aufzunehmen. Der ehemalige Tory-
Abgeordnete Dominic Grieve sagte, wenn
Johnson „die Queen belogen habe“, müsse
er zurücktreten. Ein Regierungssprecher

„bedauerte“ den Richterspruch. Downing
Street will Berufung vor dem Obersten Ge-
richtshof einlegen. Die Regierung weigert
sich aber, vor dem Urteil des Höchstge-
richts Konsequenzen zu ziehen.
Die Klageführer in Edinburgh hatten ar-
gumentiert, die fünfwöchige Prorogation
des Parlaments sei unrechtmäßig, weil sie
nicht, wie von Downing Street argumen-
tiert, zur Vorbereitung der Regierungser-
klärung am 14. Oktober diene. Sie ziele viel-
mehr darauf, das Parlament in seiner Ar-
beit zu behindern. Darauf deute allein
schon die außergewöhnliche Länge der
Prorogation hin; normalerweise dauert die
Parlamentspause maximal zwei Wochen.
Bei der Verhandlung in erster Instanz
vergangene Woche waren Unterlagen an
die Öffentlichkeit gelangt, die belegen,
dass Johnson die Schließung des Unterhau-

ses schon Mitte August, als das Parlament
noch in der Sommerpause war, geplant hat-
te. In den Dokumenten fanden sich auch
Bemerkungen, die zeigen, dass Johnson
die Debatte im Parlament über den Brexit
für unnötig, ja lästig hielt. Öffentlich hatte
der Premier beteuert, die Dauer der Proro-
gation sei „normal“ und die Abgeordneten
hätten genug Zeit zu debattieren.
Allerdings hatten die Parlamentarier
die kurze Zeit bis zur Zwangspause, die in
der Nacht zum Dienstag in Kraft trat, tat-
kräftig genutzt: Sie beschlossen ein Ge-
setz, das Johnson verbietet, die EU ohne
Deal zu verlassen – und verweigerten ihm
Neuwahlen. Die Tonlage gegenüber John-
son wird derweil immer schärfer. Gewerk-
schaftschef Len McClusky drohte John-
son, er könne im Gefängnis landen, wenn
er sich nach Schottland wage.  Seite 4

Berlin– Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) hat in der Generaldebatte des Bun-
destags den Klimaschutz als „Menschheits-
herausforderung“ bezeichnet. Sie sagte:
„Wenn wir den Klimaschutz vorantreiben,
wird es Geld kosten“, dieses Geld sei aber
gut eingesetzt. Nichts zu tun, wäre am En-
de teurer. Die Kanzlerin warnte vor einer
Spaltung zwischen denen, die erneuerbare
Energien fordern, und jenen, die Sorge vor
neuen Lasten hätten. „Wir müssen ein neu-
es Bündnis von Stadt und Land schaffen“,
sagte Merkel. sz  Seiten 4 und 5

Die Seite Drei


Lega-Chef Salvini erschien wie


ein Mann für die Ewigkeit. Dann


hat sich Italien neu sortiert 3


Meinung


John Boltons Abgang ändert


nichts daran, dass Donald Trump


ein Problem für die Welt ist 4


Politik


Warum wählen Langzeitarbeitslose


häufig die AfD, und was


kann man dagegen tun? 5


Wirtschaft


EineAnleitung zum


nachhaltigen Schenken


und Feiern 22


Medien


Schauspieler David Bennent spricht


über „Die Blechtrommel“,


das Kleinsein und den Hass 39


TV-/Radioprogramm 40
Forum & Leserbriefe 13
Kino · Theater im Lokalteil
Rätsel 14
Traueranzeigen 24


