Die Weltwoche - 05.09.2019

(ff) #1
16 Weltwoche Nr. 36.

D


er Plan ist so geheim, dass nicht einmal
eine Handvoll Parteikader davon weiss.
In einem internen, noch nicht verabschiedeten
Papier fordert die SVP – die mit Abstand
wählerstärkste Kraft in Bern –, den Asylstatus
abzuschaffen. Das käme einer politischen Re­
volution gleich, zumindest in unseren Brei­
tengraden. Länder in anderen Weltgegenden
sind da weniger grosszügig, aber in West­
europa hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg
aufgrund der schrecklichen Erfahrungen
dieser Epoche eine spezielle Asylpraxis her­
ausgebildet. Sie entsprang der Notwendigkeit,
Menschen zu retten, die in den Nachbar­
staaten unmittelbar mit Folter oder gar Tod
bedroht waren.
Der Flüchtlingsbegriff im schweizerischen
Asylgesetz spiegelt diesen historischen Hin­
tergrund: Er orientiert sich an der Genfer
Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951. Und
diese war – wie das Uno­Hochkommissariat
für Flüchtlinge (UNHCR) als unverdächtige
Quelle schreibt – «zunächst darauf beschränkt,
hauptsächlich europäische Flüchtlinge direkt
nach dem Zweiten Weltkrieg zu schützen».
Ihr Geltungsbereich sei sowohl geografisch
wie zeitlich klar begrenzt gewesen. Ein
«Flüchtling» war definitionsgemäss nur, wer
vor dem 1.  Januar 1951 «aus der begründeten
Furcht vor Verfolgung» wegen seiner Rasse,
Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer
bestimmten sozialen Gruppe oder seiner
politischen Überzeugung sein Heimatland
verlassen musste. Das in einer aussergewöhn­
lichen Situation entstandene und auf be­
stimmte Fälle beschränkte Konzept wurde
später auf die ganze Welt ausgeweitet – mit
unvorhergesehenen Folgen.
Das Resultat lässt sich heute exemplarisch
am Beispiel der Schweiz beobachten. Der Be­
griff Flüchtling ist hohl geworden. Er passt
nicht mehr auf die Klientel, die unter diesem
Titel massenhaft einwandert und etwas ande­
res im Sinn hat als den legalen und legitimen
Schutz vor physischer Vernichtung. Die These
dieses Artikels lautet deshalb: Das Asylwesen
ist ein grosses Illusionstheater, in dem die
Asylbewerber uns täuschen – und wir uns
selbst. Der verstorbene Zürcher Geschichts­
professor Peter Stadler sprach in diesem
Zusammenhang von «Asylantismus». Wir tun
alle so, als ob es um Verfolgung und echte
Flüchtlinge ginge, dabei geht es längst um

etwas ganz anderes. Trotzdem machen wir
munter weiter, als würden wir es nicht bemer­
ken. Zu spüren bekommen es vor allem die
Büezer, die ein Leben lang arbeiten und
Steuern zahlen.
Nicht, dass Politik und Verwaltung untätig
wären. Sie ziehen – vom unzufriedenen Souve­
rän gedrängt – hier ein Schräubchen an, erlas­
sen dort ein neues Gesetzesartikelchen, aber
alles letztlich auf der Stufe des Mikromanage­
ments. Letzte Woche diskutierte die zustän­
dige Nationalratskommission etwa darüber,
ob die Handys von Asylbewerbern überwacht
werden dürften. Das ist schön und gut, doch
das grundsätzliche Problem packen die Politi­
ker und Beamten lieber nicht an. Dabei lässt es
sich ziemlich genau benennen.

Es beginnt schon an der Grenze _ Die
Schweiz hat die Kontrolle über ihre Aussen­
grenzen praktisch aufgegeben – und damit
eines der wesentlichen Merkmale eines souve­
ränen Staates. Sie ist nicht nur offen für die 500
Millionen Europäer, die von der Personenfrei­
zügigkeit profitieren. Auch für den Grossteil
der Dritten Welt besteht faktisch ein Einwan­
derungsrecht – eben über die Asylschiene. Wer
in Chiasso «Asile, asile» ruft, kommt automa­
tisch in ein Verfahren. Manchmal sind es 1000,
manchmal 2000 oder – wie im Asylrekordjahr
2015 – sogar mehr als 3000 pro Monat. Im Jahr
entspricht das mal der Einwohnerzahl der
Stadt Baden, mal der von Kreuzlingen oder gar
von La Chaux­de­Fonds.

Wir wählen die Falschen aus _ Zum Bild ge­
hört, dass wir dieses Einwanderungssystem
für Personen aus Afrika oder dem Nahen und
Mittleren Osten geschaffen haben, ohne je
wirklich darüber diskutiert, geschweige denn
demokratisch abgestimmt zu haben. Anders
als bei der Personenfreizügigkeit hat der Sou­
verän nie ja oder nein gesagt zur Massen­
einwanderung aus Eritrea oder Afghanistan.
Dabei spielt eine ausgesprochene Negativ­
selektion: Statt diejenigen auszuwählen, die
wir wollen und die etwas können, bevorzugen
wir schlechtausgebildete Zuwanderer aus
fremden, oft schwer mit den hiesigen Werten
vereinbaren Kulturen. Für einen hochqualifi­
zierten US­Amerikaner ist es schwieriger, in
die Schweiz zu kommen, als für einen anal­
phabetischen Somalier. Ein Grossteil der Asyl­

Schweiz


Der grosse Selbstbetrug


Von Philipp Gut _ Ein Geheimplan der SVP will den Asylstatus
abschaffen. Das wäre sachlich richtig und wirtschaftlich notwendig.
Denn wo «Flüchtling» draufsteht, ist fast immer ein Einwanderer in
den Sozialstaat drin. Die Steuerzahler kostet es Abermilliarden.

Faktisches Einwanderungsrecht: Eritreer gehen in Bern für eine humanere Flüchtlingspolitik auf die Strasse, 18. Mai 2018.

einwanderer ist islamisch und bekundet mehr
oder weniger grosse Mühe, sich an die hier gel­
tenden Sitten und Gesetze zu halten. Sie stam­
men oft aus brutalisierten Gesellschaften, in
denen Messerattacken zum Alltag gehören
und Frauen nichts wert sind.
Wie sich dies auswirkt, kann man in französi­
schen Banlieues oder in Ostlondon gleichsam
unter Laborbedingungen beobachten, da dort
die Entwicklung schon weiter ist. Aus einst
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