Die Weltwoche - 05.09.2019

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34 Weltwoche Nr. 36.19
Bild: Arnd Wiegmann (File Photo, Reuters)


Er muss zu den beliebtesten Personen der
Finanzbranche zählen. Mit wem man auch
spricht, man hört nichts Negatives über Iqbal
Khan, sondern vor allem lobende Worte. Der
43-jährige Banker ist zurzeit eine Art magi-
scher Punkt in der Finanzbranche, der etwas
hat, was die meisten anderen nicht haben, und
der mit seinen beruflichen Bewegungen mo-
mentan das Publikum fesselt. Anfang Juli hat
er die Geschäftsleitung der Credit Suisse ver-
lassen, um seine Karriere ausserhalb des Un-
ternehmens fortzusetzen. Damals war nicht
klar, wo. Nun tritt er auf Anfang Oktober in die
Konzernleitung der UBS ein. Khan wechselt
also auf oberster operativer Ebene innerhalb
von drei Monaten von der einen zur andern
Schweizer Grossbank oder, anders gesagt: vom
CS-Chef Tidjane Thiam zum UBS-Chef Sergio
Ermotti. Oder nochmals anders ausgedrückt:
aus der Position eines möglichen künftigen
CS-CEO in die Stellung eines möglichen künf-
tigen UBS-CEO.
In der Zeit bei der Credit Suisse hat Khan
zwar jeweils Spekulationen über einen Schritt
an die Konzernspitze zurückgewiesen, aber
dass er immer wieder als Nachfolger Thiams
gesehen wurde, verdeutlicht, welches Gewicht
der junge und energiegeladene Aufsteiger in
der Bank seit seinem Eintritt 2013 gewonnen
hatte. Khan war schon vorher jung und schnell.
Bevor er zur Credit Suisse geholt wurde, arbei-
tete er in der Beratungs- und Wirtschaftsprü-
fungsfirma Ernst & Young (früher Atag) und
wurde da in einem so jungen Alter als Partner
aufgenommen, von dem andere träumen. Mit
seiner Ausbildung zum Treuhänder und Wirt-
schaftsprüfer mit Finma-Lizenz als Chef-
Auditor sowie als zertifizierter Finanzanalyst
und schliesslich mit einem Advanced Master
in Business Law der Uni Zürich konzentrierte
er sich bei Ernst & Young auf den Finanzsek-
tor. Neben der Wirtschaftsprüfung gewann die
Beratung an Bedeutung, auch mit Blick auf die
komplizierter werdende Regulierung, Analy-
sen der Bankenbranche gehörten dazu, und
zusammen mit seinem Revisionsteam war er
auch mit der Prüfung der UBS betraut. Unbe-
kannt ist ihm die Bank also nicht.


Wer macht das Rennen?


Offenbar konnte die auf Zahlendiät beruhen-
de Wirtschaftsprüfung längerfristig seinem
Temperament nicht ganz gerecht werden,
auch von den kommunikativen Fähigkeiten
her sprengte er den Rahmen. «Wenn ein typi-


scher Revisor mit einem redet, schaut er auf
seine Schuhspitzen, wenn Iqbal Khan spricht,
zieht er die Gesprächspartner in Bann», ist von
Kollegen zu hören. Das einprägsamste Wort,
das man von Leuten hört, die mit ihm zu tun
haben, ist «makellos». Makellos, so die Ein-
schätzungen, wirken sein Englisch, sein
Deutsch, sein Verhalten, sein Auftreten und
seine Kleidung, alles stimmt – nicht auf auf-
dringliche Art und Weise, nicht zum Blenden,
sondern eher als Zeichen für Sorgfalt und Dis-
ziplin. Und zwar nicht auf verkrampfte Art,
sondern eher so, dass er damit als Vorbild
wirken kann.
«Er ist der ideale Chef», ist wiederholt zu
hören, er kümmere sich gut um seine Mit-
arbeiter, gebe ihnen Verantwortung und Frei-
raum, ziehe sie mit, sorge für ein gutes Klima,
auch mit Humor, und die Leute zögen ihrer-
seits mit, man arbeite gerne für ihn. Er bringe
etwas mit, was in Führungsetagen selten sei:

Neben der starken analytischen Intelligenz sei
bei ihm auch die andere Dimension, die emo-
tionale Intelligenz, ausnehmend gut ausgebil-
det. «Er ist ein Menschenfreund», lautete der
ultimative Versuch eines Finanzexperten,
Iqbal Khan mit einer griffigen Formel zu be-
schreiben, er sei auch da hilfsbereit, wo dies
nicht zum Pflichtpensum gehöre.
Dass Khan in Unternehmen Menschen und
damit Geschäfte bewegen kann, hat er in sei-
ner Credit-Suisse-Zeit gezeigt. 2013 wurde er
Finanzchef in dem von Hans-Ueli Meister ge-
führten Private Banking. Als 2015 der frisch
angetretene CS-Konzernchef Thiam die neue
Strategie vorstellte und umzusetzen begann,
stieg Khan zum Chef des internationalen Ver-
mögensverwaltungsgeschäfts auf, einer der
drei Divisionen des neuausgerichteten Kon-
zerns. Branchenbeobachter sahen das damals
eigentlich nur als eine Art Junior-Beförderung
an, denn Khan erhielt mit dem International

Alles stimmt: Manager Khan.

Banker und Menschenfreund


Der von der Credit Suisse zur UBS wechselnde Iqbal Khan vereinigt auf ausserordentliche Weise


analytische und emotionale Stärken auf sich. Er könnte der nächste Konzernchef werden,


aber seine Kollegin Sabine Keller-Busse hat einen Gender-Vorteil. Von Beat Gygi

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