Frankfurter Allgemeine Zeitung - 12.09.2019

(Michael S) #1

SEITE 12·DONNERSTAG, 12. SEPTEMBER 2019·NR. 212 Feuilleton FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Wahrscheinlich hat der eine und die ande-


re sie schon einmal im Museum betrach-


tet: Die schöne Dagny Juel war mit ihrem


Landsmann Edvard Munch befreundet


oder besser gesagt: er war – wie viele – in


sie verliebt, aber sie nicht in ihn. Auf sei-


nem berühmten Bild „Eifersucht“ steht


sie im Mittelpunkt, im Vordergrund der


Maler selbst, im Hintergrund ihr Ehe-


mann.


Dagny Juel wurde am 8. Juni 1867 in


der südostnorwegischen Stadt Kongsvin-


ger geboren, ihre Familie gehörte dort


zum alten dänischen Adel. Sie absolvierte


eine Ausbildung zur Konzertpianistin,


trat aber nie öffentlich auf, saß stattdes-


sen später dabei, wenn ihr Ehemann sich


egomanisch am Klavier zur Schau stellte.


Sie entschied sich früh für ein unabhängi-


ges Leben und wurde zum Mittelpunkt ei-


ner Berliner und später Krakauer Bohè-


me. Dass sie nicht nur schön, sondern


auch Schriftstellerin war, wurde lange ver-


gessen. Ihr Werk liegt erst seit 1996 in


Norwegen vor, in diesem Jahr ist (heraus-


gegeben, übersetzt und kenntnisreich


kommentiert von Lars Brandt) eine deut-


sche Ausgabe im Bonner Weidle Verlag


herausgekommen.


Sie war attraktiv, klug und begabt, eine


mutige und außergewöhnliche junge


Frau, die mit Anfang zwanzig nach Berlin


aufbricht. Und hier zum Zentrum des nor-


dischen Künstlerkreises wird. Man trifft


sich im „Schwarzen Ferkel“, auch August


Strindberg verbringt hier seine Abende


und schmachtet sie an. Später wird der


Nicht-Erhörte bösartige Gerüchte über


sie in Umlauf bringen. Ein anderer Be-


wunderer, der Schriftsteller Julius Meier-


Graefe, schreibt: Sie nicht gesehen zu ha-


ben „ist der Verlust einer durch nichts zu


ersetzenden Erfahrung“. Aber alle, die


von ihr schwärmen, die sie erwähnen, be-


richten allein von ihrer Schönheit und


Ausstrahlung, niemand erinnert an ihre


Gedichte, Geschichten – und an ihre Büh-


nenstücke.


Es geht in ihrem schmalen Werk stets


um die Liebe, um das Verhältnis zwischen


Frau und Mann, um Eifersucht und Lei-


denschaft. Kein frauenbewegter, kein


emanzipatorischer Blick auf die existen-


tiellen Fragen ist hier zu finden, sondern


einer, der sich radikal gegen bürgerliche


Konventionen und moralische Zugeständ-


nisse richtet.


In dem Zweiakter „Der Stärkere“ ist es


ein alter Geliebter, der – wie in Ibsens


„Frau vom Meer“ – die Protagonistin zu-


rückholen will. Der Schatten dieses Ande-


ren lag von Beginn an über ihrer Ehe.


„Ein Gartenzimmer. Im Hintergrund offe-


ne Türen zum Garten hinaus. Es ist Som-


mer. Gegen Abend“: Ein Paar-Dialog ent-


spinnt sich, wie es ihn offenbar schon häu-


fig gab. Der Mann fragt sie aus, fordert


Liebesbeweise und dreht ihr die Worte im


Mund herum. Man meint in einer Ingmar-


Bergman-Szene zu sein. Er misstraut ih-


rer Liebe, sie kann seine Eifersuchtsanfäl-


le nicht mehr ertragen. Wie war es früher,


warum gab es einen Anderen vor ihm,


wie sehr hat sie ihn geliebt, wann hat sie


ihn das letzte Mal gesehen – „gehören dei-


ne Gedanken mir“?


Und dann kommt dieser Andere, der in


ihrer Erinnerung nur noch lebendig war,


weil der Ehemann unablässig nach ihm


fragte. Sie fürchtet sich, will ihm nicht fol-


gen, aber ihr Mann lässt sie allein, er


muss arbeiten, erkennt nicht, dass er ihr


jetzt beistehen müsste. Es geht um Liebe


und Hass, um Leidenschaft und Kampf.


