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er Energiespeicher der Zukunft
wird im Hamburger Hafen er-
probt, ein Betonklotz, so groß
wie eine Turnhalle. Auf die Fas-
sade ist das Bild eines Mammuts gesprayt,
dazu der Schriftzug: »Welcome to the new
Stone Age«.
Den Spruch versteht nur, wer den Inhalt
des Quaders kennt: Er ist randvoll mit Stei-
nen befüllt, die aussehen wie Gleisschotter,
rund tausend Tonnen. Es handelt sich um
Vulkangestein, das Energie besonders gut
speichert. Der Windradhersteller Siemens
Gamesa nutzt das Material für einen neu-
artigen Akku. Seit Juni ist er in Betrieb.
Die Anlage wandelt Windstrom in Heiß-
luft, die wird in den Speicherblock ein -
geblasen und erhitzt den Steinhaufen bis
auf 750 Grad Celsius. Wenn später Strom
benötigt wird, treibt die Hitze eine Dampf-
turbine an – die Energie wird dann zurück-
verstromt. Sie soll ausreichen, um rund
1500 Haushalte einen Tag lang mit Elek-
trizität zu versorgen.
Die Technologie ist weltweit einzigartig,
die Steine wurden per Schiff aus Norwegen
geliefert. »Der Transport war teurer als
die Ware selbst«, sagt Siemens-Gamesa-
Forschungsleiter Hasan Özdem. Vulkan-
steine seien nicht nur vergleichsweise güns-
tig, sondern auch massenhaft verfügbar
und ökologisch unbedenklich.
Ganz im Gegensatz zu konventionellen
Batterien. Ihr Innenleben besteht aus Blei,
Zink, Mangan, Grafit, Nickel, Lithium oder
Kobalt, aus seltenen – und deshalb oft teu-
ren – Bodenschätzen, die eines gemein ha-
ben: Ihr Abbau hinterlässt in Ländern wie
dem Kongo oder China tiefe Spuren in der
Natur, die Arbeit in den Minen ist gefähr-
lich, Kinderarbeit an der Tagesordnung.
Industrie und Wissenschaft suchen des-
halb nach umweltfreundlichen und zu-
gleich günstigen Alternativen. Die For-
scher experimentieren mit organischen
Stoffen, die billig, harmlos und leicht er-
hältlich sind. Zuweilen aber arbeiten sie
auch mit Zutaten, die klingen, als stamm-
ten sie aus Petrosilius Zwackelmanns Zau-
berküche: Apfelstücke, Eierschalen, ja so-
gar Spinnenblut. Hauptsache: nachhaltig.
»Wir brauchen Lösungen, um von den kri-
tischen Ressourcen wegzukommen«, sagt
der Batterienexperte Maximilian Fichtner,
stellvertretender Direktor des Ulmer
Helmholtz-Instituts.
Dies ist nötig, weil immer mehr Elektri-
zität aus erneuerbaren Quellen stammt –
und dieser Strom naturgemäß unstet fließt.
Um Strom für jene Minuten, Stunden oder
auch Tage zu speichern, in denen der
Wind abflaut oder Wolken die Sonne ver-
bergen, braucht es Anlagen, mit denen sich
die erzeugte Energie bevorraten lässt.
Auch die wachsende Zahl von E-Autos
verlangt nach immer mehr Zellmodulen.
Zehn Millionen Elektroautos sollen nach
Prognosen der Bundesregierung bis 2030
allein auf Deutschlands Straßen fahren.
Und dazu kommen noch die Batterien, die
Gabelstapler oder Bohrmaschinen mit
Strom versorgen. Immer mehr Maschinen
und Werkzeuge hängen am Akku, die Ka-
beltrommel hat ausgedient.
Der weltweite Bedarf an Energiespei-
chern, so eine aktuelle Analyse der Markt-
forschungsfirma Bloomberg New Energy
Finance, wird in den kommenden zwei
Jahrzehnten erheblich wachsen. Die instal-
lierte Kapazität lag im vergangenen Jahr
bei gerade einmal 9 Gigawatt, das ent-
spricht der Leistung von rund sechs mitt-
leren Atomkraftwerken. 2040 könnten es
1095 Gigawatt sein – ein Wachstum um
mehr als den Faktor hundert. Auf 662 Mil-
liarden Dollar taxiert Bloomberg die Sum-
me, die bis dahin in Speichertechnologien
investiert werden wird.
Ein großer Teil des Geldes entfällt auf
jene Bodenschätze, die in konventionellen
Batterien enthalten sind. Sie werden nur
in wenigen Regionen der Welt abgebaut.
Lithium kommt überwiegend aus Chile
und Australien, Grafit wird zu rund 72 Pro-
zent in China produziert, Kobalt zu mehr
als der Hälfte im Kongo. Die Deutsche
Rohstoffagentur, ein bundeseigenes Insti-
tut, stuft solche Metalle und Mineralien
als Ressourcen mit hohem Beschaffungs-,
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sumenten ihr Verhalten ändern können, welche
Unter nehmen wirklich umdenken und was die
Politik tun muss. Welche Ideen gibt es, Ökologie
und Ökonomie zusammenzudenken?
Nachhaltig leben(VIII) Der Klimawandel ist zur
entscheidenden politischen und ökonomischen
Frage geworden. Der SPIEGEL widmet dem Thema
deshalb eine Sommerserie: Wir fragen, wie Kon -
Energie aus Eierschalen
BatterienLithium, Nickel oder Kobalt sind knapp und teuer, ihr Abbau zerstört die Umwelt.
Forscher suchen deshalb nach nachhaltigen Akku-Alternativen.
CMBLU
Organische Redox-Flow-Batterie (Simulation): Speicher für Windstrom