Die Weltwoche - 05.09.2019

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18 Weltwoche Nr. 36.
Bild: Michel Canonica (Tagblatt)


dezu überrannt. Die entsprechenden Kosten
für die Gemeinde Kirchberg, zu der Bazenheid
gehört, haben sich seit 2016 auf 1,7 Millionen
Franken verdreifacht. Der Bund zahlt nur in
den ersten Jahren, danach tragen die Kommu­
nen die volle Last.

4,4 Milliarden Afrikaner
Die Weltwoche liess von Sozialversicherungs­
experten durchrechnen, was beispielsweise
eine junge Syrerin die Steuerzahler kostet,
die mit 25 in die Schweiz kommt, bis 65
Sozial hilfe bezieht und danach noch zwan­
zig Jahre AHV­Minimalrente plus Ergän­
zungsleistungen. Das Ergebnis: mindestens
2,025 Mil lionen Franken. Dies ohne die soge­
nannten situationsbedingten Leistungen
und ohne teure Extras wie Heimaufenthalte
oder Ähnliches. Die Überschlagsrechnung ist
schnell gemacht: Bei 20 000 solchen Fällen
betragen die Kosten 40 Milliarden, bei 50 000
Fällen gar 100 Milliarden. Diese langfristigen
Belastungen kommen zu den direkten
Asylausgaben hinzu, die jährlich rund zwei
Milliarden betragen. Man ist also bald einmal
in einem Bereich von Hunderten Milliarden
Franken.
Parallel dazu wächst die Weltbevölkerung
rasant – zumindest in den armen Regionen
ausserhalb Europas. Die Einwohnerzahl Afri­
kas wird sich gemäss Uno­Schätzungen bis
ins Jahr 2050 von 1,3 auf 2,5 Milliarden fast
verdoppeln. Bis 2100 rechnet die Weltorgani­
sation mit 4,4 Milliarden Afrikanern. Eine
verantwortungsvolle Einwanderungspolitik
kann es schwerlich zulassen, dass unter sol­
chen Bedingungen das Asylsystem als Ein­
fallstor für Sozialmigranten aus aller Welt
missbraucht wird.
Man darf gespannt sein, ob die SVP den Mut
hat, ihren Geheimplan in die Tat umzusetzen.
Es wäre sachlich richtig. Und ökonomisch not­
wendig. Denn wenn die internationale Erfah­
rung eines lehrt, dann dies: Vor Ort lassen sich
echte Flüchtlinge viel wirksamer schützen. Es
braucht nicht viel Fantasie, um sich auszu­
malen, wie viele Menschenleben man so mit
100  Milliarden retten könnte – wenn es denn
wirklich darum ginge.
Ein Teil der offensichtlichen Wahrheit ist
aber auch, dass viele das gar nicht wollen. Ge­
rade die vordergründig «humanitär» gesinn­
te Linke macht den Tanz ums goldene Asyl­
kalb anfeuernd mit – aus politischem Kalkül.
Ihr erklärtes Ziel ist eine möglichst durch­
mischte Schweiz, und sie spekuliert darauf,
dass die Ausländer einmal das Stimmrecht
erhalten und ihre linken Anliegen unterstüt­
zen. Kein Interesse an einer ehrlicheren
Zuwanderungspolitik hat natürlich auch die
florierende Asylindustrie, die sich innert
weniger Jahrzehnte zu einem Milliarden­
business entwickelt hat. Gewinnaussichten:
hervorragend.

Identität, habe ihm einer geantwortet: «Ich
heisse Mickeymaus.»
Tatsächlich gleicht so manches Asylverfah­
ren einem Katz­und­Maus­Spiel, bei dem die
Mäuse den Katzen auf der Nase herumtanzen.
Stehe eine Heirat an, seien die verschwunde­
nen Papiere plötzlich wieder da.
Auch hier tun alle Beteiligten nur so, als ob
es um Schutz für politisch Verfolgte ginge.
Denn niemand, der wirklich bedroht ist, kann
vernünftigerweise ein Interesse daran haben,
seine wahre Identität zu verstecken. Umge­
kehrt gilt für das Aufnahmeland Schweiz:
Wenn wir von der überwältigenden Mehrheit
der Asylbewerber gar nicht wissen, wer sie
sind und woher sie kommen, dann können
wir von dieser überwältigenden Mehrheit
auch nicht sagen, dass sie Recht auf Asyl habe.
Ein falscher Gesuchsteller kann kein echter
Flüchtling sein.


