Süddeutsche Zeitung - 12.09.2019

(Brent) #1
interview: harald hordych

D


avid Bennent verlässt pünktlich
auf die Minute seine Haustür, die
genau neben dem Berliner Café
liegt, in dem er sich zum Interview verabre-
det hat. Der Schauspieler, 53, kommt mit
weiter Kleidung, großen Silberringen und
bester Laune. Auch, weil die Dinge beruf-
lich bestens laufen, sagt er. Dazu hat auch
die Hauptrolle in der ersten Folge der ZDF-
Mini-SerieSchuldnach vier Geschichten
von Ferdinand von Schirach beigetragen.


SZ: Herr Bennent, egal, was man über Sie
liest, hinter Ihrem Namen steht bis heute
in Klammern:Die Blechtrommel. Sie ha-
ben den trommelschlagenden Oskar mit
elf gespielt. Wie geht es Ihnen damit,
42 Jahre später?
David Bennent: Na ja, wie soll es einem da-
mit gehen? Ich habe ein einziges Mal etwas
Kritisches dazu gesagt:‚Die Blechtrommel
ist natürlich ein Riesenklotz am Bein – aber
einer aus Gold.‘ Und dann haben die Leute
empört gerufen: Wie kannst du sagen, dass
der tolle Film ein Klotz am Bein ist! Dabei
hatte ich sofort angefügt: aus Gold!


Diese Rolle habe Sie auf Ihre Größe festge-
legt, haben Sie mal gesagt.
Auf irgendeine Weise schon. Ich war halt,
wie ich war. Sehr klein. Und das mit einer
Pubertät, die auch noch später als bei ande-
ren einsetzte. Ich war einfach ein bisschen
komisch. Und dann kam dieser Film, in
dem der klein gewachsene Oskar auch min-
destens ein bisschen komisch ist.
Was bedeutete das für Sie?
Ich glaube, wenn ich diesen Film nicht ge-
macht hätte, wäre die Boulevardpresse nie
so interessiert an mir gewesen. Und hätte
nicht immer wieder gefragt: Was ist denn
aus dem kleinen Oskarchen geworden?


Jetztspielen Sie inder SerieSchulddieTitel-
rolle in der Folge „Der kleine Mann“. Was
hat Sie bewogen, eine Rolle anzunehmen,
die Sie wieder auf Ihre Größe festlegt?
Das Drehbuch. Die Geschichte. Aber als mei-
ne Agentin mir das erste Mal davon erzählt
hat: Du, da ist was vom Fernsehen gekom-
men. Das heißt „Der kleine Mann“ – da sind
bei mir alle Alarmglocken angegangen, und
ich habe gesagt: Nö, mache ich nicht. Und
da hat sie gesagt: David, ich habe das Dreh-
buch gelesen. Lies das bitte! Und ich habe
gedacht: Na schön, jetzt muss ich das lesen.
So schlimm kann es ja nicht gewesen sein.
Und dann lese ich diese Geschichte. Und da
habe ich gemerkt, was für eine grandiose
Rolle das ist.


Größe hin oder her?
Für mich war das gar nicht der kleine Mann
vom Äußeren her. Natürlich ist es gut, wenn
der tatsächlich auch noch klein ist. Aber es
ist das Kleine im Inneren dieses Mannes,
deshalb sieht man ihn nicht. Er ist beschei-
den, er traut sich nie. Er ist in eine Kassiere-
rin verliebt. Die Kassiererin liebt aber den
Chefkassierer. Das ist so ein schöner großer
Typ. Na ja, und da hat mich das mit dem Ti-
tel überhaupt nicht mehr gestört.


Die Geschichte nimmt ja eine tolle Wen-
dung. Ohne jetzt zu viel zu verraten...
Absolut richtig. Und dann kam noch derTat-
ortgleich hinterher. Da habe ich mir gesagt:
Mensch, da du hast 30 Jahre gewartet und
jetzt hast du gleich zwei tolle Rollen in ei-
nem Jahr bekommen. Hoffentlich musst du
jetzt nicht wieder 30 Jahre warten!


Haben Sie eine Erklärung dafür?
Seit 30 Jahren bekomme ich Fernsehange-
bote, bei denen ich mich immer gefragt ha-
be: Was soll ich denn bloß damit anfangen?


