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as auch immer der Brexit
noch bringen mag, das sind
die Bilder, die von dieser
Woche bleiben werden: Wie
Nicholas Soames, Winston Churchills
Enkel, nach 36 Jahren den politischen
Dienst quittiert – dabei erinnert er an sei-
nen Groß vater, dem einst ebenfalls Un-
recht widerfahren sei, bevor er letztlich
obsiegte. Wie Philip Hammond, ehema -
liger Schatzkanzler und Inbegriff des Par-
teisoldaten, Boris Johnson mit bleichem
Gesicht »den Kampf seines Lebens« an-
kündigt. Wie Phillip Lee, ein ehemaliger
Staatssekretär, im Parlament vor den Au-
gen seines Chefs zu den Liberaldemokra-
ten überläuft.
Und dann ist da noch Jacob Rees-Mogg,
im Kabinett für Parlamentsangelegen -
heiten zuständig, der sich in seinem stets
übergroßen Zweireiher auf der Regierungs-
bank langmacht. Er schließt dabei demons-
trativ die Augen, wohl um seine ganze Ver-
achtung für das ewige Gequassel, diesen
aus seiner Sicht vermutlich nutzlosen de-
mokratischen Schnickschnack zur Schau
zu stellen. Während seine Partei in ihre
Einzelteile zerfällt, macht Rees-Mogg ein
Nickerchen.
In diesem politischen Stillleben verdich-
tete sich am Dienstagabend das eigent -
liche Drama des unvereinigten König-
reichs. Wenige Stunden später schmiss
Premierminister Boris Johnson fast zwei
Dutzend der angesehensten und promi-
nentesten Tories aus der Fraktion, weil
sie sich erdreistet hatten, ihn an demokra-
tische Spielregeln zu erinnern. Und hier
nun verhöhnte sein treuer Vasall Rees-
Mogg, 50 Jahre alt, Multimillionär und
Frontmann der EU-Hasser, nicht nur diese
Parteifreunde, sondern den Parlamenta-
rismus als Ganzes.
Die Abgeordneten sollten – so wünsch-
ten sich das Johnson und seine Clique –
fürs Erste nicht mehr gebraucht werden.
Ein Volk und ein wild entschlossener An-
führer: Das sollte nach dem Willen des
Neuen in Nummer 10 Downing Street rei-
chen, um das Land »zum großartigsten
Ort auf Erden« zu machen.
»Das Volk gegen das Parlament«, und
»Parlamentsverräter« stand auf Schildern,
die Johnsons Cheerleader draußen vorm
Palast von Westminster schwenkten. Und:
»Wir werden niemals kapitulieren«. Das
sind die Geister, die Johnson rief. Vorboten
dessen, was nun noch kommen könnte.
Von Stunde zu Stunde graben sich Groß-
britanniens Politiker immer tiefer ein in
die Schützengräben, die quer durch fast
alle Parteien laufen. Bis Donnerstagabend
konnte niemand seriös vorhersagen, wer
am Ende dieses schmutzigen Kampfes
noch aufrecht stehen wird. Eines Kampfes,
der vermutlich in den gehässigsten Wahl-
kampf und die schäbigsten Neuwahlen
Titel
GroßbritannienDas Ringen um den Brexit nimmt
immer absurdere Züge an: Das Parlament
hat Premier Johnson vorerst ausmanövriert.
Doch der schlägt immer wilder um sich –
und zerstört nebenbei seine eigene konservative
Partei. Dabei stehen wohl schon bald
Neuwahlen an.
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