Süddeutsche Zeitung - 12.09.2019

(Brent) #1
von angelika slavik

D


er 23. Juli war ein ausgezeichne-
ter Tag im Leben von Angela Titz-
rath, denn es war der Tag, an
dem endlich ein Bagger zu sehen
war. Titzrath, 53, hatte verdammt lange
auf diesen Bagger gewartet, zwischen-
durch konnte man sich nicht sicher sein,
ob er jemals kommen würde. Tat er dann
aber doch. So war der 23. Juli der Tag, an
dem sich abzeichnete, dass das, was Titz-
rath sich da vorgenommen hat, nicht aus-
sichtslos war. Dass sie es schaffen könnte,
schlussendlich.
Angela Titzrath ist die Chefin des Hafen-
logistikkonzerns HHLA. Das Unterneh-
men betreibt in Hamburg drei große
Containerterminals, organisiert also die
Be- und Entladung von Containerschiffen.
Das macht Titzrath zur wichtigsten Mana-
gerin im Hamburger Hafen – und zu der
Frau, die diesen Hafen vor der Bedeutungs-
losigkeit retten soll. Ohne den Bagger hätte
das wohl nicht geklappt.
Mehr als 15 Jahre lang hat Hamburg
über die Elbvertiefung gestritten. Diese In-
frastrukturmaßnahme sieht vor, dass die
Fahrrinne in der Elbe, auf der die großen
Schiffe den Hamburger Hafen erreichen,
vertieft und verbreitert werden soll. Aus
Sicht der Hafenwirtschaft ist das absolut
notwendig, denn die Schiffe, die rund um
den Globus auf den Weltmeeren unter-
wegs sind, werden immer größer. Mittler-
weile passen auf die größten Schiffe mehr


als 23 000 Standardcontainer, eine schier
unglaubliche Zahl. Solche Riesenfrachter
sind oft länger, als das Empire State Buil-
ding hoch ist, und sie liegen, vor allem,
wenn sie voll beladen sind, entsprechend
tief im Wasser.
Für Hamburg ist das ein Problem. Denn
der Hafen liegt mitten in der Stadt, um ihn
zu erreichen, müssen die Schiffe durch die
Elbe – und viele der neuen Riesenfrachter
passen da nicht durch. Es ist zu eng und es
ist zu flach. Welche Zukunft kann ein Ha-
fen haben, der für die wichtigsten Schiffe
unerreichbar ist?
Die Elbvertiefung aber hat auch harte
Gegner. Vor allem die Auswirkungen auf
Pflanzen und Tiere brachten Umwelt-
schutzorganisationen gegen das Projekt
auf. Die Elbe ist eben mehr als eine Fahrrin-
ne für Schiffe, sie ist auch ein Lebensraum

für gefährdete Arten. Und welche Zukunft
können Tiere und Pflanzen haben, denen
die Lebensgrundlage weggebaggert wird?
Dieses Dilemma diskutierte Hamburg
also 15 Jahre lang, in der Stadt und vor di-
versen Gerichten. Als Angela Titzrath 2017
Vorstandsvorsitzende bei der HHLA wur-
de, ließ sich nicht absehen, wie der Streit
um die Elbvertiefung ausgehen würde.
Titzrath hatte also hoch gepokert: Wäre