Waren das alles Zwergenrollen, wie Sie es
mal genannt haben?
Ja, so was. Oder bizarre Leute. Ich habe kein
Problem mit bizarr. Aber ich muss jetzt
nicht im Fernsehen dauernd als der bizarre
Sonderling auftreten. So war für mich Fern-
sehen immer: Ja, ich mach’s schon gerne.
Aber gebt mir doch mal ’ne schöne Rolle!


Gleichzeitig haben Sie eine große Theater-
karriere gemacht.Hängt das damit zusam-
men, dass das Theater größere Freiräume
in der Gestaltung von Rollen gibt?
Absolut. Da kann es jederzeit passieren,
dass ein Regisseur kommt und sagt: Ich ma-
che denLear. Und ich möchte den Kleinen
da als Lear haben. Da käme nie jemand auf
die Idee zu sagen, der Produzent oder wer
auch immer: Der ist doch völlig fehlbesetzt!


Ihr Vater Heinz Bennent, einer der größten
Theaterschauspieler der Siebziger- und


Achtzigerjahre, fand, dass man beim Film
einfach nur man selbst ist. Film kann je-
der, hat er abschätzig geurteilt. Richtig?
In gewisser Weise schon. Da habe ich auch
Glück gehabt, weil ich früh gemerkt habe:
Das Theater ist schön. Und ich fühle mich
auf der Bühne frei und glücklich.

Sie haben mit vielen großen Theaterregis-
seurenzusammengearbeitet,Peter Brook,
Robert Wilson, George Tabori. Was hatten
die gemeinsam?
Ich glaube, die haben immer geguckt: Was
ist das für ein Mensch. Was ist das für ein
Schauspieler? Mit Geduld. Mit Respekt.
Vielleicht ist beim Theater ein solches Hin-
schauen eher möglich. Aber ich merke, dass
sich in den letzten Jahren auch beim Fernse-
hen etwas verändert. Die Leute fangen an
zu überlegen: Wenn wir weiterkommen wol-
len, müssen wir aufhören, in Schubladen zu
denken. Ich habe da kürzlich eine Sache für
Netflix gemacht, diesesDogs of Berlin.

Die erfolgreiche Streaming-Serie.
Ich habe einen Wettbürochef gespielt, ei-
nen brutalen Typ, der die anderen wirklich
auf gemeinste Weise in die Mangel nimmt.
Und ich habe gefragt: Wie kommt denn
Christian Alvart auf die Idee, ausgerechnet
dich für diese Rolle zu besetzen? Alvart hat
mir gesagt: Ich wollte einfach keinen Body-
builder oder tätowierten Typen mit Bart.
Das ist so eins zu eins. Der wollte für diese
Rolle eine Fehlbesetzung.

Ihnen wurde mehrfach die Rolle von
Shakespeares verkrüppeltem Bösewicht
Richard IIIangeboten.
Vier Mal, aber ich habe ihn nie gespielt, das
ist nie zustande gekommen. Bei Richard
sind bis heute die Fragen: Was bedeutet das
Böse? Was bedeutet Mobbing? Was bedeu-
tet der Hass?

Haben Sie sich darin denn nicht wiederge-
funden?
Sagen wir mal so: Eine mit Hass erfüllte
Missgeburt würde ich im Kino nicht spielen
wollen. Das wäre mir zu banal. Ich hätte
auch Angst davor.
Wovor hätten Sie da Angst?
Das sind ja nicht so gute Schwingungen, die
von Richard ausgehen. Und ich weiß nicht,
ob es gut wäre, wenn ich ihn spielen würde,
mit meiner Statur, mit dem, was ich erlebt
habe, mit der Wut, die ich in mir trage. Die
mag auch daher kommen, dass mein Vater
mit einer großen Wut und Verzweiflung ge-
lebt hat, seitdem er aus dem Krieg gekom-
men war. Dazu kam, was ich in der Schule
erlebt habe: Immer der Gartenzwerg.

Haben Sie unter den vielen Ortswechseln
gelitten?
Nicht wirklich. Wir waren ja als Familie im-
mer zusammen. Und meine Basis in der
Kindheit war Mykonos. Da waren wir jedes
Jahr den ganzen Sommer. Nein, gelitten
nicht. Das ist zu negativ. Es war nicht im-
mer leicht. Ich hätte mir schon so einen rich-
tigen Freund gewünscht, den man für eine
lange Zeit hat. Aber dann sind wir schon wie-
der weitergezogen.