Der Mann redet herbei, was sie dann voll-


zieht. Sie will gar nicht fort, all die Jahre


hat sie nur ihn geliebt, aber weil er das


nicht glaubt, verlässt sie ihn.


Nein, das ist keine Geschichte, in der


wir eine frühe Feministin erkennen kön-


nen. Jedenfalls, wenn wir nach den be-


kannten Mustern suchen und lesen. Statt-


dessen finden wir dafür eine entschiede-


ne Autorin, die allein dem Gefühl ver-


traut, dabei jedoch niemals auf weibliche


Unschuld setzt. Die Protagonistinnen in


Juels Stücken sind selbstbewusste und un-


beirrbare Liebende, die den Zweifel an


der Integrität ihrer Gefühle bestrafen.


Wenn der Ehemann ihr nicht glaubt, wie


sehr sie ihn liebt, muss sie ihn verlassen,


wenn er so kleinmütig ist, ihr den Schritt


vom Wege nicht zu verzeihen, bestraft sie


ihn mit ihrem Tod.


Solche Heldinnen wären heute eine be-


sondere Bühnenherausforderung, sie sind


niemals Opfer, stets Handelnde. Lars


Brandt schreibt: „Ihre Dichtung handelt


im Kern durchweg von erotischen Drei-


ecksverhältnissen und davon, welche Ge-


wichte sie den Beteiligten auflasten.


Werk wie Leben Dagny Juels drehten sich


um die nicht zu bändigende Macht der


Liebe, die sich nicht darum schert, was


sie an Glück oder Unglück produziert,


wenn sie sich über alles andere hinweg-


setzt.“


Das Werk und auch das Leben dieser


Schriftstellerin ist von Unabdingbarkeit


geprägt. Geheiratet hat die von vielen


Umschwärmte zielsicher den falschen


Mann: den polnischen Autor Stanislaw


Przybyszewski, ein egomanisches und


rücksichtsloses Pseudo-Genie. Bei ihm


meinte sie, die große, zwingende Leiden-


schaft zu finden. Um sexuelle Treue ging


es beiden nicht, aber das Paar bekam bald


zwei Kinder und hatte wenig Geld, er


trank zu viel, behandelte sie schlecht, sie


suchte immer wieder Unterschlupf bei ih-


rer Familie in Norwegen.


Im Juni 1901, drei Tage vor ihrem vier-


unddreißigsten Geburtstag wurde Dagny


Juel in Tiflis von einem Anhänger ihres


Mannes erschossen. Der Mörder meinte


im Auftrag des überzeugten Satanisten


Przybyszewski zu handeln. Der schrieb


später zynisch von seiner Freude, die in-


zwischen ungeliebte Ehefrau losgewor-


den zu sein. MANUELA REICHART


Die Verfasserinist Prosa- und Rundfunkautorin.


Zuletzt erschien „Beziehungsweise“ im Dörlemann


Verlag.


Die Theaterserie„Spielplan-Änderung“stellt


Bühnenstücke vor, die unbedingt wieder mehr


gespielt werden müssen. Alle bisherigen Beiträge


finden Sie unter faz.net/theaterserie


Gehören deine Gedanken ganz mir?


Spielplan-Änderung (33): Dagny Juels radikales Eifersuchtsdrama „Der Stärkere“


Man sollte sich die Handlungsanwei-


sungen auf der Homepage einer Kunst-


installation besser genau durchlesen,


bevor man diese fotografiert und die


Bilder in die sozialen Netzwerke stellt.


„Der Blue Port Hamburg ist eine tem-


poräre Kunstaktion, für die die Regeln


des Urheberrechts gelten. Die soge-


nannte Panoramafreiheit beispielswei-


se gilt hier nicht“, vermeldet die Stadt


Hamburg im Kleingedruckten auf ih-


rer Website, und: „Nutzungen auf So-


cial-Media-Plattformen sind ohne Ge-


nehmigung nicht zulässig und zudem


grundsätzlich kostenpflichtig.“ Die Be-


tonung liegt hier auf „temporär“: Wür-


de das Kunstwerk nicht nach dem



  1. September abgebaut, sondern blie-


be permanent Bestandteil des Straßen-


bildes, griffe die Panoramafreiheit.


Dann dürfte niemand verhindern,


dass Fotografien des Kunstwerkes an-


gefertigt und beispielsweise auf Ins-


ta gram geteilt werden.