Keine tanzenden Pandas mehr: Der Ma-
gistratder Stadt Prag hat genug davon.
Menschen, die in zimmerhohe Kostüme
diverser Tierarten schlüpfen, Touristen
belustigen und damit etwas Geld verdie-
nen, haben in den vergangenen Monaten
das Bild des Altstädter Rings im Zentrum
der tschechischen Hauptstadt geprägt.
Aber die Stadtpolitiker finden, dass das
Palais Kinský, in dem Kafka zur Schule
ging, ortsbildprägender sein sollte als ein
mit den Ohren wackelnder Riesenpanda-
bär. Diese Art Straßenkunst störe die „äs-
thetische Ansicht“ des Platzes, heißt es
offiziell. Sogar dann, wenn es sich um den
inoffiziellen Nationalhelden, die Trick-
filmfigur des kleinen Maulwurfs handelt.
Wie vielen anderen Orten wird Prag sei-
ne Schönheit langsam zur Last. Neun Mil-
lionen Touristen werden bis Ende des Jah-
res in der 1,3-Millionen-Einwohner-Stadt
erwartet. Laut dem Verband European Ci-
ties Marketing liegt Prag gemessen an

den Übernachtungszahlen mittlerweile
zwischen Barcelona und Wien auf Platz
acht im europäischen Ranking.
Damit unter der erdrückenden Beliebt-
heit die Anmut nicht flöten geht, führt die
Stadt schon seit längerer Zeit einen
Kampf gegen das sogenannte Busking,
also Straßenmusik, im weiteren Sinne
Straßenkunst. Es ist bezeichnend, dass
die tschechische Sprache, die gekonnt
fast alle Fremdwörter mit eigenen Aus-
drücken übertrumpft, hier auf dem engli-
schen Begriff beharrt.
Am Fremdartigen, wie afrikanischen
Trommeln inmitten barocker, mitteleuro-
päischer Architekturpracht, entzündete
sich der Streit schon früher. Gleichzeitig
versammelt sich die Straßenmusikszene

weltweit unter dem Begriff Busking und
kämpft auch in Prag um ihre Auftritts-
rechte. Zuletzt mit einer Petition. Ergeb-
nis, vorerst: Piccoloflöten mit ihren ho-
hen Tönen dürfen wieder gespielt wer-
den, Pandas und Plüsch-Maulwürfe müs-
sen raus. Echte Tiere sind als Artisten so-
wieso verboten. „Die Altstadt ist kein Ver-
gnügungspark“, erklärte die zuständige
Kulturrätin.
Mit anderen Folgen billiger Flugtickets
und günstiger Bierpreise tut sich die
Stadt deutlich schwerer. Die Bier-Bikes
zu verbannen ist dem Magistrat noch
nicht gelungen. Die verwinkelte Bürokra-
tie hat es dahin gebracht, dass nun das In-
nenministerium darüber nachdenken
muss, wer eigentlich zu entscheiden hat,

ob Menschen auf einem mit Pedalen aus-
gerüsteten Bierfass herumfahren dürfen.
Noch schwerer beizukommen ist dem
nächtlichen Lärm. Seit Anfang des Jahres
soll ein Nachtbürgermeister zwischen
den Interessen der Anwohner und den
der feierwilligen Touristen vermitteln.
Sein Amt wie seine bisherigen Amtshand-
lungen sind stark an Amsterdam orien-
tiert. Auch Prag droht lärmenden Touris-
ten Bußgelder an. Bis zu 400 Euro kann es
kosten, nach 22 Uhr den Schlaf der Anwoh-
ner zu stören. Eine neue Plakatkampagne
will den Touristen Benimmregeln vermit-
teln. Dass die Vorschriften angesichts Poli-
zistenmangels durchgesetzt werden, be-
zweifelt sogar der Nachtbürgermeister.
Dafür haben die Tagbürgermeister mit
der Verbannung der Pandas ihren Beitrag
zur Schönheitspflege geleistet. Und im
selben Aufwasch auch die Riesenseifen-
blasen verboten. Wegen Straßenver-
schmutzung. viktoria großmann