Sie waren deshalb auch nur insgesamt drei
Jahre in der Schule, Ihre Mutter hat Sie da-
heim unterrichtet.
Wir waren mal längere Zeit an einem Ort,
und ich kann mich erinnern, wie ich irgend-
wann gesagt habe: Ich will in die Schule. Ge-
nau aus diesem Grund, weil es auch mal
schön war, mit den Nachbarsjungen zu spie-
len. Dann war ich in der Schule, dann ka-
men die schlechten Noten, dann kamen die
Jungs. Verdroschen wurde ich nie, aber halt
so ein bisschen gemobbt. Und dann bin ich
nach Hause gekommen, nicht sonderlich
gut gelaunt. Und mein Vater hat gesagt: Ja,
was ist denn? Und dann habe ich was er-
zählt. Und dann hat er gesagt: Ja, selber
schuld. Du wolltest doch in die Schule! Sol-
len wir dich da rausnehmen?

Und Sie?
Ich will wieder raus.

Als Sie mit 16 in der Schauspielschule von
Patrice Chéreau inParis IhreSchwester An-
ne besuchten, wurden Sie ja vom berühm-
ten Chéreau gleich für ein Stück verpflich-
tet. Was hat Ihr Vater da gesagt?
Bist du dir wirklich sicher? Ja? Gut, dann mel-
den wird dich morgen bei der Schule ab.

IhrVaterwar ein Starim Film undim Thea-
ter. Hat Sie das manchmal erdrückt?
Nein. Der große Heinz Bennent war er ja
nicht zu Hause. Mein Vater hat sich über-
haupt nicht aufgespielt, da war er ganz nor-
mal. Wenn er von der Probe kam, hat er ein
bisschen viel von der Probe erzählt, oder
wenn er vom Dreh kam, hat er natürlich ein
bisschen viel vom Dreh erzählt, was das al-
les für unkompetente Pfosten sind. Und hat
rumgeschimpft. Aber alles immer mit Hu-
mor. Aber wer weiß, wie das alles geworden
wäre, wenn meine Mutter, die ja Tänzerin
war, nicht irgendwann aufgehört hätte, pro-
fessionell aufzutreten. Sie hat einfach ge-
sagt: Wenn hier jetzt nicht bald ein Ruhepol
oder ein Fels in dieser verrückten Bran-
dung entsteht, dann fliegt hier alles ausein-
ander. Und euer Vater wird verrückt.

Hat Ihr Vater ihr das gedankt?
Sehr. Ohne meine Mutter hätte mein Vater
nicht atmen können. Und das wusste er.
Nachdem meine Mutter ihren Hirnschlag
bekam und plötzlich fragil war, fiel das alles
wie ein Kartenhaus zusammen. Es hat sich
alles gedreht, mein Vater musste kochen ler-
nen, musste lernen, sich um seine Frau zu
kümmern. Das hat er mit einer Liebe und
Hingabe bis zum Schluss getan.

Wie war das für Sie, in BeckettsEndspiel
als Sohn den Diener Clov zu spielen, und
Ihr Vater war der blinde Herr, der den Clov
als eine Art Sohn ansieht?
In der Konstellation, wie wir gelebt haben,
gab es kein besseres Stück für uns. Diese
grenzenlose Liebe, wo immer mitschwingt:
Miteinander zu leben, ist eine Katastrophe;
ohne einander zu leben, ist eine noch größe-
re Katastrophe. Und dazu dann das Theater-
wunderstück von Beckett für zwei Verrück-
te wie uns. Es kann nichts Schöneres geben.
Wie hält man denn seine Vater-Söhne-Ge-
fühle aus so einem Stück raus?

Gar nicht. Liebe und Ärger finden da Ein-
gang. Außerdem war mein Vater sehr streng.
Wenn wir Endspiel-Vorstellungen hatten,
mochte er nicht, dass ich mit Freunden nach
der Vorstellung noch woanders hingehe als
mit ihm nach Hause, wo die Mama schon et-
was vorbereitet hatte. Ihn alleine nach Hause
gehen lassen: Das durfte ich ihm nicht antun.

Rührend.
Er hatte halt seine Prinzipien. Zum Beispiel,
wie man sich auf eine Vorstellung vorberei-
tet. Das Theater war ihm heilig. Er war der
Meinung, dass man am Abend vor der Vorstel-
lung keinen Alkohol trinken sollte. Ein Mal
sagte er: Wenn du heute Abend in die Kneipe
gehst, sage ich morgen die Tournee ab. Ja
mach doch, hab ich gesagt und bin mein Bier
trinken gegangen.