Der Blue Port Hamburg ist eine In-


stallation des Künstlers Michael Batz


und besteht aus sehr vielen farbigen


LED-Lampen, die Hafenkräne, Brü-


cken und Gebäude in ein blaues Licht


tauchen, was künstlerisch gesehen


mitteloriginell ist, aber auf Fotos sehr


hübsch aussieht, weshalb diese Aktion


bereits zum siebten Mal stattfindet. In


diesem Jahr steht sie unter dem Motto


„Mobilität“, auch ein blau beleuch-


teter Fahrradweg gehört zum Pro-


gramm, ebenso ein Fotografiewettbe-


werb.


Wer seine Fotos vom blauen Leuch-


ten jedoch nun nicht nur an die Veran-


stalter schickt, sondern auch auf sozia-


len Netzwerken teilt, handelt entge-


gen den Anweisungen, und das hat Fol-


gen: Die Verwertungsgesellschaft VG


Bild-Kunst, die die Rechte der Urhe-


ber vertritt – in diesem Fall also des


Künstlers Michael Batz –, schrieb


Hobbyfotografen an und verlangt eine


Lizenzgebühr von 28 Euro pro hochge-


ladenem Bild – oder Löschung. Das


liege daran, dass ein Teil der Nutzungs-


rechte an den Bildern automatisch an


Instagram beziehungsweise den


Mutterkonzern Facebook abgetreten


werden, erklärte die Verwertungsge-


sellschaft gegenüber der „Hamburger


Morgenpost“, die den Fall zuerst auf-


griff. Diese Misere sei nur durch eine


einmalige Zahlung der Nutzer zu berei-


nigen.


Natürlich schließen sich daran Fra-


gen an, etwa die der Zulässigkeit von


Detailaufnahmen. Oder was, wenn


das blaue Leuchten etwa bei einer Por-


trätaufnahme nur im Hintergrund ver-


schwimmt? Das Urheberrecht kennt


viele Ausnahmen, und wie immer


muss auch hier im Einzelfall abge-


wogen werden. Wer auf der sicheren


Seite sein will, verzichtet besser


dankend auf die Vervielfältigung tem-


porärer Kunstinstallationen im In-


ternet. ANDREA DIENER


ANGOULÊME, im September


F


ashionistas wissen es: Yves Saint


Laurent hat 1967 ein Comicbuch


veröffentlicht, das „La Vilaine


Lulu“ heißt. Die vierundzwanzig


Kurzgeschichten, die das Bändchen ent-


hält, waren rund zehn Jahre früher entstan-


den, als der blutjunge Couturier für das


Haus Dior arbeitete. Einer seiner Kollegen


dort travestierte sich zum Ergötzen der an-


deren nach Feierabend gern mit langen


schwarzen Socken, rotem Ballettröckchen


und Gondoliere-Hut zur Klamauk-Krea-


tur. „Klitzeklein und fast angsteinflößend


mit seinem sturen, verschlagenen Gesichts-


ausdruck, machte er großen Eindruck auf


mich“, erinnerte sich Saint Laurent. So ent-


stand die „Garstige Lulu“, ein Gör ohne


Gott noch Gesetz, das stiehlt, mordet und


andere kleine Mädchen an Ölscheichs ver-


kauft. Mehrfach neu aufgelegt, hat das


Bändchen im Internet eine Koalition aus


Kanzelschwalben, paranoiden Kinder-


schützern und Kleininquisitoren aus der


rechten Schmuddelecke auf den Plan geru-


fen, die mit Kruzifix, Knoblauchkette und


der verbalen Kalaschnikow gegen das ver-


meintlich satanische Werk zu Felde zie-


hen. Die Lektüre ihrer mit dem Copy-and-


Paste-Verfahren aus verschwörungstheore-


tischen Websites zusammengestückelten


Bannflüche macht im Umkehrschluss klar,


was „La Vilaine Lulu“ tatsächlich ist: ein


derb-anarchistischer Jux für „sadistische


und fortgeschrittene Kinder“ (Saint Lau-


rent) – alles, nur nicht bierernst.


Ohne Françoise Sagans Fürsprache


wäre der Comic wohl dem Freundeskreis


des Couturiers vorbehalten geblieben – für


den Rest der Welt kein künstlerischer Ver-


lust. Doch der Band ist aus einem anderen


Grund von Interesse: Es handelt sich um


den einzigen Comic aus der Hand eines gro-


ßen Modeschöpfers. Als solcher nimmt „La


Vilaine Lulu“ einen Ehrenplatz in der ambi-


tionierten Schau ein, die das Musée de la


bande dessinée in Angoulême jetzt dem


Thema „Mode und Comic“ widmet.


