Fragen gestellt hatte, sagte er zu Karski:
»Ich will offen zu Ihnen sein. Und deswe-
gen muss ich Ihnen sagen, dass es mir nicht
möglich ist, Ihnen zu glauben. Mein Geist,
mein Herz sind so beschaffen, dass ich es
nicht akzeptieren kann.«
SPIEGEL:Können Sie diese Reaktion ver-
stehen?
Foer:Frankfurter sagt, dass er für seine
seelische und geistige Ausstattung nichts
könne. Ich bin oft enttäuscht von mir. Etwa
darüber, wie ich auf die vielen Obdach -
losen in New York reagiere. Nämlich gar
nicht. An neun von zehn gehe ich einfach
vorbei, nehme sie nicht wahr. Die Frage
ist also, auch angesichts der Klimakrise:
Können wir es schaffen, unsere geistige
Ausstattung umzubauen, um anders zu
reagieren?
SPIEGEL:Der Kern Ihres Buches handelt
nicht vom Klima, sondern von Ihrem
eigenen Kampf mit sich selbst. Dass Sie es
nicht schaffen, jedenfalls nicht vollständig,
Dinge zu tun, von denen Sie wissen, dass
sie richtig sind.
Foer:Schaffen Sie das?
SPIEGEL:Ach was, ich fliege ständig.
Foer:Deswegen brauchen wir nicht noch
ein weiteres Buch mit Sachdaten über den
Klimawandel. Wir haben ja festgestellt, dass
es keine Unterversorgung mit Informatio-
nen gibt. Aber wenn Leute Zeuge von mei-
nem inneren Kampf werden, erinnern sie
sich, dass wir zusammen darin hängen. Und
dass wir ehrlich darüber reden sollten. Na-
türlich sind all diese Veränderungen, die
von uns verlangt werden, Mist. Darin liegt
schließlich der Kern der Klimakatastrophe:
im Ringen mit unserer eigenen Seele. Für
mich ist der einfachste Weg, einen Verbün-
deten zu finden, wenn ich davon berichte,
wie schwer es für mich selbst ist.
SPIEGEL:Was genau fällt Ihnen so schwer?
Foer:Ich weiß inzwischen ziemlich viel
über Massentierhaltung und ihre Folgen
für das Klima. Und trotzdem gibt es wohl
kaum jemanden, der ein noch stärkeres
Verlangen nach Fleisch hat als ich.
SPIEGEL:Sie sind mit Ihrem Bestseller
»Tiere essen« für viele Veganer und Vege-
tarier ein Held geworden. Nun geben Sie
zu, dass Sie ab und zu heimlich Fleisch ge-
gessen haben. Warum dieses Geständnis?
Ist Ihnen das nicht peinlich?
Foer:Irre peinlich. Während ich es für
wichtig halte, die Wahrheit zu sagen, lüge
ich natürlich andauernd. Wie alle Men-
schen. Kleine, harmlose Lügen. Aber hier
war es mir wichtig, die Wahrheit zu sagen.
Das Buch hat ja ein Ziel, es ist kein Ro-
man. Ich möchte Leute wie Sie dazu brin-
gen, ihr Verhalten zu ändern. Und ich
habe lange darüber nachgedacht, wie ich
das erreichen kann. Die Bücher, die ich
bisher über die Klimakatastrophe gelesen
habe, bekommen das nicht hin.
SPIEGEL:Hat der Mensch es überhaupt
verdient zu überleben?
Foer:Das habe mich auch gefragt. Einer
der eindringlichsten Aufrüttler beim Klima -
thema ist Roy Scranton. Seine Artikel in
der »New York Times« werden unter jun-
gen Eltern viral herumgeschickt, weil sie
eine drastische Zukunft ausmalen. In ei-
nem dieser Artikel schreibt er, dass wir,
wenn wir den Planeten wirklich retten
wollten, Selbstmord begehen müssten.
SPIEGEL:Puh.
Foer:Genau. Aber wir wollen ja nicht in
erster Linie den Planeten retten, sondern
uns. Und eine gewisse Lebensqualität. In
dem Buch beschreibe ich eine Bootsfahrt
mit meinen Söhnen. Das ist unverzicht -
bares Leben für mich.
SPIEGEL:Wenn wir so weitermachen mit
dem CO
²
-Ausstoß, werden Bootsfahrten
irgendwann höchst ungemütlich.
Foer:Ich weiß.
SPIEGEL:Und wie verbleiben wir jetzt?
Foer:Können Sie mir versprechen, dass
Sie nach diesem Gespräch zum Lunch kei-
ne tierischen Produkte essen? Und dann
vielleicht morgen Mittag auch nicht?
SPIEGEL:Das ist ja wie bei den Anonymen
Alkoholikern.
Foer:Sie haben es begriffen.
SPIEGEL:Mr Foer, wir danken Ihnen für
dieses Gespräch.
DER SPIEGEL Nr. 37 / 7. 9. 2019 117
FELIPE DANA / DPA
Klimaaktivistin auf Island: »Wir wollen nicht den Planeten retten, wir wollen uns retten«