Süddeutsche Zeitung - 12.09.2019

(Brent) #1
von thomas kistner

I


mmer häufiger gibt es nun befremdli-
che Bilder von Gianni Infantino. Sie
zeigen ihn in der Vorwoche, als er an
Wladimir Putins Seite Narendra Modi
empfing: Indiens Premier war nach Wla-
diwostok gereist, um Militärkooperatio-
nen mit dem Kremlchef zu besiegeln.
Doch kaum war er der Limousine entstie-
gen, musste der arme Modi erst mal die-
sen Kerl begrüßen, der ihn wie eine Grin-
sekatze fixierte, als ihn Putin vorstellte.
Tage später, auf dem Rasen des Wei-
ßen Hauses: Donald Trump schlenderte
der Hauptstadtpresse entgegen, an sei-
ner Seite der Mann, der gerade das sensib-
le Geschäftstreffen der Oberhäupter
Russlands und Indiens garniert hatte.
Mit Grinsekatze-Miene lauschte Infanti-
no den Worten des größten US-Präsiden-
ten aller Zeiten, der ihn naturgemäß als
„größten Mann des Fußballs“ vorstellte.


Was ist da los? Offizielle Sporttermine,
irgendetwas Sportaffines gab es weder in
Wladiwostok noch in Washington. Was
treibt den Boss eines Weltsportverban-
des dazu, wie ein Kaugummi an Potenta-
ten wie Trump und Putin zu kleben? Was
Vernünftiges kann es kaum sein. Die WM
in Russland fand 2018 statt, die WM 2026
in den USA ist noch in weiter Ferne. So
wurden entlarvende Begründungen für
die Fifa-Staatsvisiten gereicht: In Russ-
lands tiefen Osten soll irgendeine Fuß-
ballschule hin, und im Oval Office tausch-
ten sich die Experten zu einem Thema
aus, das ihnen offenbar enorm unter den
Nägeln brennt. „Wir sprachen über Frau-
enfußball“, sagte Trump, „was man da
verbessern kann, etcetera etcetera!“
Frauenfußball? Ist das nicht dieses
merkwürdige Spiel, in dem die US-Aus-
wahl gerade den WM-Titel gewann – da-
bei aber die Welt leider schon vorab
durch ihre Leitfigur Megan Rapinoe hatte
wissen lassen, man werde Einladungen
ins Weiße Haus ablehnen? Trumps Ge-
sprächspartner Infantino hatte die Frau-
en-WM im Sommer gar als so spannend
empfunden, dass er sich während des
Turniers zu einer Nahost-Konferenz im
Golfstaat Bahrain absetzte. Eingeladen
hatte ihn der Initiator: Trumps Schwie-
gersohn Jared Kushner. Die Konferenz
wurde der erwartete Fehlschlag, die be-
troffenen Palästinenser hatten Kushners
Pläne schon vorher glatt abgelehnt. Un-
klar nur, inwieweit die Sache die Immobi-
lienträume des Präsidentenschwieger-
sohnes in der Region befördert haben.
Frauen also, etcetera. Oder hatten
Trump und Infantino andere Themen?
Berichtete der Fußballboss dem US-Präsi-
denten, den er erst Wochen zuvor in des-
sen Urlaubsdomizil Bedminster heimge-
sucht hatte, gar von vertraulichen Gesprä-
chen mit Putin? Oder hat ihm Agent Null-
Null-Gianni eine Botschaft überbracht?
Mit seiner wichtigtuerischen Besuchs-
politik öffnet der Fußballboss Spekulatio-
nen Tür und Tor. Warum spielt er den glo-
balen Überpräsidenten, statt sich um die
Kickerei zu kümmern? Der Schnellbe-
fund fällt alarmierend aus. Wie ein Man-
tra verweist Infantino auf seinen Auftritt
beim G-20-Gipfel 2018 in Argentinien,
wo er die abgerockten Moralpredigten
der Fußballindustrie zum Vortrage brin-
gen durfte. Und wie ein Weberschiffchen
saust er zwischen Putin, der ihm jüngst ei-
nen Freundschaftsorden ansteckte, und
der US-Herrscherfamilie hin und her.
Zu hoffen ist, dass die Peinlichkeit nur
ist, nach was es aussieht: Die galoppieren-
de Selbstüberhöhung eines undurchsich-
tigen Sportfunktionärs, der die Bodenhaf-
tung verloren hat. Und dass er nicht aus
ganz anderen Gründen versucht, ein Ter-
rain zu bespielen, auf dem er nichts verlo-
ren hat. Etwa aus persönlichen Motiven.
Bis zur Klärung gilt, was Trump nur
Stunden nach der Präsentation Infanti-
nos vorm Weißen Haus bei einem Wahl-
kampfauftritt in North Carolina kundtat.
Da witzelte er, wegen der WM müsse er ja
nun bis 2026 im Amte bleiben – das habe
er gerade mit diesem Fußballboss bespro-
chen – äh, dingens, wie hieß der Bursche
gleich? „Gianni Infante! Ein toller Kerl!“


