Süddeutsche Zeitung - 12.09.2019

(Brent) #1
Ein sonniger Spätsommernachmittag im
Englischen Garten. Zahlreiche Spaziergän-
ger sind unterwegs, andere haben es sich
auf den Wiesen gemütlich gemacht. Rad-
ler benutzen Routen, die deutlich als Fuß-
wege ausgeschildert sind. Ein E-Roller
flitzt vorbei, motorisierte Fahrzeuge sind
hier aber eigentlich nicht erlaubt. Nicht im-
mer klappt es mit der gegenseitigen Rück-
sichtnahme.
„Der Englische Garten wird ganz selbst-
verständlich intensiv genutzt, aber er
muss auch intensiv gepflegt und repariert
werden“, sagt Jost Albert, Leiter der Gärten-
abteilung in der Bayerischen Schlösserver-
waltung. Zum Beispiel habe die Menge des
Mülls enorm zugenommen, 160 000 Ton-
nen im Jahr müssen beseitigt werden. Die
Bäume litten zunehmend unter langen Tro-
ckenperioden. In der Verwaltung brauche
man mehr Mitarbeiter, um gegen drohen-
de Schäden anzugehen, sagt Albert.
Die Landtagsabgeordnete Sabine Wei-
gand (Grüne) hört interessiert zu. Gerade
ist sie drei Wochen lang durch Bayern ge-
reist, um sich nur mit dem Thema Denk-
malschutz zu beschäftigen. Sie hat mit
Hauseigentümern geredet, Objekte besich-
tigt und sich über Verwaltungsprobleme in-
formieren lassen. Der Besuch im Engli-
schen Garten ist ihre letzte Station.
Die promovierte Historikerin und Auto-
rin von Mittelalter-Romanen lebt in Schwa-
bach bei Nürnberg. Sie hat sich in ihrer poli-
tischen Arbeit ganz dem Denkmalschutz
verschrieben. Der brauche einen neuen

Schub. Sie habe gelernt, dass der Denkmal-
schutz stärker ins Bewusstsein der Bürger
und Politiker rücken müsse – und dabei
zum Beispiel auch die öffentlichen Gärten
nicht vergessen werden dürften.
Immer wieder ging es bei der Tour um
die denkmalgerechte energetische Sanie-
rung (Solarzellen auf dem Dach) von Bau-
werken, um Klagen, dass private Eigentü-
mer zu wenig finanzielle Unterstützung
für ihre Objekte bekommen und dass es zu
lange dauert, bis entsprechende Anträge

bearbeitet werden. Um den Denkmal-
schutz voranzubringen, will Weigand im
Landtag ein ganzes Paket von Forderun-
gen stellen. Dass mehr Fördergeld zur Ver-
fügung steht und dass die Bearbeitungs-
prozesse von Anträgen beschleunigt wer-
den, gehört dazu.
Auch Münchens Stadtbaurätin Elisa-
beth Merk ist dafür, dem Denkmalschutz
einen höheren Stellenwert einzuräumen.
„Wir brauchen mehr Personal, um die Auf-
gaben bewältigen zu können“, sagte sie auf

einer Podiumsdiskussion am Dienstag-
abend im Landtag, die Katrin Habenscha-
den, die Fraktionsvorsitzende der Rathaus-
Grünen, moderierte. Grundsätzlich müsse
man dem Erhalt alter Bausubstanz mehr
Aufmerksamkeit widmen. Für den Bereich
der Altstadt gibt es bereits Leitlinien für
das Bauen und Renovieren mit einem Kata-
log von Maßnahmen. Diese Richtschnur
sollte man auf den Bereich der ganzen In-
nenstadt ausdehnen, forderte Merk.
Für Generalkonservator Mathias Pfeil,
Leiter des Landesamts für Denkmalpflege,
sind Information und Dialog ein Schlüssel
zum besseren Verständnis von Denkmal-
pflege. Seit einem Jahr arbeite das „Bürger-
portal Denkmalpflege“, das beim Landes-
amt angesiedelt ist, mit Erfolg an diesem
Thema, sagte Pfeil. Zum Thema energeti-
sche Sanierung meinte er, Denkmalpflege
sei das Nachhaltigste, was es gebe. Man
könne heute ein Gebäude so instandset-
zen, dass es modernen Anforderungen ent-
spricht und dabei seinen Charakter als
Denkmal nicht verliert.
Wichtige Impulse für den Denkmal-
schutz wollen der Verein „Kulturerbe Bay-
ern“ und die Plattform „Denkmalnetz Bay-
ern“ geben. Sybille Krafft und Meike Ger-
chow wünschten sich, dass sich Bürger
und zum Beispiel auch Bezirksausschüsse
mehr engagieren und besser vernetzen. Be-
zirksheimatpfleger Norbert Göttler warf
schließlich noch die Frage auf, ob Denk-
mal-Fördergelder auch wirklich da ankom-
men, wo sie hin sollen. alfred dürr