Und wie war die Vorstellung – die dann
doch stattgefunden hat, nehme ich an?
Etwas anstrengend, weil Großmeister
Heinz Bennent dem unmöglichen Kantinen-
schauspieler David Bennent klarmachen
wollte, dass das nicht geht, wenn man am
Abend vorher was trinken geht. Er hat ver-
sucht, mich auf der Bühne mit Rhythmus-
änderungen, mit unangemessenen Laut-
stärken, mit Flüstern statt Schreien aus
dem Konzept zu bringen. Um mir dann da-
nach zu sagen: Siehst du, du kriegst die Vor-
stellung nicht hin, weil du dein Bier getrun-
ken hast.

Haben Sie sich das gefallen lassen?
Ich habe mir gesagt: Gut, wenn du fechten
willst, dann fechte eben. Aber pass auf: Ich
werde zurückfechten! So wurde die Vorstel-
lung zu etwas, von dem ich als Zuschauer ge-
dacht hätte: Ja, sag mal, spinnen die?

Je älter Sie werden, desto ähnlicher sehen
Sie Ihrem Vater. Fällt Ihnen das selbst auch
auf?
Ja. Wenn ich mir manchmal Fotos von ihm
anschaue, denke ich: Halleluja! Aber ich fin-
de das gut. Mein Vater und ich hatten große
Auseinandersetzungen, und es war auch
nicht immer so leicht, so einen Dinosaurier
als Vater zu haben.

Sie haben mal gesagt: Er hat immer seine
schützende Hand über mich gehalten.
Absolut. Manchmal merke ich diese Hand
auch heute noch. Deswegen finde ich es
auch gut, dass er auf diese Weise so ein biss-
chen in mir weiterlebt.

Schuld – Der kleine Mann, ZDF, Freitag, 21.15 Uhr.

„Ich muss jetzt nicht
im Fernsehen dauernd als der
bizarre Sonderling auftreten.“

„Es war auch nicht immer so
leicht,so einen Dinosaurier
als Vater zu haben.“

Auf dem Titel der ersten Ausgabe hatte das
Magazin noch provokant gefragt: „Würden
Sie diesem Mann ein Magazin abkaufen?“
Wahrscheinlich war im Laufe der Zeit dann
doch zu häufig ein „Nein“ die Antwort – zu-
mindest hat der Verlag Gruner + Jahr jetzt
bekannt gegeben, dassJWDzum Jahresen-
de eingestellt werden soll.JWDsteht für
Joko Winterscheidts Druckerzeugnis, ein
Personality-Heft rund um den namens-
gebenden Fernsehmoderator, ein Männer-
magazin für „Style, Design, Reportage und
Abenteuerlust“. Bei der Gründung vor
zwei Jahren waren noch optimistische
200000 Exemplare gedruckt worden, da-
von hatten sich 70 000 verkauft. Zuletzt
lag die verkaufte Auflage nach Verlagsan-
gaben nur noch bei 50 000 Stück. „Wenn
es am schönsten ist, soll man bekanntlich
aufhören“, lässt sich Winterscheidt in ei-
ner Mitteilung des Verlags zitieren. Eine
Sprecherin teilt mit: „Das Ende kommt für
niemanden überraschend, die Verträge lau-
fen fristgerecht zum Jahresende aus.“ Für
Hefte wieBarbara, GuidooderWohllebens
Welthat das wohl vorerst nichts zu bedeu-
ten. Es gebe bei keinem der anderen Per-
sönlichkeitsmagazine die Überlegung, es
einzustellen. kathrin müller-lancé

„Immer der Gartenzwerg“


David Bennent wurde vor vierzig Jahren im Film „Die Blechtrommel“ bekannt. Jetzt spielt er eine


Hauptrolle in der Schirach-Serie „Schuld“. Ein Gespräch übers Kleinsein, über große Väter und Hass


Anfang November will der Apple-Konzern
den Streamingdienst Apple TV+ einführen


  • und könnte damit den Markt ordentlich
    aufmischen. Es sind große Namen und in-
    teressante Formate, die der Konzernchef
    Tim Cook auf der alljährlichen Pressekon-
    ferenz am Dienstag in Sacramento ange-
    kündigt hat.
    Dass Apple TV+ kommen würde, ist seit
    Anfang des Jahres bekannt. Nun ist auch
    klar: Apple wird auf selbst produzierte Se-
    rien setzen. Etwa die hochkarätig besetzte
    DramaserieThe Morning Showmit Reese
    Witherspoon, Jennifer Aniston und Steve
    Carell in den Hauptrollen. Auch die Fanta-
    syserieSeemit Jason Momoa, der vor al-
    lem ausGame of Thronesbekannt ist, soll
    exklusiv bei Apple verfügbar sein. Ebenso
    steht Talkshow-Ikone Oprah Winfrey auf
    der Liste der angekündigten Sendungen,
    Details dazu gab das Unternehmen vorerst
    nicht bekannt.
    Das Angebot startet am 1. November,
    dann geht der Streamingdienst in mehr als
    100 Ländern – darunter Deutschland – an
    den Start. Jeden Monat sollen dann neue
    „Originals“ im Angebot landen.