München– Der deutsche Fußball-Rekord-
meister Bayern München muss bis auf Wei-
teres auf Nationalspieler Leon Goretzka
verzichten. Der ehemalige Schalke-Profi
musste sich am Mittwoch einer Operation
unterziehen, bei dem Eingriff wurde ein
Bluterguss entfernt. Der 24-Jährige hatte
sich in der vergangenen Woche in der Vor-
bereitung der deutschen Nationalmann-
schaft auf das EM-Qualifikationsspiel in
Hamburg gegen die Niederlande (2:4) er-
neut am linken Oberschenkel verletzt.
Über die voraussichtliche Dauer des Aus-
falls von Goretzka machte der FC Bayern
keine Angaben. sid

Wien/Frankfurt– Österreichs Fußball-
Nationalspieler Martin Hinteregger hat
mit einer Party vor dem EM-Qualifikati-
onsspiel in Polen erneut für Aufsehen ge-
sorgt. Der Abwehrspieler des Bundesligis-
ten Eintracht Frankfurt feierte am vergan-
genen Samstag seinen 27. Geburtstag zu
lange und wurde daraufhin von National-
trainer Franco Foda für die Partie am Mon-
tag suspendiert. „Martin hat sein Fehlver-
halten eingesehen und sich entschuldigt“,
bestätigte Foda in einer Verbandsmittei-
lung am Mittwoch den Vorfall. Der 27-Jäh-
rige war bereits im Sommer negativ aufge-
fallen, als er sich im Trainingslager mit sei-
nem damaligen Verein FC Augsburg eine
Alkohol-Eskapade geleistet hatte. dpa

von sven haist

U


m zu verstehen, welche Bedeutung
das schnelle Führungstor in Eng-
land für Kosovo hatte, musste man
nur dem Kommentator des kosovarischen
Fernsehsenders RTK1 zuhören. Als Valon
Berisha bereits in der 34. Spielsekunde
zum 1:0 traf, schrie der TV-Mann ins Mikro-
fon – und zwar eine Minute lang. In der
Live-Reportage ging es ebenso euphorisch
drunter und drüber wie beim Public View-
ing in der Heimat, auch die Spieler und Gäs-
tefans im Stadion kriegten sich gar nicht
mehr ein. Selbst die englischen Anhänger,
denen beim Feiern kaum einer etwas vor-
macht, staunten über den ausgelassenen
Jubel: „Wir haben gezeigt, dass wir ein klei-
ner Staat sind, aber mit viel Herz“, sagte
Torschütze Berisha später.
Stimmungsbremsend war für das seit
2008 unabhängige kleine Balkanland le-
diglich, dass das EM-Qualifikationsspiel
nach dem Blitztreffer noch 89:26 Minuten
weiterging und 5:3 (5:1) für England ende-
te. Aber auch das war Kosovo egal – Haupt-
sache, man hatte die Möglichkeit, einmal
auf der Insel zu spielen! Viele Kosovaren
verehren den früheren englischen Premier-
minister Tony Blair, der im Kosovokrieg
Ende der 90er-Jahre auf einen Nato-Ein-
satz zum Schutz der Kosovo-Albaner ge-
gen die serbische Armee gedrängt hatte;
viele Kinder erhielten deshalb sogar den
Vornamen „Tonibler“. Vor dem Stadion in
Southampton hielten Kosovo-Fans Dan-
kesbekundungen hoch. Einer wollte mit
seinem Plakat („Für immer mit euch ver-
bunden, unser geliebtes England“) unbe-
dingt ins englische Fernsehen – er schaffte
es in die 22-Uhr-Nachrichten der BBC.