Nachhaltigkeit ist nicht unbedingt das
wichtigstean einem Wiesnzelt, aber falls je-
mand nach dem nachhaltigsten Wiesnzelt
suchte, dann würde er vermutlich in der
Hühnerbraterei Ammer landen. Das Tradi-
tionsunternehmen steht bereits seit 1885
auf dem Oktoberfest und ist damit eines
der ältesten Zelte überhaupt, zugleich aber
ist es auch enorm fortschrittlich. Bereits
vor 20 Jahren hat man auf Bio-Hendl umge-
stellt und verkauft sie seither auch aus-
schließlich in Bio-Qualität. Am Mittwoch
stellten Ammer-Wirt Josef Schmidbauer,
seine Geschäftsführerin Claudia Trott und
ihre Kooperationspartner vor, was sonst
noch so alles in Sachen Nachhaltigkeit im
Zelt getan wird.
„Unser Zelt ist schon seit drei Jahren kli-
maneutral“, erzählt Schmidbauer, „und
das Warmwasser entsteht bei uns da-
durch, dass wir das kalte Wasser an den
Hendlöfen vorbeileiten und so zum Heizen
nutzen – eine Anregung von den Mitarbei-
tern.“ Rohkost für Brotzeitbrettl, Gemüse
und Salate wird mittlerweile von dem ge-
meinnützigen Unternehmen Regenbogen-
Arbeit geliefert, das zur Hälfte psychisch
Kranke beschäftigt und so in den Arbeits-
markt integriert. Regenbogen-Betriebslei-
ter Markus Pirschlinger sagt: „Die Wiesn


beliefern, das ist für uns so etwas wie Hof-
lieferant.“ Diesen Status hat jetzt auch das
kleine Münchner Start-up Completeorga-
nics. Das stellt Salate und Gemüsekonser-
ven mittels Fermentation her – also quasi
nach der Sauerkrautmethode, verkürzt ge-
sagt. Für die Hühnerbraterei liefert die jun-
ge Firma nicht nur Salate, sondern auch ei-
nen „Rote-Beete-Shot“, laut Claudia Trott
„die ideale nicht-alkoholische Alternative
zum Verdauungs-Schnaps“.
Und damit nach einem langen Wiesn-
Tag möglichst wenig weggeworfen wird, ar-
beitet Ammer schon seit Jahren mit dem
Verein Foodsharing zusammen. Die Ehren-
amtlichen bekommen die übrig gebliebe-
nen Hendl, Enten, Putenspieße und Bre-
zen geschenkt und verteilen sie dann über
ihr Netzwerk.
100 Prozent ökologisch ist das Ammer-
zelt trotzdem nicht. Das liegt zum Beispiel
an den Enten: „Bio-Enten schmecken
nicht so gut“, sagt Schmidbauer, „und der
Geschmack geht halt vor.“ Bei den Gästen
sowieso, sagt Claudia Trott: „Die wollen tra-
ditionelle Gerichte. Aber bei uns laufen
auch die veganen Gerichte gut. Wenn in ei-
ner Gruppe ein Veganer dabei ist, kommt
sie zu uns. Der Veganer bestimmt, wo es
hingeht.“ franz kotteder

