Die Weltwoche - 05.09.2019

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Weltwoche Nr. 36.19 39
Bild: Michael Kappeler (DPA, Keystone)


Medien. Wähler sollen zudem durch Kumulie-
ren und Panaschieren auf dem Wahlzettel
selbst den Kandidaten ihrer Wahl ins Parla-
ment bringen und nicht ein Parteitag, der die
Kandidatenliste erstellte.
Rechtsextrem ist an diesen Forderungen
nichts. Sie stellen nicht die Demokratie in
Frage. Aber sie zielen ins Herz der verfilzten
Parteienherrschaft, in der es sich Union, SPD,
FDP und als Nachzügler Grüne und Linke
bequem eingerichtet haben. Die AfD benennt
es ganz offen: «Heimlicher Souverän ist eine
kleine, machtvolle politische Führungs-
gruppe innerhalb der Parteien.» Mit anderen
Worten: ein politisches Kartell.
Dort spürt man, dass das festgefügte System
unaufhaltsam ins Rutschen geraten ist. Daher
die Panik und der Hass, die Tiraden und die
Tricks, mit denen man die AfD bekämpft. Man
greift auf alte Methoden zurück, die sich bis-
lang noch immer bewährt haben. An erster
Stelle ist dies die Nazikeule, mit der man in
Deutschland politisch unliebsame Gegner
stets zum Schweigen bringen konnte.
Die Methode ist nicht ohne Erfolg. Deut-
sche haben wegen der in ihrem Namen be-
gangenen Verbrechen der Nazizeit kein un-
verkrampftes Verhältnis zu sich selbst und zu
ihrer Nation. Stolz zu sein auf Deutschland,
tönt in vielen Ohren falsch, gefährlich – völ-
kisch. Verstärkt wurde diese Tendenz durch


Generationen von links-grünen Lehrern,
Intellektuellen, Journalisten und Politikern,
die predigten, dass die Zukunft Deutschlands
darin liege, sich in einem multikulturellen
Meer aufzulösen.

Das Establishment hat sein Ziel erreicht
Unter diesen Umständen ist es nicht verwun-
derlich, dass Deutsche nicht in die Nähe brau-
nen Denkens gerückt werden wollen. Sicher
würde die AfD noch bessere Wahlresultate er-

zielen, wenn sie nicht ständig gleichsam als
Wiedergänger der Nazis verunglimpft würde.
Das gilt vor allem im Westen des Landes, wo
die sogenannte Vergangenheits bewältigung
mit mehr Nachdruck durchge zogen wurde als
in der DDR.
Dennoch gelingt es nicht, die AfD bei Wah-
len kleinzuhalten – weshalb das Establish-
ment zu anderen, demokratisch fragwürdi-
gen Methoden greift. Dazu gehörte es, Anfang
des Jahres den Verfassungsschutz auf die
Partei anzusetzen. Nicht genug, dass das Amt
sein geheimes Gutachten rechtswidrig an die
Presse durchstach; der Bericht selbst erinnert

an schlimme Beispiele der deutschen Ge-
schichte, in der staatliche Behörden für par-
teipolitische Zwecke missbraucht wurden.
Oder was soll man davon halten, wenn der
Verfassungsschutz selbst unverfängliche
Äus serungen von AfD-Mitgliedern für ver-
fassungsfeindlich erachtet, wenn «heraus-
gehörte Zwischentöne für radikalere Ziele
sprechen könnten»? Zwischentöne und
Zungenschläge entscheiden unter Umstän-
den darüber, ob eine Partei verboten wird?
Und wer genau will denn aus diesen
Zwischen tönen was heraushören?
Moniert hatte das Amt auch den Umstand,
dass die AfD alle ihre politischen Konkurren-
ten – von der CDU bis zur Linken – kritisiert.
Darin sah die Behörde nicht etwa eine legiti-
me Auseinandersetzung mit Mitbewerbern,
sondern eine grundsätzliche «Kritik am
Mehr parteiensystem und damit an der parla-
mentarischen Demokratie».
Das Verwaltungsgericht Köln hat dem Ver-
fassungsschutz zwar inzwischen verboten, die
AfD als «Prüffall» zu bezeichnen. Aber das
Establishment hat sein Ziel erreicht: Man
schmeisst mit Schmutz, und irgendwas wird
schon hängenbleiben. «Semper aliquid hae-
ret», sagten die Lateiner. Wichtig aber ist der
weniger bekannte Anfang des Zitats: «Audac-
ter calumniare»: Nur keck verleumden, dann
wird schon irgendwas hängenbleiben. g

Das festgefügte System ist ins Rutschen geraten: AfD-Wahlparty in Dresden.


Man greift auf alte Methoden
zurück, die sich bisher noch
immer bewährt haben.
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