Egal, was das erst im Mai 2016 in die gro-
ßen Verbände Fifa und Uefa aufgenomme-
ne Kosovo künftig im Fußball erreichen
wird – das historische erste Tor gegen Eng-
land zählt bis in alle Ewigkeit. Berishas 1:0,
eingeleitet durch einen Fehlpass des engli-
schen Verteidigers Michael Keane, erinner-
te an das Kunstwerk eines gewissen Davi-
de Gualtieri, der vor 26 Jahren für den
Kleinstaat San Marino bereits nach 8,3 Se-
kunden ins Tor der Engländer traf.
Wie damals (7:1) siegte England auch
diesmal noch standesgemäß, die Qualifika-
tion für die EM 2020 würde bereits mit ei-
nem Erfolg in Tschechien im Oktober fest-
stehen. Der Favorit rückte die Verhältnisse
auch gegen Kosovo mit fünf Treffern noch
in der ersten Halbzeit gerade, durch Ra-
heem Sterling (8.Minute/von Manchester
City), Harry Kane (19./Tottenham Hot-
spur), ein Eigentor von Mergim Vojvoda
(38./Standard Lüttich) und die ersten Län-
derspieltore von Ausnahmetalent Jadon
Sancho (44., 45.+1/Borussia Dortmund).
Dennoch gab es nach der Pause wieder zar-
te Andeutungen der englischen Anfällig-
keit für Blamagen – wie beim Aus gegen Is-
land bei der EM vor drei Jahren. Nach den
Anschlusstoren durch erneut Berisha

(49./Lazio Rom) und Vedat Muriqi (55./Fe-
nerbahce Istanbul), die bekanntesten koso-
varischen Spieler, versemmelte der sonst
so selbstsichere Torjäger Kane zum ersten
Mal einen Pflichtspiel-Elfmeter für Eng-
land (65.). „Wir haben die zweite Halbzeit
gegen England 2:0 gewonnen. Das können
nicht viele behaupten“, sagte der charisma-
tische Kosovo-Trainer Bernard Challan-
des: „Was will man mehr?“
Trotz der ersten Niederlage seit 15 Spie-
len hält sich Kosovo erstaunlich gut bei sei-
nem EM-Qualifikationsdebüt in der Grup-
pe A – mit acht Punkten liegt das Team nur
einen Punkt hinter den zweitplatzierten
Tschechen. Und sollte der Sprung auf den

zweiten Rang im Herbst nicht mehr gelin-
gen, bliebe die Chance, über die neuen Nati-
ons-League-Playoffs zur EM zu kommen –
wohl gegen Gegner wie Georgien, Weiß-
russland und Nordmazedonien. In der Qua-
lifikation zur WM 2018 waren solche Träu-
me noch undenkbar, da schied das Team
mit nur einem Punkt und 3:24 Toren als
Gruppenletzter aus. Inzwischen schafft es
Kosovo, das nur 1,8 Millionen Einwohner
hat und in der Weltrangliste auf Platz 120
geführt wird, bekannten Fußballnationen
auf die Nerven zu gehen.
Aufgrund der schmerzhaften Vergan-
genheit, die viele Familien der Spieler ins
Ausland vertrieben hat, treten die meist