von philipp von nathusius

E


x-Basketballer Dirk Nowitzki war es
schon, Rosi Mittermaier und Christi-
an Neureuther auch, ebenso wie Pa-
ralympics-Siegerin Verena Bentele, um
nur einige zu nennen. Am Mittwoch hat
sich Philipp Lahm dieser Liste prominen-
ter Namen angeschlossen, die – für einen
begrenzten Zeitraum – den Posten als Bot-
schafter für München in Sachen Sport
übernommen haben. Beurkundet per Ver-
tragsunterzeichnung im Rathaus.
Lahm – Ex-Nationalspieler, Ehrenspiel-
führer der deutschen Nationalmann-
schaft, Weltmeister und, und, und – soll
die Werbetrommel rühren für München
als Gastgeber bei der Fußball-Europameis-
terschaft 2020. Das Turnier wird in insge-
samt zwölf Ländern ausgetragen. Drei Spie-
le der Gruppenphase werden im Juni im
Stadion in Fröttmaning stattfinden, es

sind die einzigen der EM in Deutschland.
Über Lahm, der bei der FT Gern mit dem
Fußballspielen angefangen hat, sagte
Oberbürgermeister Dieter Reiter, er sei für
viele ein „großes Vorbild“ und könne „für
München repräsentieren wie kein Zwei-
ter“. Eine Fähigkeit, die man auch beim
Deutschen Fußball-Bund (DFB) zu schät-

zen weiß, der Lahm zum Geschäftsführer
der neu gegründeten Euro GmbH gemacht
hat. Die Firma soll für den DFB die Spiele
bei der Euro 2020 sowie die in Deutsch-
land stattfindende Europameisterschaft
im Jahr 2024 organisieren. Auch dann
wird München wieder zum Zug kommen,
als eine von zehn Städten.

Am Erfolg Münchens bei den Turnieren
hat Lahm nun doppeltes Interesse: Als Ver-
bandsfunktionär und als Repräsentant
Münchens. Der 35-Jährige ist seit diesem
Jahr der jüngste von 60 Ehrenbürgern der
Stadt und in dieser Riege aus Geheimrä-
ten, Komponisten, Schriftstellern, Schau-
spielern und früheren Bürgermeistern der
einzige Sportler. Der neue Posten dürfte
für ihn also nicht weniger Ehre als Amt
sein. Ganz PR-Profi und Diplomat sagte
Lahm, er wolle zeigen, dass „München eine
Weltstadt ist mit Herz, die offen ist und
über den Fußball Menschen seit Jahrzehn-
ten integriert hat“. Sein Honorar möchte er
spenden: „Es werden damit 20 Nachwuchs-
trainer ausgebildet.“ Um wie viel Geld ge-
nau es sich handelt, wollten weder Reiter
noch Lahm offenlegen.
Sich für Sport-Großveranstaltungen
prominente Unterstützung zu sichern, ist
heutzutage eine (stadt-)marketingtechni-

sche Selbstverständlichkeit: In den meis-
ten Fällen handelt es sich um ehemalige
Spitzensportler. Häufig geht es darum, bei
Sportverbänden und Fans Eindruck zu ma-
chen. Etwa wenn Vergabeentscheidungen
anstehen oder um den Ticketverkauf anzu-
kurbeln. Eine Rechnung, die nicht immer
aufgeht, denn natürlich sind auch andere
Kriterien ausschlaggebend.
Bei Münchens Versuch, den Zuschlag
für die olympischen Winterspiele 2018 zu
bekommen, bemühte sich die ehemalige
Eiskunstläuferin Katarina Witt redlich, ge-
reicht hat es am Ende nicht. Wenn es aber
gut läuft, übertreffen Kampagnen auch
mal die Erwartungen. Anfang des Jahres
fanden Vorrundenspiele der Handball-
WM in der Olympiahalle statt. Fast alle Par-
tien waren ausverkauft. Der Handballer
Dominik Klein und ein Ex-Kollege Lahms
vom FC Bayern, Javi Martínez, halfen als
Event-Botschafter mit.