Mehr Aufmerksamkeit als Joshua Wong erlebt derzeit wohl kein Berlin-Besucher. Der Bürgerrechtler aus Hongkong wirbt für die
Protestbewegung dort, die um demokratische Grundrechte kämpft. „Hongkong ist das neue Berlin in einem neuen Kalten Krieg“,
sagte er. Kaum zufällig rief Angela Merkel nun im Bundestag China auf, die Menschenrechte in Hongkong zu achten. Und Peking be-
stellte angesichts des Wohlwollens für Wong in Berlin den deutschen Botschafter ein.FOTO: HANNIBAL HANSCHKE /REUTERS  Seiten 4 und 6

Mittwoch-Lotto(11.09.2019)
Gewinnzahlen:3, 8, 17, 28, 38, 42
Superzahl: 1
Spiel 77: 2220858
Super 6:2 7 9 6 9 4 (Ohne Gewähr)

Bethlis BahnMit kleinen,von Bauern be-
triebenen Seilbahnen kann man als Wande-
rer im Engelbergertal in der Schweiz viele
Höhenmeter sparen – doch sie haben noch
eine viel wichtigere Funktion.  Seite 29

Berlin– In der Berateraffäre bei der Deut-
schen Bahn werfen die vom Konzern einge-
setzten Ermittler aktiven und ehemaligen
Managern in mehreren Fällen Verstöße ge-
gen Aktienrecht vor. Sie beanstanden nach
ihren wochenlangen Untersuchungen ins-
gesamt 13 Verträge mit Ex-Vorständen
und Ex-Geschäftsführern. Das geht nach
Informationen derSüddeutschen Zeitung
aus dem Abschlussbericht einer Kanzlei
für den Bahn-Aufsichtsrat hervor.
Die Deutsche Bahn hat demnach zahlrei-
che Top-Manager mit Beraterverträgen
versorgt, die eigentlich schon ausgeschie-
den waren. Die nötige Zustimmung des
Aufsichtsrats holten Manager in den
Fällen nicht ein. Die schreibt das Aktien-
recht jedoch vor, um Selbstbedienung in
Deutschlands Chefetagen sowie verdeckte

Abfindungen zu verhindern. Die Ermittler
hatten demnach Beraterverträge über fast
zehn Jahre unter die Lupe genommen. Da-
bei geht es um ein Gesamtvolumen von et-
wa elf Millionen Euro.
Die Affäre zieht damit weitere Kreise. In
elf Fällen richten sich die Vorwürfe gegen
Manager von Konzerntöchtern. In zwei wei-
teren erreichen sie aber auch die Konzern-
spitze, in einem sogar einen aktuellen
Bahnvorstand: Berthold Huber. Als brisant
gelten deshalb vor allem Verträge für den
ehemaligen Personenverkehrsvorstand
der Bahn, Ulrich Homburg, von dem sich
die Bahn 2015 getrennt hatte. Homburg
hatte eine Abfindung bekommen. Den-
noch hatten Bahnmanager mit ihm dem Be-
richt zufolge auch noch Beraterverträge
über etwa eine Million Euro abgeschlossen


  • ohne Zustimmung des Aufsichtsrats. Auf-
    sichtsräte hatten die Abfindung für den Ex-
    Manager begrenzen wollen und sind sauer
    über das Ausmaß. „Die Größenordnung ist
    nicht nachvollziehbar“, heißt es aus dem
    Aufsichtsrat. Der Verdacht einer verdeck-
    ten Abfindung dränge sich auf.
    Für die Beteiligten hat dies teilweise
    bereits finanzielle Folgen. Die Bahn stopp-
    te nach Angaben aus Aufsichtsratskreisen
    die Auszahlung einer noch offenen
    Tranche von 162 000 Euro. Doch auch im
    aktuellen Vorstand drohen Konsequenzen.
    Einen der Verträge soll der amtierende Per-
    sonenverkehrsvorstand Berthold Huber
    unterzeichnet haben. Huber komme aber
    wohl mit einem blauen Auge – einem „Rüf-
    fel“ – davon, heißt es in Aufsichtsratskrei-
    sen. Denn der Verdacht, dass es für die Gel-


