Handelsblatt - 12.09.2019

(lily) #1

Jakob Blume, Lars-M. Nagel Frankfurt, Berlin


D

er Mann steht vor einem Regal voller
Goldbarren und wischt sich die
Stirn. Er habe den ganzen Tag Gold
gezählt, sagt Julius L. (51). Eine
schweißtreibende Arbeit sei das. Er
lässt sich im Tresor filmen, denn der Vertriebschef
hat eine Botschaft für die Kunden der PIM Gold
GmbH: Das Gold ist sicher gelagert. Im März 2017
ist das Video bei Facebook veröffentlicht worden.
Heute ist der Film nicht mehr zu finden, und an
der großen Sicherheit des Goldes gibt es inzwi-
schen große Zweifel.
Seit einer Woche regiert das Chaos beim Gold-
händler PIM aus Heusenstamm und bei dessen Ver-
triebsarm Premium Gold Deutschland (PGD), den
Julius L. leitet. Der Geschäftsbetrieb ist eingestellt.
Die Staatsmacht hat sämtliche Konten eingefroren
und alle Vermögenswerte beschlagnahmt. „Wir alle
sind dran, diese Situation aufzuklären, um entspre-
chend weitermachen zu können“, teilte Julius L.
den wichtigsten Vertriebsleuten per Mail mit. Ein-
fach wird das nicht. „Telefonisch bin ich aktuell
nicht erreichbar, mein Handy liegt bei der Polizei“,
heißt es in der Mail.
Vergangene Woche hatte die Staatsanwaltschaft
Darmstadt den Firmensitz von PIM und PGD in
Heusenstamm durchsucht und den PIM-Chef Me-
sut P. in Untersuchungshaft genommen. Die Behör-
de wirft Mesut P., Julius L. und einem Anwalt der
Firmen unter anderem gewerbsmäßigen Betrug
vor. Nach Informationen des Handelsblatts haben
die Ermittler den dringenden Verdacht, dass in den
Tresoren der PIM fast zwei Tonnen Kundengold
fehlen – im Wert von aktuell knapp 82 Millionen
Euro. Julius L. weist die Vorwürfe von sich, wie
sein Anwalt mitteilt. Die Verteidigerin von Mesut P.
war nicht zu sprechen.
Für die Goldkäufer sind die Erkenntnisse der
Staatsanwaltschaft pure Horrornachrichten. Bei
vielen Verträgen mit PIM gingen sie in Vorleis-
tung. Das Unternehmen bot je nach Vertrag drei
bis sechs Prozent Bonusgold, wenn die Käufer ihr
erworbenes Gold in den Tresoren liegen ließen
und nicht abholten. Der Goldhändler versprach,
das Kapital im Altgoldhandel einzusetzen und sei-
ne Kunden an den Erträgen eines Gold-Recycling-
kreislaufs zu beteiligen. Die Verträge ähnelten ei-
ner Kapitalanlage. Noch im Juli hatten Verbrau-
cherschützer und Goldexperten im Handelsblatt
das Geschäftsmodell als wenig glaubwürdig kriti-
siert.
Nur 215 Kilo Gold im Tresor
Dieser Verdacht scheint sich nun zu erhärten, denn
die Staatsanwaltschaft ermittelte und verglich drei
Mengenangaben. Eine Vertragsdatenbank von PIM
soll Lieferverpflichtungen von 3,38 Tonnen Fein-
gold auflisten, von denen angeblich 2,11 Tonnen se-
parat gelagert werden mussten. Bei einer ersten
Durchsuchung Mitte Juli, die nicht öffentlich be-
kannt wurde, hatte die Behörde nur 215 Kilogramm
Fein- und 13 Kilogramm Altgold gefunden. Die Dif-
ferenz: mindestens 1,886 Tonnen.
PIM hatte den Kunden in vielen Verträgen ver-
sprochen, ihr Gold separat beim Sicherheitsdienst-
leister Loomis in Raunheim aufzubewahren – dort,
wo wohl auch das Video mit dem verschwitzten Ju-
lius L. entstand. Eine separate Lagerung von Kun-
den- und Firmengold konnte die Staatsanwalt-
schaft indes nicht feststellen. Deshalb hat sie Ver-
mögenswerte eingezogen, die sie in Heusenstamm
und im Lager von Loomis in Raunheim vorfand.
Die Vorwürfe gegen die PIM sind nicht neu. Seit
2017 verschickt ein Ex-Mitarbeiter Insiderinforma-
tionen an Behörden und Presse. Der Mann hatte
Mesut P., Julius L. und andere Führungskräfte an-
gezeigt und behauptet, große Mengen Goldes seien
verschwunden.

Zwei


Tonnen Gold


vermisst


Eine Woche nach der Razzia bei der PIM Gold
GmbH steht der Geschäftsbetrieb still.
Neue Details kommen ans Licht. Offenbar gehen
die Strafverfolger davon aus, dass eine
erhebliche Goldmenge im Tresor fehlt.

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(^32) DONNERSTAG, 12. SEPTEMBER 2019, NR. 176

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