Dezente Dekoration, üppige Speisekarte: das Annam Grill. FOTO: STEPHAN RUMPF


Peffekoven war stets ein Freund der asiati-
schen Küche, er mag ihren Reichtum an
Würze und Geschmacksfarben, ihre Leich-
tigkeit. Und längst ist die Zeit ja vorüber, in
der das Vorstadt-Chinarestaurant „Zum
goldenen Drachen“ hieß und Gerichte wie
„M 38: Ente der acht Köstlichkeiten“ feil-
bot, die genauso schmeckte wie M 37 und
M 39. Einen Boom erlebt in München die vi-
etnamesische Küche, mit ihren vielen Zuta-
ten und Varianten auf jeden Fall eine Berei-
cherung.


Manchmal erschien es Peffekoven frei-
lich, als zeichne den einen oder anderen
Newcomer eine gewisse Lieblosigkeit aus;
so kam es vor, dass Reservierungen nur für
zwei Stunden möglich waren, weil der Wirt
den Tisch eilig zwei- oder dreimal pro
Abend besetzen wollte und das Essen mit
entsprechender Hast bereitete. Auf der an-
deren, der guten Seite der Skala steht das
Annam Grill in der Waltherstraße, gleich
beim Goetheplatz ums Eck. Das Lokal ist ei-
nem Familienitaliener gefolgt, der eines
Tages jählings verschwunden war.
Der Annam Grill ist in geschmackvoll-
dezenten Farben eingerichtet, als Sitzgele-
genheit dienen bequeme grüne und lila Ses-
sel. Höhepunkt der Dekoration ist eine
Wand mit orange beleuchteten Buddhas,
was kitschig klingt, aber ein, wie man heu-
te sagt, echter Hingucker ist. Das wichtigs-
te aber verbirgt sich auf respektive in den
Tischen: Die Grillplatte.
Bei einem ersten Besuch, bei dem das Lo-
kal noch unter milden Anlaufschwierigkei-
ten litt, hatten die Tischgrills nicht funktio-
niert, die Köche ansonsten aber schon ge-
zeigt, was sie können. So zauberten sie eine
wunderbar scharfe Bun Bo Hue-Suppe, ei-
nen Klassiker, eine durch Chili, Zitronen-


gras und Shrimps-Paste angereicherte Brü-
he (als Vorspeise 6,90 Euro, als Hauptspei-
se 12,90). Frisch und pikant war auch der
Oktopussalat mit Gurken, frischen Kräu-
tern und Peperoni (8,90). Bei den Haupt-
speisen fällt die Auswahl nicht leicht,
schon wegen der umfangreichen Karte. Zu
empfehlen sind nach Peffekovens Erfah-
rung auf jeden Fall die „Gerichte zum Sel-
ber Rollen“ (zwischen 14,90 und 22,90 Eu-
ro): Man füllt Reisblätter je nach Gusto mit
Reisnudeln, Salat und vielem mehr und
kombiniert sie mit Fisch, Huhn, Rind, Mee-
resfrüchten oder Tofu (die Karte bietet vie-
le vegetarische Variationen an).
Mitkoster freute das gegrillte, saftige
Seeteufelfilet mit Mangold, serviert auf ei-
ner heißen Platte mit Fisch-Limetten-Sau-
ce (22,90 Euro). Bemängelt wurde am
Tisch lediglich, dass ein auf der Karte mit
drei Chilischoten als besonders scharf an-
gepriesenes Gericht – knusprige Ente mit
frischem Gemüse und Obst – eher wenig
Obst und noch weniger Schärfe enthalte.
Peffekoven hingegen war selbstlos be-
reit, sich in Ausübung seiner Dienstpflich-
ten zu opfern und den „Premium Grill Set“
zu testen. 36 Euro sind dafür durchaus
stolz (pro Person, gegrillt wird erst ab zwei
Personen), aber der Gast bekommt für sein
Geld wirklich etwas geboten: feinste Stü-
cke vom Wagyu-Rind, Entrecôte, marinier-
te Maishähnchenbrust, Tintenfisch, Garne-
len und Fisch des Tages; dazu unter ande-
rem Reisnudeln und verschiedene köstli-
che Saucen. Am besten gefiel Peffekoven
Nuoc Mam, eine schön scharfe Fischsauce-
Limetten-Mixtur; sehr gut zum Fleisch
passte auch Salz-Limette.
Der Grill ist im Tisch verborgen und
zeigt sich erst, wenn der sympathisch zu-
vorkommende Kellner zum Zeremoniell
ansetzt, die Metalldeckel anhebt, den Rost
einsetzt und den Grill zu befeuern beginnt.
Selber Grillen, am Tisch: Früher machte
man das zu Hause. Ohne Minzebüschel. Oh-
ne winzige Schälchen, mit Saucen gefüllt.
Ohne Süßkartoffel- und Zucchinischnitze.
Und ohne violett gefärbte Reisnudeln, zu
appetitlichen kleinen Lappen verarbeitet
und mit gerösteten Erdnüssen garniert.
Man aß Fleisch, viel Fleisch. Im Annam
Grill dagegen hat man die Möglichkeit,
Fisch und Garnelen und Gemüse gleichzei-
tig auf den Rost zu legen. Drei Stunden
kann man so gemeinsam verhocken. Ein
bisschen streiten darüber, wer zu oft wes-
sen Hühnchen umgedreht hat. Endlich
mal viel Zeit haben. Und essen, essen, es-
sen. Ohne sich hinterher jedoch allzu be-
schwert zu fühlen. Aber Achtung: Die Porti-
onen sind groß, die Teller sehr gut gefüllt.
Das Annam Grill ist übrigens die jünge-
re Schwester des Annam im Herzen des Glo-
ckenbachviertels. Während das Annam
mit Sonnenterrasse und kühler Szenehaf-
tigkeit punktet und es vor lauter Nacht-
schwärmern auch mal hektisch zugehen
kann, setzt das Annam in der Waltherstra-
ße auf Genuss und Behaglichkeit. Bemer-
kenswert aufmerksam und nett ist der Ser-
vice. Die Mitarbeiter erläutern gern die Ge-
richte und die Küche ihres Heimatlandes.
Man erlebt sie hier authentisch und auf ho-
hem Niveau – und hoffentlich noch lange
Zeit. karl-heinz peffekoven