der keine Gegenleistung gab, scheint aus-
geräumt. Homburg habe für die Beträge
auch in angemessener Form gearbeitet,
heißt es. Ihm macht der Bericht keine Vor-
würfe. Homburg und die Bahn wollten sich
zu den Vorgängen nicht äußern.
Einen weiteren Fall halten Ermittler
und Aufsichtsräte dagegen für kritisch.
Ein Ex-Vorstand einer Tochter soll 2011 ei-
nen Beratervertrag über 375 000 Euro brut-
to bekommen haben. Belege, dass dafür
eine Leistung folgte, fanden die Prüfer
nicht. Die Bahn will den Betrag zurückfor-
dern. Der Bericht fordert auch vom gesam-
ten Aufsichtsrat eine Reaktion. Der solle
als Konsequenz aus der Affäre „den Ab-
schluss von Beraterverträgen“ mit ehema-
ligen Vorständen oder Geschäftsführern
unterbinden. markus balser

München– Die deutsche Wirtschaft steht
nach Einschätzung des Kieler Instituts für
Weltwirtschaft (IfW) an der Schwelle zur
Rezession. Im 3. Quartal werde die Wirt-
schaft stärker schrumpfen als im Quartal
zuvor. Das IfW rechnet mit einem Minus
von 0,3 Prozent.sz  Wirtschaft

Berlin – Der Bau des Museums des


  1. Jahrhunderts am Berliner Kulturfo-
    rum wird viel teurer als geplant. Nach ei-
    ner Überarbeitung des Entwurfs der Archi-
    tekten Herzog & de Meuron soll es statt
    200 Millionen Euro nun bis zu 600 Millio-
    nen kosten. sz  Seite 4 und Feuilleton


Richter stellen sich gegen Johnson


Ein schottisches Gericht erklärt die Zwangspause des britischen Parlaments für illegal.


Der Premier habe damit allein die Absicht verfolgt, die Arbeit der Abgeordneten zu behindern


Süddeutsche ZeitungGmbH,
Hultschiner Straße8, 81677 München; Telefon 089/2183-0,
Telefax -9777; [email protected]
Anzeigen:Telefon 089/2183-1010 (Immobilien- und
Mietmarkt), 089/2183-1020 (Motormarkt),
089/2183-1030 (Stellenmarkt, weitere Märkte).
Abo-Service:Telefon 089/21 83-80 80, http://www.sz.de/abo
A, B, ES (Festland, Balearen), F, GR, I, L, NL, P, SLO, SK: € 3,70;
ES (Kanaren): € 3,80; dkr. 29; £ 3,50; kn 30; SFr. 4,90; czk 105; Ft 990

Xetra Schluss
12359 Punkte

N.Y. Schluss
27137 Punkte

22 Uhr
1,1007 US-$

HEUTE


Die SZ gibt es als App
fürTablet und Smart-
phone: sz.de/zeitungsapp

Im Süden scheint nach dichten Wolken-
oder Nebelfeldern häufig die Sonne. Über
den Norden und die Mitte ziehen bis zum
Abend dichte Wolken, es gibt aber kaum
Schauer. Mit 18 bis 26 Grad wird es wieder
etwas wärmer.  Seite 13 und Bayern

Prüfer werfen Bahnmanagern Mauscheleien vor


Ausgeschiedene Führungskräfte erhielten gut dotierte Beraterverträge. Dabei soll das Aktienrecht missachtet worden sein


