Der Spiegel - 07.09.2019

(Ron) #1
Erbschaftsteuer

Fiskus verschläft


Zinssenkung


 Der Fiskus profitiert bei der Berech-
nung der Erbschaftsteuer möglicher -
weise von einem veralteten Zinssatz.
Dabei geht es beispielsweise um Fälle,
in denen Ehepaare ihr Eigenheim beim

Tod eines Partners an die Kinder ver -
erben, der hinterbliebene Gatte aber in
der Immobilie wohnen bleiben darf.
Auf dieses lebenslange Wohnrecht fällt
die Erbschaftsteuer an. Um den Kapital-
wert des Wohnrechts zu berechnen,
legen Finanzämter die Lebenserwar-
tung, eine fiktive Miete und einen Zins-
satz von 5,5 Prozent zugrunde – der in
der aktuellen Niedrigzinsphase sehr
hoch erscheint. Auch bei Schenkungen
wird so verfahren. Wie aus einer Ant-
wort des Bundesfinanzministeriums auf
eine Anfrage der FDP-Fraktion hervor-
geht, stammt die Zinsvorgabe aus
einem Gesetz von 1952 und wurde bis
heute nie angepasst. Das Ministerium
verweist auf den »kaum zu vertreten-
den Aufwand«. Das Aufkommen der
Erbschaftsteuer lag 2018 bei 6,81 Mil -
liarden Euro. Wie sich ein niedrigerer
Zins auswirken würde, kann das Minis-
terium nicht berechnen, wie es schreibt.
FDP-Finanzexperte Frank Schäffler
kritisiert: »Veraltete Werte von 1952
können nicht einfach ungeprüft bis in
alle Ewigkeit belassen werden, damals
war Adenauer noch Kanzler.« COS

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Sprunginnovationen

Bund startet


Agentur SprinD


 Die staatliche Agentur für Sprunginno-
vationen, die nach US-amerikanischem
Vorbild Projekte »mit marktverändern-
dem Potenzial« identifizieren und anschie-
ben soll, steht mehr als ein Jahr nach dem
Kabinettsbeschluss kurz vor dem Start.
Einem aktuellen Papier aus dem Finanz-
ministerium zufolge soll sie Produkte und
Dienstleistungen entwickeln, zur Anwen-
dungsreife bringen oder an Investoren
vermitteln,»bevor internationale Wettbe-
werber die Idee aufgreifen«. Anders als
ursprünglich geplant, soll die Agentur nur
als Dachgesellschaft arbeiten. Das operati-
ve Geschäft sollen maximal fünf Tochter-
gesellschaften führen, die zunächst fünf
Jahre laufen sollen. Danach sollen sie ver-
kauft oder abgewickelt werden. Der
Bundesrechnungshof hat bereits vor dem
Start Bedenken geäußert: Er vermisse
»ein Konzept« des Bildungsministeriums,
»das dessen Pläne für die Ausgestaltung
der Forschungs- und Akteurslandschaft


darlegt«, heißt es in einem Bericht von
Ende August. Dass die Rechte an Erfin-
dungen und Entwicklungen an die Dach-
gesellschaft gehen sollen, berge zudem
»die Gefahr, dass das Potenzial der Rechte
nicht ausgeschöpft wird«. Gründungs -
direktor Rafael Laguna gibt sich unver-
drossen und besuchte zuletzt mögliche
Standorte, neben seiner Heimat Leipzig
sind Potsdam, Karlsruhe und Aachen im
Gespräch. Die Gründungskommission hat
eine Metropolregion wie Berlin empfoh-
len. Ihn hätten bereits interessante »groß
angedachte Ideen« erreicht, so Laguna:
Ein Konzept für das bessere Recycling von
Plastikmüll gehört genauso dazu wie inno-
vative Ansätze für eine neue Chipferti-
gung sowie Ideen, wie der Standort seine
hohe technologische Abhängigkeit redu-
zieren könne. »Wenn uns unter zehn
Ideen ein wirklich umwälzendes Projekt
gelingt, ist das ein Erfolg«, sagt Laguna.
Die Agentur mit dem Kürzel SprinD ist
zunächst auf zehn Jahre befristet und soll
in diesem Zeitraum rund eine Milliarde
Euro investieren können. Das US-Vorbild
Darpa hat rund 3,5 Milliarden Dollar
jährlich zur Verfügung. ROM

Unternehmen

Bessere Bedingungen


für Paketboten


 Die Große Koalition hat sich bei zwei
umstrittenen Projekten geeinigt. Es geht
um den Abbau von Bürokratie, für den
sich Bundeswirtschaftsminister Peter Alt-
maier (CDU) starkmacht, und eine schär-
fere Kontrolle der Sozialabgaben von
Paketzustellern – Letzteres ein Thema,
das Bundesarbeitsminister Hubertus Heil

(SPD) am Herzen liegt. Nun gibt es einen
Kompromiss. Danach werden die soge-
nannten Aufbewahrungspflichten von
Steuerunterlagen für Unternehmen gelo-
ckert. Die Einigung sieht unter anderem
vor, dass Dokumente nur noch fünf Jahre
»aktiv« für die Finanzämter vorgehalten
werden müssen. Danach dürfen sie etwa
auf Festplatten gelagert werden, um die
sich die IT-Abteilung der Firmen nicht
mehr kümmern muss. Das Wirtschafts -
ministerium beziffert die Einsparung für
die Firmen auf mehr als 1,7 Milliarden

Euro. Am 18. September soll das Büro -
kratieentlastungsgesetz III vom Bundes-
kabinett beschlossen werden. Zugleich
will die Ministerriege unter der Leitung
von Kanzlerin Angela Merkel den Gesetz-
entwurf zu den Sozialabgaben für die
Paketbranche auf den Weg bringen.
Künftig sollen die Paketzusteller dazu ver-
pflichtet werden, Sozialabgaben für ihre
Subunternehmen nachzahlen zu müssen,
wenn diese nicht den Mindestlohn ein -
halten. Das Gesetz soll pünktlich zum
Weihnachtsgeschäft in Kraft treten.GT, MAD

MATTHIAS LUEDECKE / FOTOFINDER.COM
Bildungsministerin Anja Karliczek

JOCHEN ECKEL / SZ PHOTO / LAIF
Wohnhäuser in Berlin
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