fernab der Heimat aufgewachsenen Fuß-
ballprofis in jedem Länderspiel mit einem
Pathos auf, als wäre es das letzte Spiel ihrer
Karrieren. Durch die Verpflichtung des
weit gereisten Nationaltrainers Challan-
des, 68, hat sich seit 2018 eine aggressive,
couragiert offensive Spielidee etabliert.
Den Stärken der technisch begabten Spie-
ler, die in der Heimat „Brasilianer des Bal-
kans“ genannt werden, kommt dies entge-
gen. Kicken konnte jeder einzelne schon
immer, nun harmonieren sie auch als
Team – mit dem Ziel, auf das junge Land
aufmerksam zu machen. Dafür nehmen
sie auch die noch fehlenden Strukturen ih-
res Verbands in Kauf. Ein Charterflug wie
jetzt nach Southampton ist eher eine Sel-
tenheit, früher mussten die Spieler beim
Training zuweilen Pullover verwenden,
um Löcher in den Tornetzen zu flicken.
Der Altersschnitt des Teams von 24 Jah-
re macht Hoffnung über den gegenwärti-
gen Freudentaumel hinaus. Und wer das
1:0 in England verpasst hat, sollte es sich
noch anschauen – oder zumindest anhö-
ren. Der Originalkommentar lautete aus
dem Albanischen übersetzt: „Ja, da! Die
Chance für Kosovo. Und Goooooool! Beris-
haaaaaaaa! Was ist denn das, Mensch? Ja,
was passiert denn hier? ... Der Fehler der
Engländer und sie machen es! ... Die Koso-
varen drehen durch! ... Wir sind nicht
mehr normal, verehrte Zuschauer. Ich
weiß nicht, wo das hinführen wird.“

Vilnius– Cristiano Ronaldo gab sich nach
seinemRekord bescheiden. „Mir geht es
nicht um persönliche Ehrungen, auch
wenn sie schön sind. Aber sie sind immer ei-
ne Folge dessen, was wir gemeinsam als
Team gewinnen“, sagte der portugiesische
Angreifer über seinen zweiten Karriere-
Viererpack beim 5:1 (1:0) in Litauen. Mit sei-
nen Treffern 22, 23, 24 und 25 avancierte
der 34-Jährige am Dienstag zum neuen Re-
kordtorschützen in der EM-Qualifikation
vor dem Iren Robbie Keane (23). Zudem
jagt er nun mit insgesamt 93Länderspielto-
ren den Weltrekord des Iraners Ali Daei
(109). Gegen Litauen traf der Angreifer von
Juventus Turin früh per Foulelfmeter
(7. Minute), dann legte er in der zweiten
Spielhälfte innerhalb von 14 Minuten
(62./65./76.) einen Hattrick nach. Mit acht
Punkten aus vier Spielen ist der schwach
gestartete Titelverteidiger und Nations-
League-Gewinner Portugal als Zweiter der
Gruppe B hinter der Ukraine (13 Punkte
aus fünf Spielen) der Qualifikation für die
EM 2020 nun wieder näher. dpa


Die tragische Geschichte des „blauen
Mädchens“,das sich selbst verbrannte, be-
ginnt im Azadi-Stadion in Teheran, dem
„Stadion der Freiheit“. Der Ort wird gera-
de zum Symbol dafür, dass eine Hälfte
der iranischen Bevölkerung ausgeschlos-
sen ist selbst von dieser kleinen Freiheit
in ihrem Land: der Freiheit, sich ein Fuß-
ballspiel anzusehen.
Im März hatte sich Sahar Khodayari,
29, als Mann verkleidet, um sich in das
Stadion zu schleichen. Sie wollte die
Mannschaft von Esteghlal Teheran sehen
und den deutschen Trainer Winfried Schä-
fer, den sie dort als „Dscheneral Almani“
feierten. Die Verkleidung musste sein,
weil Frauen in Iran der Stadionzugang
seit der islamischen Revolution von 1979
verboten ist. Halbnackten Männern beim
Spielen zuzuschauen, das sei eine Sünde,
so argumentieren konservative Glaubens-
führer in der islamischen Republik.
Khodayari postete noch ein Foto aus
dem Stadion, ganz in Blau gekleidet, den
Farben von Estheglal. Dann wurde sie ent-
tarnt und verhaftet, drei Tage blieb sie im
Gefängnis, ehe sie bis zur Verhandlung
wieder freigelassen wurde. Als sie bei ei-
nem Gerichtstermin am 2. September er-
fuhr, dass ihr ein halbes Jahr Gefängnis
drohen soll, übergoss sie sich mit einer
brennbaren Flüssigkeit und zündete sich
an. 90 Prozent der Haut verbrannten, sie

