Die Weltwoche - 05.09.2019

(ff) #1
Weltwoche Nr. 36.19 5
Bild: Artyom Ivanov (TASS, Getty Images)

M


ein Verdacht: US-Präsident Donald
Trump hat keinen Plan gegenüber China.
Es ist die übliche Oberflächlichkeit der ame-
rikanischen Aussenpolitik: Die Amerikaner
sehen mit Blick auf andere Länder am Ende
meistens, eigentlich immer, nur sich selbst.
Deshalb halten sie die Chinesen für eine expan-
dierende, weltausgreifende Macht, die sich
ähnlich dominant verhalten möchte wie die
Amerikaner. Aber stimmt das? Die Chinesen
sind eine uralte Territorialmacht, keine See-
macht wie die USA. Sie haben ihre Kriege mehr-
heitlich in heimischen Gebieten und der nähe-
ren Umgebung geführt, sicher weniger
weltumspannend als die USA. Seit Jahrhunder-
ten versuchen die Chinesen, eine klassische
Händlernation, über ausgedehnte Handels-
routen und Seidenstrassen ihre Produkte zu
verkaufen.
Klar, es ist möglich, dass die Chinesen ihren
Charakter verändern oder bereits verändert
haben. Wer immer mehr Macht und mehr Geld
hat, kann Verlockungen erliegen und Dinge
tun, auf die er früher verzichten musste. Zudem
ist die chinesische Regierung im Wandel vom
Steinzeitkommunismus zur hybriden Form
einer sozialistischen Marktwirtschaft, wobei
die Chinesen heute kapitalistischer unterwegs
sind als manche EU-Mitgliedstaaten; und
Peking ist noch kein natürlicher Sympathie-
träger. Der Umgang mit Dissidenten und
Minderheiten flösst im Westen noch nicht
unein geschränktes Vertrauen ein, um es zu-
rückhaltend auszudrücken.
Trotzdem: Die aggressive Konfrontations-
stellung der Trump-Regierung gegen China
geht von Voraussetzungen aus, die möglicher-
weise falsch sind. Sehr gut denkbar, dass die
Chinesen eine andere, freundlichere Aussen-
politik betreiben als die Amerikaner. Vielleicht
darf man ihnen sogar glauben, wenn sie sagen,
es gehe ihnen vor allem um Wohlstand und
weniger um Macht. Schliesslich: Ist es nicht
legitim, dass die Chinesen, denen der Westen
im 19. Jahrhundert schreckliche Kolonialver-
brechen antat, etwas pikiert reagieren, wenn
die gleichen Westler, die China den Opium-
krieg gebracht haben, heute mit dem erhobe-
nen Zeigefinger operieren und aussenpoliti-
schen Druck aufsetzen?
Die US-Regierung, so weit mein Eindruck,
macht Innenpolitik durch Aussenpolitik gegen
China. Trump markiert den harten Mann, um

seine Wähler zu beeindrucken, vor allem die
zahllosen arbeitslos gewordenen Fabrik-
arbeiter, deren Jobs nach Asien, Vietnam und
zunächst sicher auch nach China ausgewandert
sind. Indem Trump die Chinesen mit harten
Zöllen belegt, gibt er diesen «deplorables», wie
sie Hillary Clinton abschätzig nannte, das
Gefühl, er tue etwas für sie; er werde die Jobs,
die die Chinesen «geklaut» haben, wieder
zurückbringen.
Das ist natürlich kompletter Unsinn. Das
Problem der Amerikaner ist punkto Fabrik-
arbeitsplätze nicht China, sondern der Mangel
an eigenen, gutausgebildeten
Fachkräften aufgrund eines
miserablen Schulsystems. In
den USA gebe es, sagt man, nur
Nobelpreisträger und Hilfs-
arbeiter, dazwischen nichts.
Das hat was. Anstatt auf die
Chinesen einzudreschen,
könnte Trump ein duales
Bildungssystem wie in der
Schweiz aufziehen, um über-
haupt die Arbeiter zu bekom-
men, die eine konkurrenzfähi-
ge Produktion braucht.
Ich bin sicher: Trump ist
intelligent, er weiss das. Aber er
weiss auch: Der Umbau eines Bildungs systems
dauert lange und produziert nicht von Beginn
weg Erfolg. Man muss zuerst untendurch. Gift
vor den Wahlen. Da ist es leichter, die Kon-
frontation mit einem weitentfernten Land zu
suchen, das sich als Feindbild bestens eignet.
Was aber ist Trumps Ziel? Will er mit den
Chinesen einen Deal? Will er sie mit Zollschran-
ken zumauern? Was ist das Endspiel? Ich fürchte,
die Amerikaner wissen es selber nicht. Sie hau-
en drauf, aber nicht zu sehr, denn sonst heisst
es, Trump sei schuld an einer Rezession. Das