Apple TV + startet nach eigenen Anga-
ben mit einem Kampfpreis von 4,99 Euro
pro Monat, bis zu sechs Personen können
jeweils über eine Apple-ID auf die Inhalte
zugreifen. Voraussetzung ist, dass sich die
Nutzer im selben Land aufhalten. Wer ein
neues Gerät – also ein iPhone, iPad oder
Macbook kauft – bekommt die Mitglied-
schaft bei Apple TV+ für die ersten zwölf
Monate geschenkt.
Auch externe Produktionen von Sky, Jo-
yn, dem ZDF und anderen soll man über
die App schauen können, kündigt das Por-
tal an. In der sollen künftig die Eigenpro-
duktionen und solche externen Angebote
gebündelt werden. Für externe Produktio-
nen können für den Nutzer zusätzliche Kos-
ten anfallen. Zu den für Apple bemerkens-
werten Neuerungen gehört auch, dass der
Streamingdienst nicht nur auf hauseige-
nen Geräten genutzt werden kann. So gibt
es auf den aktuellen TV-Geräten von Sam-
sung eine Apple-TV-App.
Bleibt die Frage, ob dieses Angebot aus-
reicht, um das Publikum von den bisheri-
gen Streaminganbietern wie Netflix, Sky
und Amazon abzuwerben. Als der Musik-
streamingdienst Apple Music vor vier Jah-
ren an den Start ging, stellte sich für Spoti-
fy dieselbe Frage. Vorerst umsonst: Dort
wachsen weiter die Nutzerzahlen, 108 Milli-
onen sind es derzeit. 60 Millionen bei
Apple. maresa sedlmeir

Der Sendeplatz kurz vor derTagesschau
um 20 Uhr ist ein Premiumplatz im deut-
schen Fernsehprogramm. Während der
Woche belegt das Erste diese Zeit mit vieler-
lei Schnipselshows, die lukrative Werbe-
spots anlocken sollen. Nur am Sonntag, an
dem keine Werbung im Ersten erlaubt ist,
läuft eine Sendung im besseren Sinne: das
AuslandsjournalWeltspiegel. Dessen Pole-
Position ist nun aber in Gefahr.
Ab April wird das sonntägliche Pro-
grammschema umgebaut, weil dann die
Vorabendserie Lindenstraße Geschichte
sein wird. Dann soll derWeltspiegelseinen
Sendeplatz um 19.20 Uhr verlieren und
stattdessen schon um 18.30 Uhr starten.
Dafür soll dieSportschauauf den Platz vor
acht Uhr rücken. Das haben die Programm-


direktoren der ARD beschlossen – und sich
damit massiven Protest eingehandelt.
Mehr als hundert Politik-Redakteure
hatten schon vor der Entscheidung einen
Brief an ARD-Programmdirektor Volker
Herres geschrieben und vor einer Verschie-
bung gewarnt, wie dasHandelsblattberich-
tet hatte. „Wir glauben, dass dies einer Mar-
ginalisierung der wichtigsten Auslandssen-
dung des deutschen Fernsehens gleichkä-
me“, heißt es in dem Schreiben, das der
Süddeutschen Zeitungvorliegt und in dem
auch sinkende Zuschauerzahlen für die
Auslandsberichterstattung befürchtet wer-
den. „Der inhaltlichen Akzeptanz des öf-
fentlich-rechtlichen Rundfunks wäre
solch ein Entscheidung sehr abträglich“,
heißt es weiter.

Das Protestschreiben hat wenig ge-
nützt. Mehrheitlich haben die Programm-
direktoren beschlossen, die Schema-Ände-
rung wie vorgeschlagen weiterzuverfol-
gen. Sie wird dennoch auch Thema sein,
wenn sich die Intendanten der neun ARD-
Sender am Dienstag in Stuttgart zur tur-
nusmäßigen Konferenz treffen.