Das erste der sechs Kapitel der Schau


stellt Zeichnungen von Comicschöpfern sol-


chen von Modedesignern gegenüber. So


hängt neben Entwürfen von Saint Laurent


eine Seite aus Nicole Lamberts Serie „Les


Triplés“, die die Mutter der titelgebenden


Drillinge im legendären „Mondrian-Kleid“


des Autors von „La Vilaine Lulu“ zeigt.


Lambert, deren herzige Blondschöpfe die


gutbürgerlichen Leserinnen von „Madame


Figaro“ seit 1983 entzücken, war in den


Sechzigern selbst Model gewesen. Sie und


Saint Laurent sind ideale Galionsfiguren


für eine Schau über die wechselseitige Be-


fruchtung von Comic und Mode.


Deren direkteste Erscheinungsformen


beleuchtet das zweite Kapitel. Zum einen


haben etliche Comicautoren Illustrationen


für Modepublikationen geschaffen. Bevor


er mit der Serie „Blake und Mortimer“ be-


rühmt wurde, malte Edgar P. Jacobs in den


vierziger Jahren geleckte Gouachen für


Brüsseler Kleiderkataloge. Vier Jahrzehnte


später zeichnete Lorenzo Mattotti mit Bunt-


stift und Pastell Modelle von Ferragamo,


Gaultier und Viktor & Rolf für „Cosmopoli-


tan“, „Glamour“, „Vanity Fair“ und andere.


Jean-Claude Floch, bekannt als „Floc’h“


entwirft bis heute für das Herrenmagazin


„Monsieur“ hintergründige Titelseiten mit


surrealistischem Einschlag.


Zum anderen haben viele Designer Klei-


dungsstücke geschaffen, die sich direkt auf


Comics beziehen. Das gilt für Castelbajacs


Snoopy-Röcke wie für Thierry Muglers


nachtschwarzes Catwoman-Ensemble, be-


stehend aus einem Cape aus Strickstoff


über einem Catsuit aus gepolstertem Vinyl


mitsamt Lack-Gürteltasche und Kapuzen-


Maske. Moschinos „Olive Oyl“-Halstücher


stechen hier insofern heraus, als sie die


Bohnenstange an Popeyes Seite nicht nur


in ihrem originalen Outfit abbilden, son-


dern auch in zehn ikonischen Modellen


von Chanel, Courrèges, Lacroix und ande-


ren. Noch weiter ging eine Handvoll heuti-


ger Stilisten, als sie 2005 der französischen


Comicfigur Bécassine zu deren hunderts-


tem Geburtstag eine zeitgemäßere Garde-


robe auf den Leib zeichneten. So verwan-


delte Sonia Rykiel die bretonische Magd in


eine Bohème-Piratin mit flammend rotem


Kunstpelz-Rock und Napoleonshut, wäh-


rend Nathalie Garçon die verzopfte Frau


gleich doppelt aufpeppte: zur Manga-Krea-


tur und Hiphop-Lolita.


Wie Bécassine tragen viele Comic-Hel-


dinnen und -Helden die immer gleiche


„Uniform“. Golfhosen und himmelblauer


Pullover beziehungsweise Gehrock, Schlag-


hosen und Matrosenmütze machen Tintin


respektive Corto Maltese sofort identifizier-


bar. Ein Kapitel der Schau befasst sich mit


der Wiedererkennbarkeit von Bekleidun-


gen. Comic-Demiurgen verpassen ihren


Kreaturen – und zumal ihren Supermän-


nern und Wunderfrauen – oft Outfits, die


gleichsam schriftlose Namenszeichen bil-


den. Umgekehrt arbeiten sie gern mit dem


Zeichenstift heraus, was Moden die Zeiten


überdauern lässt. So entwarf der Belgier


Ever Meulen 1975 eine augenzwinkernde


Typologie der Rock-Looks des vorangegan-


genen Vierteljahrhunderts. Dank diesem


grafisch stupend begabten Vertreter der Li-


gne claire lassen sich noch heute Teddy


Boys, Beatniks, Mods und Dixielander von-


einander unterscheiden.