der Bagger niemals gekommen, ihre Missi-
on in Hamburg wäre zum Scheitern verur-
teilt gewesen. Aber er kam.
Angela Titzrath, geboren in Essen, ist
keine Frau, die das Risiko scheut. Vor ein
paar Jahren war sie mal zu Gast bei einer
Podiumsdiskussion, es ging um das unge-
nutzte Potenzial von Frauen auf dem Ar-
beitsmarkt. Titzrath, damals noch Perso-
nalchefin der Deutschen Post AG, sagte,
man müsse Frauen ermutigen, Großes zu
träumen – und zwar „ohne sich dabei von
Hürden erschrecken zu lassen“. Rückbli-
ckend kann man konstatieren, dass Titz-
rath ihrem eigenen Rat folgt: Sie lässt sich
nicht erschrecken. Und sie träumt groß.
Sehr groß.
Dass die Elbvertiefung nun doch umge-
setzt wird, ist eine Voraussetzung für Titz-
raths Erfolg in Hamburg, aber längst keine
Garantie. „An den Landungsbrücken
raus /dieses Bild verdient Applaus“, singt
die Hamburger BandKettcar, und tatsäch-
lich bietet der Hafen, das Zentrum dieser
Stadt, einen atemraubenden Anblick. Aber
jenseits der schönen Bilder ist die Lage
komplizierter, es gibt viel zu tun, damit der
Hafen auch perspektivisch mit der Konkur-
renz mithalten kann.
Titzrath treibt seit ihrem Amtsantritt
vor allem die Digitalisierung voran, sie ver-
ändert Arbeitsprozesse und sie verstärkt
die Aktivitäten im Ausland, kaufte zum Bei-
spiel ein Containerterminal in Estland.
Aber natürlich weiß sie auch, dass Ham-
burg nun von ihr erwartet, dass sie neuen
Verkehr an die Hamburger Containertermi-
nals holen kann. Im ersten Halbjahr dieses
Jahres stagnierte der Containerumschlag
an den Hamburger HHLA-Terminals. Der
Baubeginn der Elbvertiefung hat bislang
also keine Auswirkung gezeigt. „Das ist na-
türlich klar, dass sie das jetzt liefern muss,
nach dem ganzen Theater“, sagt einer aus
der Hafenwirtschaft und fasst damit die Er-

wartungshaltung zusammen. Der lang er-
sehnte Bagger muss nicht nur die Elbe
tiefer, sondern auch die Zahlen besser ma-
chen.
„Ideen allein verändern nichts, sondern
nur der Mut, sie umzusetzen“, sagte Titz-
rath kürzlich in einem Interview. Das passt
zu einem ihrer Prestigeprojekte für Ham-
burg: zum Hyperloop. Im vergangenen
Dezember präsentierte Titzrath eine Ko-
operation mit dem amerikanischen Unter-
nehmen Hyperloop Transportation Tech-
nologies, kurz Hyperloop TT. Das Ziel:
Statt die Container von den Schiffen auf
Lkws oder auf die Bahn zu verladen, um sie

zu ihrem endgültigen Bestimmungsort im
Hinterland zu bringen, sollen sie in Zu-
kunft mit dem Hyperloop transportiert
werden, also über ein Röhrensystem, in

dem die Container im Vakuum mit 1200 Ki-
lometern pro Stunde binnen Sekunden an-
geschossen kommen. Klingt abenteuer-
lich? „Ein mutiger Beginn ist der halbe Ge-
winn“, sagt Titzrath.

Die Idee geht zurück auf ein Konzept,
das Tesla-Gründer Elon Musk vorgestellt
hatte, der mit Hyperloop TT aber nicht in
Verbindung steht. Seine Pläne bezogen
sich allerdings auf den Transport von Men-
schen, er sieht den Hyperloop als eine Art
superschnelle Vakuum-Bahn. Der Trans-
port von Gütern, konkret von Schiffscon-
tainern, wäre ein absolutes Novum – wenn
dieses Projekt funktioniert, wäre der
HHLA-Chefin weltweite Aufmerksamkeit
auch außerhalb der Branche sicher.
Nicht nur deshalb wird Titzrath in Ham-
burgs maritimer Wirtschaft immer noch
skeptisch beäugt. Es gebe ja „kein Entkom-
men vor dieser Frau“, ätzt einer – und tat-
sächlich ist Titzrath nicht nur auf den Wirt-
schaftsseiten präsent, sie füllt die Rolle als
Hamburgs Vorzeigemanagerin mit Verve
aus, lässt sich sehen auf den Events dieser
Stadt. 2018 wurde sie „Hamburgerin des
Jahres“.
Zuletzt intensivierte sie ihre Kontakte
nach China, das Land gewinnt in der Schiff-
fahrtsbranche immer weiter an Bedeu-
tung – und Titzrath ließ Sympathie für die
Idee erkennen, unter Beteiligung chinesi-
scher Investoren ein gemeinsames neues
Hafenterminal zu bauen. Das ist in Ham-
burg politisch umstritten. Aus Sicht der Ha-
fenwirtschaft aber verständlich, denn so
könnte man gemeinsame Interessen mit
China verfolgen. Das erscheint vielen in
Hamburg angenehmer als die Vorstellung,
chinesische Wirtschaftskraft könnte nur
die Konkurrenten stärken.
Titzrath hat ihren Vertrag als HHLA-
Chefin bereits bis 2024 verlängert, vor
ihrem Job in Hamburg arbeitete sie als Per-
sonalvorständin bei der Post und in ver-
schiedenen Managementpositionen bei
Daimler. Titzrath sei eine, die ganz hoch
hinauswolle, heißt es in der Stadt über sie.
Das soll kritisch klingen – sie würde es
wohl als Kompliment verstehen.