Wer einmal da ist, den bringt man kaum
mehr weg _ Die vorläufig Aufgenommenen
sind das zahlenmässig eindrücklichste, aber
längst nicht das einzige Beispiel dafür, dass es
mit grosser Wahrscheinlichkeit geschafft hat,
wer einen Fuss auf Schweizer Boden setzt. Das
zeigt die Bleibestatistik, und das zeigen die vie­
len von der Asyljustiz vorgebrachten Gründe,
warum Abgewiesene trotz negativem Entscheid
bleiben dürfen. Das kann – auch dies ist akten­
kundig – bis zum richterlichen Argument rei­
chen, ein Afghane habe in seiner Heimat nicht
die gleichen sozialen Kontakte und den gleichen
Lebensstandard wie in der Schweiz. Wiederum
spielen wir mit, ja, wir bezahlen auch noch: mit
Gratisanwälten auf Staatskosten.


Einwanderung in die Sozialwerke _ Schie­
ben wir die kitschige, weil unzutreffende Dar­
stellung vom verfolgten Flüchtling beiseite, so
zeigt sich: Es handelt sich überwiegend um
Wirtschaftsmigranten – mehr noch: um Ein­
wanderer in den Sozialstaat. Bei manchen


Nationen beträgt die Sozialhilfequote über
90 Prozent. Auch dies ist kein Geheimnis. Wir
wissen es, wir sehen es, wir zahlen es. Gut Ge­
wissen will teuer sein.


Trotz dieser Faktenlage weigern sich die Ver­
antwortlichen standhaft, eine nüchterne
Auslegeordnung vorzunehmen. SEM­Chef
Mario Gattiker betonte am Dienstag hinter
geschlossenen Türen vor Parlamentariern in
Bern, die Schweiz verwalte ihr Asylwesen im
europäischen Umfeld relativ effizient. Die
Aussage ist typisch: Die Behörden stellen gern
irgendwelche Vergleiche an, um ihre Arbeit in


ein besseres Licht zu rücken. Auch die seit dem
Asylrekordjahr 2015 sinkenden Zahlen von
neu Zugewanderten sorgen für Erleichterung
und werden als Erfolg verkauft. So heisst es im
jüngsten Bericht des Bundesrates über die
Migrations­Aussenpolitik, die «irreguläre
Migration nach Europa» sei «weiter zurück­
gegangen». CVP­Nationalrätin Kathy Riklin
twitterte darauf allen Ernstes: «2018 hat es
weniger Asylgesuche, das ist ein ‹Problem› für
die Populisten!»
Diese oberflächliche, nachgerade frivole
Betrachtungsweise scheint symptomatisch
dafür, wie wir über die Asylfrage reden. Statt
das Gesamtbild in den Blick zu nehmen und
die Folgen für die Leute, laboriert man an
Reformen und Reförmchen herum und
verteilt Beruhigungspillen an die Bevöl­
kerung.

Es sind nicht die Franzosen, die kommen
Zu einer realistischeren Sicht gehörte bei­
spielsweise die bekannte Beobachtung, dass es
in Zeiten des Dublin­Abkommens eigentlich
gar nicht möglich ist, dass Asylbewerber auf
dem Landweg in die Schweiz gelangen (was
aber die grosse Mehrheit tut). Ihr Gesuch
müsste dort behandelt werden, wo sie in
Europa anlanden.
Und noch grundsätzlicher: Wenn es um die
Rettung ihres Lebens ginge, könnten sie auf
ihrer Flucht im ersten Staat stoppen, wo sie
nicht mehr bedroht sind. Nun weiss jeder,
dass nicht Deutsche, Franzosen, Italiener,
Österreicher und Liechtensteiner in der
Schweiz Asyl verlangen, sondern Angehörige
von Nationen, die weit weg auf anderen
Kontinenten liegen. Auch dies führt jedem,
der es sehen will, vor Augen, dass das Ziel der
Reisenden nicht primär der Schutz vor Ver­
folgung sein kann.
Warum kommen Zehntausende von
Eritreern in die Schweiz – und nur ganz ver­
einzelte nach Österreich? Weil wir es ihnen er­
lauben und weil sie hier alles kriegen, von der
Wohnung über die Ausbildung bis zum Zahn­
arzt und dem Abo für den öffentlichen Ver­
kehr. Das toggenburgische Bazenheid wird
derzeit von eritreischen Asylbewerbern gera­

Kathy Riklin: «2018 hat es


weniger Asylgesuche, das ist ein


‹Problem› für die Populisten!»


Es geht um etwas anderes: Staatssekretär Gattiker.
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