starb Tage später an ihren Verletzungen.
Die Nachricht löste in Iran heftige Reaktio-
nen in den sozialen Medien aus. Das
„blaue Mädchen“ wurde schnell zu einer
Ikone des Protestes gegen die Verban-
nung der Frauen aus den Stadien.
Die Verhaftung Sahar Khodayaris hat-
te Winfried Schäfer nicht mitbekommen,
er sei bestürzt gewesen, als er nun von ih-
rem Tod erfuhr, sagt er. Fußball habe eine
große Bedeutung in dem Land, die Men-
schen „klammern sich daran“, sagte Schä-
fer am Mittwoch am Telefon. Der Sport
sei „die einzige Möglichkeit, sich hier poli-
tisch zu äußern“. Wer Esteghlal unterstüt-
ze wie das Mädchen, der drücke auch eine
Nähe zum alten Schah aus, vor der Revolu-
tion hieß der Verein Taj, Krone, erklärt
Schäfer, der im April in Teheran entlassen
wurde und nun in Abu Dhabi arbeitet.
„Courage zu zeigen, ist schwer. Am En-
de unserer Zeit wurde es für unsere irani-
schen Mitarbeiter tatsächlich gefährlich“,
sagte Schäfer, der sich selbst gegen die
Verbannung der Frauen ausgesprochen
hatte. Schon während seiner Zeit in Iran
seien zwei Spieler nach Kritik am Regime
vorgeladen worden, darunter Esteghlals
Kapitän Vouria Ghafouri, der auch nun
wieder einer der Ersten war, die öffent-
lich ein Ende des Stadion-Banns forder-
ten. Er nimmt auch die Fifa in die Pflicht,
den Druck auf die Regierung zu erhöhen.

„Politik soll sich aus dem Fußball her-
aushalten, und Fußball sollte aus der Poli-
tik wegbleiben“, hatte Gianni Infantino
bei seinem Besuch in Teheran im Novem-
ber 2018 gesagt. Damals waren hunderte
ausgewählte Frauen in einem abgetrenn-
ten „Familien-Bereich“ im Stadion gewe-
sen. Nachdem der Präsident des Weltver-
bands wieder abreist war, verschwanden
auch die Frauen wieder aus der Arena.

Am Mittwoch erklärte die Fifa: „Wir for-
dern die iranischen Behörden erneut auf,
die Freiheit und Sicherheit aller Frauen
zu gewährleisten, die an diesem legiti-
men Kampf zur Beendigung des Stadion-
verbots für Frauen in Iran beteiligt sind.“
Da die Gleichbehandlung von Män-
nern und Frauen in den Fifa-Statuten
steht, könnte der Weltverband Iran von
der WM-Qualifikation ausschließen. Im
Juni hatte Infantino in einem Brief den ira-
nischen Verband aufgefordert, Frauen
den Zugang zu WM-Qualifikationsspie-
len zu erlauben. Zuletzt hatte es den An-
schein, als sollten die Tore des Azadi-Sta-
dions für Frauen beim Länderspiel gegen
Kambodscha am 10. Oktober tatsächlich
offen stehen. Zwar hatte der Stabschef
von Präsident Hassan Rohani verkündet,

