Parteien im Unterhaus und etlichen Tory-
Rebellen, verständigte sich darauf, die ver-
bleibenden Tage bis zur Zwangspause zu
nutzen, um Johnsons Regierung per Eil -
gesetz einzuhegen.
Das Kalkül der sogenannten Rebellen-
allianz: Wenn es Johnson gesetzlich unter-
sagt sein sollte, das Land am 31. Oktober
ohne jede Vereinbarung aus der Europäi-
schen Union zu führen, müsste er allen
vollmundigen Ankündigungen zum Trotz
in Brüssel um eine weitere Verschiebung
des Austrittstermins um drei Monate bit-
ten. Eine Demütigung, von der sich der
neue Regierungschef vermutlich nicht
mehr erholen würde.
Der Verdacht, dass Johnson und seine
fast ausschließlich aus Hardlinern beste-
hende Regierung insgeheim auf ein No-
Deal-Szenario hinarbeiten, steht in Lon-
don und etlichen EU-Hauptstädten im
Raum.
Zwar beteuert der Premierminister seit
Wochen, die Brexit-Verhandlungen seines
neuen Teams verliefen erfreulich und ein
akzeptables Abkommen mit Brüssel sei
»zum Greifen nah«. Nur: Diese Einschät-
zung haben er und seine Hintersassen
praktisch exklusiv. In Brüssel weiß nie-
mand von »Fortschritten«.
Bei seinen Antrittsbesuchen in Berlin
und Paris tönte Johnson Ende August, sei-
ne Leute hätten neue technische Lösun-
gen für die irisch-nordirische Grenze aus-
baldowert, die den Backstop überflüssig
machen würden. Diese seien »jederzeit
einsetzbar«. Bundeskanzlerin Angela
Merkel öffnete den Briten daraufhin einen
Spaltbreit die Tür: Wenn dem so sei, möge
Johnson die Vorschläge binnen 30 Tagen
auf den Tisch legen, dann werde man da-
rüber reden. Aber bis heute hat London
dem Vernehmen nach den Backstop-Er-
satz noch in keiner EU-Hauptstadt prä-
sentiert.
Am nächsten kommt dem Wunsch nach
neuen Vorschlägen ein umfangreiches Kon-
volut, mit dem Johnson seit geraumer Zeit
wedelt. Es wurde vom Thinktank Prospe-
rity UK mithilfe von Johnson-Gewährsleu-
ten erarbeitet. Allein die Zusammenfas-
sung inklusive der Anhänge ist 88 Seiten
lang.
Die Autoren beschreiben darin ein
Grenz- und-Kontrollsystem, das aus zahl-
losen Einzelmaßnahmen besteht und noch
an keiner Grenze dieser Welt ausprobiert
wurde.
Arbeitnehmer und Händler, die künftig
die Grenze passieren, sollen demnach
in den Genuss »einer maximalen Fülle
von Wahlmöglichkeiten« kommen. »Ver-
trauenswürdige Händler« (trusted traders)
sollen in einem gesonderten IT-System
gespeichert werden und Zölle überweisen.
Checks für Lebensmittel und Tiertrans-
porte sollen durch »mobile Einheiten«
entfernt von der eigentlichen Grenze
durchgeführt werden. Für den Klempner,
der mit seinem Kleintransporter unter-
wegs ist, sollen Ausnahmeregeln geschaf-
fen werden. Andere Unternehmer werden
DER SPIEGEL Nr. 37 / 7. 9. 2019 13
JESSICA TAYLOR / AFP
Oppositionschef Corbyn (u. M.), Labour-Abgeordnete: Niemand glaubt Johnson