Fußball-Diplomat im Auftrag der Stadt


Philipp Lahmist Botschafter Münchens für die Europameisterschaft 2020.
Eine naheliegende Kombination, denn am Erfolg der Veranstaltung hat er nun doppeltes Interesse

Rudolf T. hat um sein Leben gekämpft. Mit
einem wildfremden Mann, der plötzlich
vor seiner Haustüre stand und mit dem
Messer auf ihn losging. „Er hat immer nur
gegrinst“, erzählt T. vor dem Landgericht
München I. Im Gerangel konnte er dem
Fremden das Messer entwinden, kämpfte
weiter und klammerte sich nur an den ei-
nen Gedanken: „Ich darf das Messer nicht
loslassen, ich darf das Messer nicht loslas-
sen.“ Selbst als der Angreifer längst weg
und die Polizei bereits da war, kauerte der
verletzte Rudolf T. am Boden und um-
schloss immer noch mit der Faust die Klin-
ge des Tatmessers.
„Ich bin vorsichtiger geworden“, erzählt
der 57-jährige Rudolf T. (Name geändert)
mehr als ein halbes Jahr nach dem Angriff.
Um eine Menschengruppe mache er lieber
einen Bogen, „wenn jemand auf mich zu-

geht, mache ich mir Gedanken“. An seiner
Haustüre wurde eine Kamera installiert, ei-
ne Sicherheitsvorrichtung eingebaut,
„und meine Eltern dürfen nicht die Türe
öffnen, ehe sie nicht wissen, wer das ist“.
Genau so fing es nämlich an, an jenem 7.
Januar. T. wohnt mit seinen Eltern in ei-
nem Haus in Zamdorf, die Senioren im ers-
ten Stock, er im Parterre. Rudolf T. ist Selb-
ständiger in der Elektrobranche und saß
mittags über Bürokram, als es klingelte.
Über ein Seitenfenster erkannte T. einen
Mann, „ich dachte, das ist der Paketzustel-
ler“. Er öffnete die Haustüre einen Spalt, da
warf sich der Unbekannte mit der Schulter
gegen die Türe. „Ich hatte Socken an und
auf den Fliesen keinen Halt“, sagt T. „Was
soll das?“, rief er, und als der andere nur
grinste, fragte Rudolf T.: „Hast an Schlag?“
Dann zog der Mann ein Messer aus seinem