Maulwürfe raus


Prag kämpft gegen die Auswüchse des Tourismus


EU kritisiert Netanjahus


Annexionspläne


Deutsche Wirtschaft


steht vor Rezession


Kostenexplosion bei


Berliner Museum


+ 0,74% + 0,85% - 0,

Hongkongs Stimme


26 °/8°


MÜNCHNER NEUESTE NACHRICHTEN AUS POLITIK, KULTUR, WIRTSCHAFT UND SPORT


WWW.SÜDDEUTSCHE.DE HMG MÜNCHEN, DONNERSTAG, 12. SEPTEMBER 2019 75. JAHRGANG/ 37. WOCHE / NR. 211 / 3,00 EURO


REISE


GRAFIK: CHRISTINE RÖSCH

Merkel wirbt


für Klimabündnis


Bundeskanzlerin warnt
vor einer Spaltung des Landes

Dax▲ Dow▲ Euro▼


Rausch der Geschwindigkeit: Wenn Rasen zum Mord wird Thema des Tages


(SZ) In den Schweizer Bergen lebte einst
ziemlich zurückgezogen und mit der Welt
zerfallen der Alpöhi. Missmutig musste er
eines Tages zur Kenntnis nehmen, dass er
sich um seine Enkelin kümmern sollte. Er
ahnte, dass das ein Trick der Weltleute
war, ihn in die Gesellschaft zurückzuho-
len. Und so kam es dann auch. Zwar trugen
die Bücher, die über ihn erschienen, den
Namen seiner Enkelin, aber der Weltruhm
brach über beide herein. Die Autorin, die
ihm das eingebrockt hatte, war ziemlich
raffiniert vorgegangen. Schamlos hatte sie
das traurige Schicksal ausgenutzt, das
Heidi zur Waise gemacht hatte, und in die
Leerstelle, die durch den Tod der Eltern
entstanden war, ein riesengroßes Denk-
mal gesetzt. Mitten auf seine Alp. Ein
Monument der unverbrüchlichen, allen Un-
bilden trotzenden, sicherheitsspendenden
Verbindung zwischen Großvater und Enke-
lin. Der Alpöhi schüttelte über das Denk-
mal den Kopf, aber er war ja nicht blöd. Er
erkannte sofort, dass damit die moderne
Zeit in seine Einsiedlerwelt einzog, dass es
ein Denkmal der Zukunft war. Seufzend
machte er sich daran, ihm immer ähnli-
cher zu werden, und als er damit fertig war,
sah er aus wie Bruno Ganz.
In Frankfurt am Main, wo Heidi der ge-
lähmten Klara Gesellschaft leistete, war
die Zukunft schon ein bisschen weiter vor-
angekommen. Hier kam Heidi, damit sie
vom Erfolg ihres Buches nicht ausgeschlos-
sen war, in den Genuss umsichtiger Lese-
förderung durch Klaras Großmutter. Und
als dann die Zeiten immer moderner wur-
den, erstanden Heidis Eltern wieder von
den Toten auf. Der Vater fand eine Anstel-
lung bei einer Zürcher Bank, die Mutter bei
einem Start-up-Unternehmen im IT-Be-
reich. Beide waren so quicklebendig, dass
sie immer mal wieder abwesend waren,
und da traf es sich gut, dass der Alpöhi und
Klaras Großmutter, der eine mit der Seil-
bahn, die andere mit dem ICE, in der mo-
dernen Schweiz angekommen waren, um
die Leerstellen zu füllen. Nichts mehr von
Einsiedlertum und Hinter-dem-Ofen-Sit-
zen. Naturkunde, Leseförderung, Konzert-
besuche, Ausflüge rund um die Uhr. Moder-
ne Großeltern sind vital, unverbrüchlich, al-
len Unbilden trotzend und sicherheitsspen-
dend für ihre Enkel und Kinder im Einsatz.
Damit sie wissen, wie das geht, gibt es
seit 2014 in der Schweiz das MagazinGroß-
eltern. Als die Schweiz zwei Jahre später als
erstes Land im deutschsprachigen Raum
den Großelterntag einführte, hieß es, das
Magazin habe den Gedenktag lanciert. Im
Oktober kommt die deutsche Ausgabe auf
den Markt. Und da in Deutschland der Fort-
schritt bekanntlich in Bayern zu Hause ist,
hat der Ministerpräsident Markus Söder
per Twitter die Einführung des Großeltern-
tages in Bayern bekannt gegeben: „Am
zweiten Sonntag im Oktober würdigen wir
Oma und Opa.“ Als Special Guest aus dem
benachbarten Ausland wird der Alpöhi er-
wartet.


DAS WETTER



TAGS

NACHTS

4 190655 803005

43037
Free download pdf