Ihnen liegt nämlich ein weiterer Brief
vor. In dem unterstützen hochkarätige Mo-
deratoren, Redakteure und Ehemalige das
Anliegen. „In der aufgewühlten aktuellen

Diskussion um die Legitimation des öffent-
lich-rechtlichen Rundfunks, den Kern sei-
nes Auftrags und seine Gebührenakzep-
tanz ist dies aus unserer Sicht eine schwere
Hypothek und damit eine falsche Entschei-
dung“, heißt es darin. In dem Brief teilen
unter anderem die Moderatoren Ulrich Wi-
ckert, Claus Kleber, Frank Plasberg sowie
NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz
und Tina Hassel, die Leiterin des ARD-
Hauptstadtstudios, die Besorgnis der Hun-
dertschaft.
Auch der frühere WDR-Intendant Fritz
Pleitgen zählt zu den Unterzeichnern. „In
einer Welt, in der mit Lügen, gefälschten
oder frisierten Informationen Politik ge-
macht wird, brauchen die Bürgerinnen
und Bürger mehr denn je ein kompetente,

verlässliche Auslandsberichterstattung“,
sagte Pleitgen derSüddeutschen Zeitung.
Die Initiative wird die Diskussion im In-
tendantenkreis befeuern. Insbesondere
WDR-Chef Tom Buhrow dürfte kein gro-
ßes Interesse an derWeltspiegel-Verschie-
bung haben, denn solch eine halbgare Ent-
scheidung wäre eine schwere Hypothek,
die Buhrow abarbeiten müsste, wenn er im
kommenden Jahr den Vorsitz des Sender-
verbunds von BR-Intendant Ulrich Wil-
helm übernimmt.
Die ARD-Programmdirektion wollte
sich zu dem brisanten Thema zunächst
nicht äußern. „Wir bitten um Verständnis,
dass wir diese Schemadiskussion aus-
schließlich intern führen“, teilt sie am Mitt-
woch mit. hans hoff

Nach dem juristischen Streit um die Ent-
sendung desFDP-Politikers Helmut Mark-
wort will der BR-Rundfunkrat eine Neure-
gelung für seine Zusammensetzung errei-
chen. Der Vorsitzende Lorenz Wolf fordert
in einem Schreiben an den Landtag neue
Bestimmungen im Rundfunkgesetz zu Be-
fangenheiten und Karenzzeiten. Auch die
Zeitungsverleger sollen nicht mehr in dem
Aufsichtsgremium vertreten sein. BeiFo-
cus-Gründer Markwort hatte der Rat Inter-
essenskonflikte befürchtet wegen dessen
Beteiligungen an Privatradiosendern, sich
aber im Juli gebeugt. Wolf schreibt nun, im
Rundfunkgesetz gebe es eine „Regelungs-
lücke“ und eine mögliche „Interessenskol-
lision“. Auch eine Karenzfrist für im Medi-
enbereich aktive Abgeordnete sei nötig.
Demnach soll auch kein Vertreter der Zei-
tungsverleger mehr zugelassen werden.
Zahlreiche Verlage seien an privaten Sen-
dern beteiligt. Wolf sitzt für die katholi-
sche Kirche im Rat. Der Verband Bayeri-
scher Zeitungsverleger zeigte sich sehr er-
staunt. Landtagspräsidentin Ilse Aigner
(CSU) teilte mit, sie habe Wolfs Wunsch ent-
sprochen und den Brief an die Fraktions-
vorsitzenden im Landtag weitergelei-
tet.dpa

Durchbruch: David Bennent 1979 als Oskar
im FilmDie Blechtrommel. FOTO: IMAGO

Oprah Winfrey


und Steve Carell


Was Apples neuer
Streamingdienst zeigen will

Sport oder Politik


Premiumplatz im ARD-Programm: Moderatoren protestieren gegen einen geplanten neuen Sendeplatz für den „Weltspiegel“


Die Sorge: eine „Marginalisierung
der wichtigsten Auslandssendung
des deutschen Fernsehens“

BR-Rundfunkrat will


Gesetzesänderung


Schlappe für


Joko Winterscheidt


Untypisch für den Konzern:
Der Dienst wird nicht nur über
die eigenen Geräte nutzbar sein

DEFGH Nr. 211, Donnerstag, 12. September 2019 (^) MEDIEN HF2 39
„Es ist das Kleine im Inneren dieses Mannes, deshalb sieht man ihn nicht“: David Bennent über seine Hauptrolle in der SerieSchuld. FOTO: GORDON MUEHLE / ZDF

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