Parka und schrie: „I stich di ab, i stich di
ab.“ Der Flur, sagt Rudolf T., ist eng, und als
der Eindringling auf ihn einstach, konnte
er nicht lange ausweichen. Er habe ver-
sucht, mit den Händen die Stiche abzuweh-
ren, und als er an der Brust getroffen wur-
de, „da war mir bewusst, dass es ernst ist“.
Aus dem ersten Stock hatte sich mittler-
weile der Vater von Rudolf T. mit einer Krü-
cke langsam ins Erdgeschoss gehangelt
und schlug mit derselben auf den Täter
ein. „Schick ihn rauf“, schrie der Angreifer,
„sonst stech ich ihn auch noch ab“. Im Ge-
rangel stürzten die Männer, Rudolf T. dach-
te nur: „Mir darf jetzt die Luft nicht ausge-
hen, sonst bin ich weg.“ Und auf dem Bo-
den liegend gelang es ihm, sich über den
Täter zu drehen und ihm das Messer zu ent-
winden. Dann drängte er den Mann aus
der Haustüre, ging ihm noch ein Stück

nach, kam zurück und sackte zusammen.
Die Polizisten mussten ihn mehrmals auf-
fordern, das Messer aus der Hand zu legen.
T. erlitt Stiche und Schnittverletzungen,
brach sich den Finger und sagt heute, es sei
alles „wie in einem schlechten Film“ gewe-
sen. Auf der Anklagebank sitzt der 34-jähri-
ge Fidan B. Er soll zum Tatzeitpunkt unter
paranoider Schizophrenie gelitten haben.
„Es tut mir unendlich leid“, entschuldigt er
sich. „Ich akzeptiere das“, antwortet T.,
„aber ich versteh’ es nicht“.
Eine Polizeistreife stieß zufällig im Rah-
men der Fahndung auf Fidan B. Er sei ru-
hig und völlig orientiert gewesen, „und
fast schon reumütig“, sagt ein Polizist vor
Gericht. B. selbst behauptet, sich an nichts
erinnern zu können. Am Montag wird der
Prozess vor der ersten Strafkammer fortge-
setzt. susi wimmer

Mehr Geld für den Denkmalschutz


Politiker und Experten fordern bei einer Podiumsdiskussion größere Aufmerksamkeit für den Erhalt alter Bauwerke


Wiesn geht auch nachhaltig


Die Hühnerbraterei Ammer stellt ihre Aktivitäten vor


Gemächliche Genüsse


Aufder guten Seite: der vietnamesische Annam Grill


Der Englische Garten war die letzte Station der Denkmalschutz-Tour der Grünen-
Abgeordneten Sabine Weigand. FOTO: FLORIAN PELJAK

Zwei Repräsentanten der Stadt: Im Büro von Oberbürgermeister Dieter Reiter hat Philipp Lahm seinen Vertrag als EM-Botschafter unterzeichnet. FOTO: MATTHIAS BALK/DPA

Messerattacke an der Haustür


Es klingelt, ein 57-Jähriger öffnet – und muss um sein Leben kämpfen. Der psychisch kranke Täter steht nun vor Gericht


Das Gehalt will Lahm spenden –
damit sollen 20 Nachwuchstrainer
unterstützt werden

Qualität: ●●●●●
Service: ●●●●●
Ambiente: ●●●●○
Preis/Leistung: ●●●●○

Waltherstraße 30
Tel.: 089 / 72 65 60 45 und 089/
12 06 72 95
http://www.annamgrill.de

Öffnungszeiten:
Mo.-Fr. 11.30-15 Uhr und
18-23Uhr, Sa./ So. 18-23 Uhr

K

O

S
T
PR

OB

E

Annam Grill


★★


R4 – (^) MÜNCHEN Donnerstag, 12. September 2019, Nr. 211 DEFGH

Free download pdf