dass „unter den derzeitigen Umständen
die Präsenz der Frauen nicht ratsam“ sei;
die Atmosphäre in den Stadien sei für isla-
mische Frauen nicht geeignet. Doch kurz
darauf hieß es, die Regierung habe sich
darauf verständigt, dass Frauen nun zu
„allen nationalen Spielen“ dürfen. Das be-
richtete die Nachrichtenagentur ISNA.
Immer wieder wurden Frauen in Iran
bestraft, weil sie Sportveranstaltungen
besuchten: 2014 war Ghoncheh Ghavami
zu einem Jahr Haft verurteilt worden –
weil sie ein Volleyballspiel sehen wollte.
Im März 2018 waren 35 Frauen vorüberge-
hend festgenommen worden, als sie beim
Teheraner Stadtderby zwischen Persepo-
lis und Esteghlal ins Stadion wollten. Am-
nesty International verurteilte die Hal-
tung der Regierung. „Khodayari wäre
noch am Leben, wenn es dieses Verbot,
die drakonische Strafe und die Verhaf-
tung nicht gegeben hätte“, sagte Amnesty-
Sprecher Philip Luther: „Ihr Tod darf
nicht umsonst sein.“ Ali Karimi, der frühe-
re Spieler des FC Bayern und eine einfluss-
reiche Stimme in Iran, rief zu einem Stadi-
onboykott auf. Wohlgemerkt: die Män-
ner. Andranik Teymourian, der erste
Christ, der Kapitän der iranischen Natio-
nalelf war und Anfang des Jahres seine
Karriere beendete, schrieb: „Eines Tages
in der Zukunft wird das Stadion den Na-
men Sahar tragen.“ thomas gröbner

Goretzka fehlt


dem FC Bayern


Wrexham/München– FünfEinsätze hat
der Offensivspieler Robin Hack aus Bad
Wildbad-Calmbach im Nordschwarzwald
bislang beim 1. FC Nürnberg bestritten, er
hat gute Kritiken bekommen und das Ver-
trauen von Trainer Damir Canadi – ein Tor
hat er in der zweiten Bundesliga aber noch
nicht erzielt. Dafür traf Hack am Dienstag-
abend in seinem ersten Pflichtspiel für die
deutsche U21-Nationalmannschaft, gleich
drei Mal war er Torschütze beim 5:1 in der
EM-Qualifikation in Wales, und zwar inner-
halb von nur zehn Minuten (19., 24., 29.),
was ihn selbst verblüffte: „In der U17 oder
U19 habe ich mal einen Hattrick gemacht,
aber beim DFB noch nicht.“
Hack, Ende August 21 Jahre alt gewor-
den, ist ein Beispiel für den großen Um-
bruch in der U21-Auswahl. Nur noch drei
Spieler aus jener Mannschaft, die bei der
EM im Juni das Finale erreicht hatte (1:2 ge-
gen Spanien), waren nun im Kader. Ledig-
lich sieben Akteure des neuen Aufgebots
von Trainer Stefan Kuntz spielen bei Bun-
desligisten, in der Startelf standen in Wa-
les auch Hacks Zweitliga-Kollegen Niklas
Dorsch (Heidenheim), Janni Serra (Kiel)
und Vitaly Janelt (Bochum) sowie Innenver-
teidiger Julian Chabot, der als A-Jugendli-
cher RB Leipzig verließ und über Sparta
Rotterdam und Groningen zu Sampdoria
Genua kam. „Die Jungs haben schnell ver-
standen, was wir gerne möchten. Und das
haben sie dann auch umgesetzt. Das ist
auch eine Qualität“, sagte Kuntz.
„Wenn man überlegt, dass unsere Innen-
verteidiger diese Saison noch kein Spiel ge-
macht haben und die Außenverteidiger die-
se Position im Verein nicht spielen, dann
muss ich schon sagen: Das war sehr überra-
schend und klasse von den Jungs“, betonte
der Trainer. Kuntz hatte den gelernten In-
nenverteidiger Nico Schlotterbeck (SC Frei-
burg) auf der linken Seite und den zentra-
len Mittelfeldspieler Ridle Baku (Mainz)
als Rechtsverteidiger aufgeboten, um
wuchtig über die Außen anzugreifen – ein
Plan, der aufging.
Was die Spielpraxis angeht, ist Hack als
Stammkraft beim Club eher die Ausnahme