Hamburg konkurrierte lange mit Antwerpen
um die Position als zweitgrößter Hafen in Eu-
ropa, gemessen an der Menge der umge-
schlagenen Güter. Der mit Abstand größte
europäische Hafen ist Rotterdam. Doch wäh-
rend Antwerpen und Rotterdam in den ver-
gangenen Jahren deutlich zulegen konnten,
stagnierten die Zahlen in Hamburg. Der Rück-
stand vergrößerte sich auch im vergange-
nen Jahr: Der gesamte Güterumschlag des
größten deutschen Hafens verringerte sich
2018 um ein Prozent auf 135 Millionen Ton-
nen. Auch der Containerumschlag war leicht
rückläufig, er lag 2018 bei 8,7 Millionen Stan-
dardcontainern (TEU).
Bemerkenswert dabei: Die Zahl der Contai-
ner, die zwischen Hamburg und China trans-
portiert wurden, ist gesunken. China ist mit
Abstand der wichtigste Handelspartner, je-
der dritte Container in Hamburg kommt aus
dem Land oder wird dorthin verschifft. Wäh-
rend der Hamburger Hafen kämpft, läuft es
für die Konkurrenten deutlich besser: Ham-
burg ist mit diesen Zahlen die Nummer drei
in Europa, der Abstand zu Rotterdam und

Antwerpen wächst. Zum Vergleich: In Rotter-
dam wurden im vergangenen Jahr 14,5 Millio-
nen Standardcontainer umgeschlagen, im
belgischen Antwerpen 11,1 Millionen Stan-
dardcontainer.
Dazu kommen neue Konkurrenten, allen
voran der Hafen von Piräus in Griechenland.
Ging es dort 2008 noch recht beschaulich zu


  • damals wurden 433 000 Container im Jahr
    umgeschlagen –, änderte sich das mit dem
    Einstieg chinesischer Investoren. Der staats-
    eigene Logistikkonzern Cosco agierte zu-
    nächst als Pächter eines neuen Containerter-
    minals, 2016 kaufte das Unternehmen vom
    griechischen Staat 51 Prozent der Anteile am
    Hafen. 2021 werden sie weitere 16 Prozent
    der Anteile übernehmen. Unter dem chinesi-
    schen Einfluss gewann Piräus Anteile in
    atemraubendem Tempo: 2018 wurden be-
    reits 4,9 Millionen Standardcontainer umge-
    schlagen, mehr als elfmal so viel wie zehn
    Jahre zuvor. Piräus ist damit bereits die Num-
    mer fünf in Europa und der wichtigste Contai-
    nerhafen im Mittelmeer – Hamburg muss
    sich also ranhalten. AS


Groß


träumen


Angela Titzrath soll den Hamburger Hafen


vor der Bedeutungslosigkeit retten. Das macht


sie mit Verve – ohne Angst vor Hindernissen Eines ihrer Prestigeprojekte
ist derBau eines Hyperloops
für Frachtgut

Die neue Chefin verändert
Arbeitsprozesse und verstärkt
die Aktivitäten im Ausland

Harte Konkurrenz


Angela Titzrath arbeitete
vor ihremJob in Hamburg
als Personalvorständin
bei der Post und in
Managementpositionen
bei Daimler.
FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS / DPA

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