Die zahlreichsten, aber nicht unbe-


dingt hochkarätigsten Exponate finden


sich in dem Kapitel „Comics erzählen


Mode“. Ein Abschnitt vereint hier ohne


andere Logik als die der reinen Akkumu-


lation gutgekleidete Damen (und ein


paar wenige Herren) aus diversen Epo-


chen – von der gründerzeitlich gewande-


ten Schulmeisterin aus Richard Felton


Outcaults Serie „Buster Brown“ von


1907 über die emanzipierten Heldinnen


von Serien mit selbstsprechenden Titeln


wie „Flapper Fanny“, „Millie the Model“


oder „Tillie the Toiler“ bis hin zu den Lu-


xus-Fashionistas aus „Valentina“. Die Ti-


telfigur dieser erotischer Serie von Guido


Crepax ist im Gegensatz zu den Vorge-


nannten kein zweidimensionales Abzieh-


bildchen: Sie ist bisexuell, litt an Anore-


xie, äußert politische Ansichten, gebiert


einen Sohn und muss später dessen Ver-


lust verwinden.


Ein zweiter Abschnitt des Kapitels „Co-


mics erzählen Mode“ zeigt Fiktionen, die


in der Modewelt angesiedelt sind. Die


hier ausgestellten Exzerpte aus realisti-


schen Geschichten machen nicht unbe-


dingt Lust auf mehr. Wohl hingegen sur-


reale Petitessen wie ein Streitgespräch


zwischen Frack und Gehrock von Caran


d’Ache oder eine „zoologische“ Spintisie-


rerei von Caza über gezahnte Anzüge und


giftige Gürtel. Eine dritte Sektion endlich


vereint Werke, die frivole Frauenzimmer


und deren kostspielige Koketterie aufs


Korn nehmen. Kunst darf so ziemlich al-


les: Selbst Machismo und Sexismus ließen


sich hinnehmen, kämen sie nicht in der-


art doofer, denkfauler Gestalt daher wie


zumeist hier. Einzig der geniale Winsor


McCay brilliert einmal mehr mit seiner


kindlich-kauzigen Phantasie. In „Dream


of the Rarebit Fiend“ rächt sich der


schmächtige Autor von „Little Nemo“ wo-


möglich an seiner bulligen, putzsüchtigen


Gattin, indem er strapaziöse Frauenzim-


mer durch Krokohandtaschen verschlin-


gen oder von geflügelten Hüten in die Lüf-


te entführen lässt.


Die zwei letzten Kapitel endlich zeigen


Randständiges: Papierpuppen sowie eroti-


sche Comics, in denen einschlägige Klei-


dungsstücke eine prominente Rolle spie-


len. Jedes bietet eine Überraschung, so


etwa vier papierne Outfits für einepaper


dollaus der Hand keines Geringeren als


des adoleszenten Saint Laurent. Oder


Tuschzeichnungen von Roberto Baldazzini


im letzten Kapitel, deren lesbisch-sado-


masochistische „Bizarrerien“ (so der Titel


eines Albums) glühende Sinnlichkeit im


Eisbad einer sublim unterkühlten Form er-


starren lassen. MARC ZITZMANN


Mode et bande dessinée.Im Musée de la bande


dessinée, Angoulême; bis zum 5. Januar 2020. Auf


der Website des Museums findet sich ein kosten-


loser digitaler Katalog.


Es leuchtet


Das Urheberrecht und


temporäre Kunstwerke


Kleider machen komische Leute


Knallrotes Tutu des Schreckens: Yves Saint Laurents Originalzeichnungen der garstigen „Lulu im Zoo“ von 1956 Foto Fondation Pierre Bergé/Yves Saint Laurent Paris


Die Garstige Lulu und


ihre adretten Geschwister:


Das Musée de la bande


dessinée in Angoulême


widmet sich der Mode


in Comicstrips.


F.A.Z. MAGAZIN MEHR UNTER FAZ.NET/STIL ODER AUF INSTAGRAM


Zeitgemäß: Zehn deutsche Models setzen zehn Entwürfe aus zehn Jahren in Szene.

Zeitgerecht: Donatella Versace hat sich im vergangenen Jahrzehnt neu erfunden.

Zeitgeschichtlich: Populisten sind in vielen Ländern zu Volkshelden aufgestiegen.

Zeitgeistig: Dank Streaming haben sich die Fernsehgewohnheiten dramatisch gewandelt.

Zeitgenössisch: Barbara Klemm beobachtet bei der Biennale in Venedig die Beobachter.

SAM


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