  • er ist im Sommer aus Hoffenheim, wo er
    sich nicht durchsetzen konnte, nach Nürn-
    berg umgezogen und dort auf Anhieb ge-
    setzt. FCN-Sportchef Robert Palikuca hat-
    te schon bei Hacks Ankunft „vielverspre-
    chende Anlagen und Qualitäten“ und „eini-
    ges Potenzial“ gesehen. Der Nachwuchs-
    spieler ergänzt sich beim Club gut mit sei-
    nem erfahrenen Sturmkollegen Michael
    Frey – „ein Bulle“ sei der, sagt Hack, selbst
    1,76 Meter groß und 68 Kilogramm leicht.
    „Wir haben viele Spieler, die im Verein
    nicht regelmäßig spielen“, sagte Hack mit
    Blick auf die U21, „hier Spaß zu haben und
    auf dem Platz so zu performen, gibt uns
    viel Selbstvertrauen.“ Kuntz betonte, bei
    der U21 dürften sich die Spieler im Gegen-
    satz zum Ligaalltag „ausprobieren, ohne
    Angst zu haben“. Robin Hack hat bislang
    auch im Nürnberger Max-Morlock-Stadi-
    on noch nie Angst gehabt. Und treffen wird
    er dort schon auch noch – es muss ja nicht
    gleich drei Mal in einem Spiel sein. lein


Ali Karimi, einst Bayern-Spieler,
ruft zumStadionboykott auf

Warum pendelt ein Sportboss


zwischen Moskau und den USA?


EM-Qualifikation
Tabelle undRestprogramm der Gruppe A

Hinteregger


feiert wieder


„Sahar Khodayari könnte noch leben“


Eine Iranerinsoll ins Gefängnis, weil sie ein Fußballspiel besuchte – und zündet sich an. Über ein Verbot und seine Folgen


GIANNI INFANTINO

Besuche von


der Grinsekatze


Ausgelassen trotz 3:5 –
Kosovo-Fans feiern ihr
Team (l.) und die seit dem
Balkankrieg von ihnen
verehrten englischen Gast-
geber.F: BOYERS / RTR, DENNIS / AP

Durchgedreht


Blitztor nach 34 Sekunden, 2:0-Sieg in der zweiten Halbzeit, Endergebnis egal! Die Fußballer Kosovos feiern
ihr historisches Spiel in England – nach starken Leistungen haben sie sogar reelle Chancen auf die EM-Qualifikation

Vorbei an Keane
Cristiano Ronaldo ist neuer
Rekordschütze in der EM-Qualifikation

DEFGH Nr. 211, Donnerstag, 12. September 2019 (^) SPORT HMG 37
Eins, zwei, drei: U21-Stürmer Robin
Hack (1.FC Nürnberg, links) gelang in Wa-
les ein Hattrick. FOTO: MARTIN RICKETT / DPA
England – Kosovo 5:3 (5:1)
Montenegro – Tschechien 0:3 (0:0)
1 England 4 4 4 0 19:4 12
2 Tschechien 5 3 0 2 9:8 9
3 Kosovo 5 2 2 1 10:10 8
4 Bulgarien 5 0 2 3 5:11 2
5 Montenegro 5 0 2 3 3:13 2
Die weiteren Spieltage



  1. Oktober: Tschechien – England, Montenegro



  • Bulgarien. – 14. Oktober: Kosovo – Montene-
    gro, Bulgarien – England. – 14. November: Tsche-
    chien – Kosovo, England – Montenegro. – 17. No-
    vember: Kosovo –England, Bulgarien – Tschechi-
    en. –1. und 2. qualifizieren sich für EM 2020.


Schnell


verstanden


Dieneuformierte U21 überzeugt
gegen Wales – Hack trifft drei Mal
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