Editorial


China,


Umweltpakt


Trumps aussenpolitischer
Irrtum. Uno auf dem Weg ins
Mittelalter. Von Roger Köppel

mag auch der Grund sein, warum der Präsident
neuerdings der amerikanischen Notenbank
reinredet, auf dass die Zinsen vor den Wahlen
schön tief bleiben.
Amerika hat viele bewundernswerte Vorteile
und Stärken, aber leider sind die Amerikaner
auch globaler Marktleader des Narzissmus,
einer gelegentlich allzu ausgeprägten Ich-
Besessenheit, die den Blick verstellt auf andere
Kulturen.

D


ie Vereinten Nationen, dieser verdienst-
volle Verbund ehrgeiziger Politiker, die
intensiv damit beschäftigt
sind, der Welt zu beweisen,
dass die Uno die grösste und
einzige Quelle des Guten auf
diesem Planeten ist, haben
nach dem Migrations- und
Flüchtlingspakt nun erwar-
tungsgemäss auch einen glo-
balen «Umweltpakt» verfasst.
Der Entwurf geistert zur Be-
gutachtung bereits im Bundes-
haus herum.
Es handelt sich, sollte der Pakt
jemals durchkommen, was so
sicher ist wie das Amen in der
Kirche, um eine rechtlich unver-
bindliche, also dem demo kratischen Prozess
enthobene, dafür politisch um so verbindlichere
Vorschriftensammlung. Staaten, die den Vertrag
unterzeichnen, sind gehalten, den «Klimawan-
del» durch «staatliche Beihilfen» zu bekämpfen.
Sie sollen alle staatlichen und wirtschaftlichen
Unternehmungen auf ihre «Umweltverträg-
lichkeit» hin prüfen lassen. Kontrollbürokratien
sind auf zubauen, Berichte zu schreiben, und
ausserdem verpflichten sich die Regierungen
darauf, «Masseninformationsmittel» bereit-
zustellen «mit erzieherischem Charakter über
Öko systeme und über die Notwendigkeit von
Umweltschutz». Kurz: Propaganda.
Am besten aber finde ich Artikel 6, «Vorsorge»:
Im Falle eines Risikos von «schweren oder un-
umkehrbaren Umweltschäden», wie zum Bei-
spiel durch Klimawandel, dürfe das «Fehlen
von wissenschaftlicher Gewissheit kein Grund
sein, wirksame und angemessene Massnahmen
zur Verhinderung von Umweltschäden auf
einen späteren Zeitpunkt zu verschieben». Mit
anderen Worten: Umweltschutz ist für die Uno
keine Frage wissenschaftlicher Gewissheiten
mehr, sondern eine Art offenbarte, sich selbst
rechtfertigende Glaubenswahrheit, die aus-
drücklich auch ohne wissenschaftliche Grund-
lage gelten und nach der gehandelt werden soll.
Ohne es vermutlich zu wollen, offenbart der
Uno-Umweltpakt damit den tief antiauf-
klärerischen, geradezu mittelalterlichen Denk-
stil einer modernen, radikalen Umweltreli-
gion, die Gott entmachtet und an dessen Stelle
den Menschen in seiner Eigenschaft als gläubig-
rot-grüner Politiker installiert hat.

Was ist das Endspiel?

Spitze für Sie.

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